zum Jahre 1825 aushalten, da ward er endlich gerichtlich freigesprochen und erhielt vom Könige ein Gnadengehalt, aber auch den Befehl, seinen Wohnort nicht am Sitze einer Universität oder eines Gymnasiums zu wählen. Ein verschollener Mann lebte er fortan in seinem Weinbergs- häuschen zu Freiburg an der Unstrut still dahin. Wenn zuweilen noch die Burschen von den sächsischen Universitäten auf ihren Ferienreisen bei ihm einkehrten, so bemerkten sie mit Befremden, daß der Alte im Bart dem Teutonenthum seiner glücklichen Jahre unwandelbar treu geblieben war und von dem Wälschheitsteufel des neuen Radicalismus nichts hören wollte.
Nach Bonn wurde als Untersuchungscommissär ein ebenso unwissender als kleinlicher Richter, des Namens Pape gesendet und zu seiner Unter- stützung der Referendar Dambach, ein herzloser Aktenmensch, der nachher die Leitung der Berliner Hausvogtei erhielt und neben Tzschoppe jahre- lang Kamptz's gefügigstes Werkzeug blieb. Was wußten diese beiden Leute aus den Heften und Notizen C. Th. Welcker's nicht Alles herauszulesen! Trotz der unvorsichtigen Heftigkeit des Angeklagten war ihm schließlich gar nichts nachzuweisen; das als Criminaluntersuchung begonnene Verfahren wurde als polizeiliche Untersuchung in der Stille eingestellt. Welcker er- hielt, als er einem Rufe nach Freiburg folgte, seine Entlassung aus dem königlichen Dienste in schmeichelhaften Worten, doch da ihm gerichtliche Freisprechung versagt blieb, so überschüttete er durch eine fast dreißig Bogen lange "Oeffentliche aktenmäßige Widerlegung" die preußische Will- kür mit einem Sturzbade sittlicher Entrüstung.
Ganz anders wußte Arndt die Herzen der Leser zu erschüttern durch die schlichte treuherzige Sprache seiner kurzen Vertheidigungsschrift: "Ein abgenöthigtes Wort aus seiner Sache." Wohin war es doch mit der preußischen Gerechtigkeit gekommen, wenn dieser Treueste der Treuen sich jetzt genöthigt sah, seine Briefschaften im Keller und unter den Dielen seiner Zimmer zu vergraben! Schon bevor die Demagogenverfolgung be- gann, hatte er mit dem unbegreiflichