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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
Direktoren in den Regierungen fielen hinweg, desgleichen eine lange Reihe
niederer Aemter. Friedr. Schöll und einige Andere von Hardenberg's zweifel-
haften Freunden mußten noch für allerhand Versprechungen ihres alten
Gönners wohl oder übel entschädigt werden.*) Doch nachdem dies letzte
Vermächtniß des leichtsinnigen Kanzlers berichtigt war, herrschte in allen
Zweigen des Staatsdienstes eine spartanische Einfachheit, fast so streng
wie zur Zeit Friedrich Wilhelm's I. Knapp waren die Gehalte, kahl
und ärmlich die Amtsräume; manche der neuen Staatsbauten -- so das
Haus des Arnsberger Oberlandsgerichts -- sahen einer Scheune ähn-
licher als einem Palaste; nur für die Dienstgebäude der Hauptstadt konnte
Schinkel zuweilen eine anspruchslose künstlerische Ausschmückung erlangen.
Es war der Stolz des preußischen Beamten, daß keine andere Großmacht
die wirthschaftlichen Kräfte ihres Volkes so haushälterisch schonte; seine
Standesehre gebot ihm, der Krone jede irgend vermeidbare Ausgabe zu
ersparen. Als Eichhorn durch die langwierige Kriegskosten-Abrechnung
mit Frankreich dem Staate Millionen gerettet hatte, wollte er eine sehr
bescheidene Gratification, die ihm der König zuwies, schlechterdings nicht an-
nehmen; erst nach Jahren gab er nach, weil der Monarch darauf bestand.**)

So ging die neue Verwaltungsordnung aus langem Streite siegreich
hervor, und fortan blieb sie durch viele Jahre fast unangefochten, weil
sich ihre wohlthätige Wirksamkeit nicht mehr verkennen ließ. Wohl klagte
man über ihre schwerfälligen, verwickelten Formen: kam es doch zuweilen
vor, daß eine Verwaltungssache fünf Instanzen, von der Gemeinde zum
Landrath, zur Regierung, zum Oberpräsidenten, endlich zum Minister
durchlaufen mußte. Doch selbst dieser Mißstand ward ertragen, denn die
Häufung der Instanzen bot gegen Willkür und Parteilichkeit eine sichere
Gewähr. Der König aber hatte auch diesmal, wie so oft gegenüber den
Forderungen der Provinzialstände, seiner monarchischen Pflicht getreu die
Continuität des Rechts gewahrt, die großen Errungenschaften der Stein-
Hardenbergischen Epoche gerettet. Niemand war froher darüber als Stäge-
mann, der Veteran aus Stein's Tagen, der jetzt als Lottum's nächster
Untergebener alle wichtigeren Cabinetsordres zu entwerfen hatte.

Nachdem die Entscheidung gefallen war, versuchte Schön noch ein-
mal dem Könige die Ernennung von acht Provinzialministern neben sechs
Fachministern zu empfehlen. Der Versuch blieb erfolglos. W. Hum-
boldt aber wurde dadurch veranlaßt, in einer meisterhaften Abhandlung
(vom 1. Februar 1825) die Einheit der Verwaltung ebenso schlagend zu
rechtfertigen, wie er vormals in seiner Denkschrift über die Provinzial-
stände die Einheit der Verfassung vertheidigt hatte. "Grade die höchste
Verantwortlichkeit -- so erwiderte er dem Vorkämpfer des Provinzialsystems

*) Schöll an Albrecht, 30. Dec. 1823. Cabinetsordre an Lottum, 31. März 1824.
**) Bernstorff an Hardenberg, 13. Juli 1822. Eichhorn an den König, 11. Dec. 1826.

III. 6. Preußiſche Zuſtände nach Hardenberg’s Tod.
Direktoren in den Regierungen fielen hinweg, desgleichen eine lange Reihe
niederer Aemter. Friedr. Schöll und einige Andere von Hardenberg’s zweifel-
haften Freunden mußten noch für allerhand Verſprechungen ihres alten
Gönners wohl oder übel entſchädigt werden.*) Doch nachdem dies letzte
Vermächtniß des leichtſinnigen Kanzlers berichtigt war, herrſchte in allen
Zweigen des Staatsdienſtes eine ſpartaniſche Einfachheit, faſt ſo ſtreng
wie zur Zeit Friedrich Wilhelm’s I. Knapp waren die Gehalte, kahl
und ärmlich die Amtsräume; manche der neuen Staatsbauten — ſo das
Haus des Arnsberger Oberlandsgerichts — ſahen einer Scheune ähn-
licher als einem Palaſte; nur für die Dienſtgebäude der Hauptſtadt konnte
Schinkel zuweilen eine anſpruchsloſe künſtleriſche Ausſchmückung erlangen.
Es war der Stolz des preußiſchen Beamten, daß keine andere Großmacht
die wirthſchaftlichen Kräfte ihres Volkes ſo haushälteriſch ſchonte; ſeine
Standesehre gebot ihm, der Krone jede irgend vermeidbare Ausgabe zu
erſparen. Als Eichhorn durch die langwierige Kriegskoſten-Abrechnung
mit Frankreich dem Staate Millionen gerettet hatte, wollte er eine ſehr
beſcheidene Gratification, die ihm der König zuwies, ſchlechterdings nicht an-
nehmen; erſt nach Jahren gab er nach, weil der Monarch darauf beſtand.**)

So ging die neue Verwaltungsordnung aus langem Streite ſiegreich
hervor, und fortan blieb ſie durch viele Jahre faſt unangefochten, weil
ſich ihre wohlthätige Wirkſamkeit nicht mehr verkennen ließ. Wohl klagte
man über ihre ſchwerfälligen, verwickelten Formen: kam es doch zuweilen
vor, daß eine Verwaltungsſache fünf Inſtanzen, von der Gemeinde zum
Landrath, zur Regierung, zum Oberpräſidenten, endlich zum Miniſter
durchlaufen mußte. Doch ſelbſt dieſer Mißſtand ward ertragen, denn die
Häufung der Inſtanzen bot gegen Willkür und Parteilichkeit eine ſichere
Gewähr. Der König aber hatte auch diesmal, wie ſo oft gegenüber den
Forderungen der Provinzialſtände, ſeiner monarchiſchen Pflicht getreu die
Continuität des Rechts gewahrt, die großen Errungenſchaften der Stein-
Hardenbergiſchen Epoche gerettet. Niemand war froher darüber als Stäge-
mann, der Veteran aus Stein’s Tagen, der jetzt als Lottum’s nächſter
Untergebener alle wichtigeren Cabinetsordres zu entwerfen hatte.

Nachdem die Entſcheidung gefallen war, verſuchte Schön noch ein-
mal dem Könige die Ernennung von acht Provinzialminiſtern neben ſechs
Fachminiſtern zu empfehlen. Der Verſuch blieb erfolglos. W. Hum-
boldt aber wurde dadurch veranlaßt, in einer meiſterhaften Abhandlung
(vom 1. Februar 1825) die Einheit der Verwaltung ebenſo ſchlagend zu
rechtfertigen, wie er vormals in ſeiner Denkſchrift über die Provinzial-
ſtände die Einheit der Verfaſſung vertheidigt hatte. „Grade die höchſte
Verantwortlichkeit — ſo erwiderte er dem Vorkämpfer des Provinzialſyſtems

*) Schöll an Albrecht, 30. Dec. 1823. Cabinetsordre an Lottum, 31. März 1824.
**) Bernſtorff an Hardenberg, 13. Juli 1822. Eichhorn an den König, 11. Dec. 1826.
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[420/0436] III. 6. Preußiſche Zuſtände nach Hardenberg’s Tod. Direktoren in den Regierungen fielen hinweg, desgleichen eine lange Reihe niederer Aemter. Friedr. Schöll und einige Andere von Hardenberg’s zweifel- haften Freunden mußten noch für allerhand Verſprechungen ihres alten Gönners wohl oder übel entſchädigt werden. *) Doch nachdem dies letzte Vermächtniß des leichtſinnigen Kanzlers berichtigt war, herrſchte in allen Zweigen des Staatsdienſtes eine ſpartaniſche Einfachheit, faſt ſo ſtreng wie zur Zeit Friedrich Wilhelm’s I. Knapp waren die Gehalte, kahl und ärmlich die Amtsräume; manche der neuen Staatsbauten — ſo das Haus des Arnsberger Oberlandsgerichts — ſahen einer Scheune ähn- licher als einem Palaſte; nur für die Dienſtgebäude der Hauptſtadt konnte Schinkel zuweilen eine anſpruchsloſe künſtleriſche Ausſchmückung erlangen. Es war der Stolz des preußiſchen Beamten, daß keine andere Großmacht die wirthſchaftlichen Kräfte ihres Volkes ſo haushälteriſch ſchonte; ſeine Standesehre gebot ihm, der Krone jede irgend vermeidbare Ausgabe zu erſparen. Als Eichhorn durch die langwierige Kriegskoſten-Abrechnung mit Frankreich dem Staate Millionen gerettet hatte, wollte er eine ſehr beſcheidene Gratification, die ihm der König zuwies, ſchlechterdings nicht an- nehmen; erſt nach Jahren gab er nach, weil der Monarch darauf beſtand. **) So ging die neue Verwaltungsordnung aus langem Streite ſiegreich hervor, und fortan blieb ſie durch viele Jahre faſt unangefochten, weil ſich ihre wohlthätige Wirkſamkeit nicht mehr verkennen ließ. Wohl klagte man über ihre ſchwerfälligen, verwickelten Formen: kam es doch zuweilen vor, daß eine Verwaltungsſache fünf Inſtanzen, von der Gemeinde zum Landrath, zur Regierung, zum Oberpräſidenten, endlich zum Miniſter durchlaufen mußte. Doch ſelbſt dieſer Mißſtand ward ertragen, denn die Häufung der Inſtanzen bot gegen Willkür und Parteilichkeit eine ſichere Gewähr. Der König aber hatte auch diesmal, wie ſo oft gegenüber den Forderungen der Provinzialſtände, ſeiner monarchiſchen Pflicht getreu die Continuität des Rechts gewahrt, die großen Errungenſchaften der Stein- Hardenbergiſchen Epoche gerettet. Niemand war froher darüber als Stäge- mann, der Veteran aus Stein’s Tagen, der jetzt als Lottum’s nächſter Untergebener alle wichtigeren Cabinetsordres zu entwerfen hatte. Nachdem die Entſcheidung gefallen war, verſuchte Schön noch ein- mal dem Könige die Ernennung von acht Provinzialminiſtern neben ſechs Fachminiſtern zu empfehlen. Der Verſuch blieb erfolglos. W. Hum- boldt aber wurde dadurch veranlaßt, in einer meiſterhaften Abhandlung (vom 1. Februar 1825) die Einheit der Verwaltung ebenſo ſchlagend zu rechtfertigen, wie er vormals in ſeiner Denkſchrift über die Provinzial- ſtände die Einheit der Verfaſſung vertheidigt hatte. „Grade die höchſte Verantwortlichkeit — ſo erwiderte er dem Vorkämpfer des Provinzialſyſtems *) Schöll an Albrecht, 30. Dec. 1823. Cabinetsordre an Lottum, 31. März 1824. **) Bernſtorff an Hardenberg, 13. Juli 1822. Eichhorn an den König, 11. Dec. 1826.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/436>, abgerufen am 24.11.2024.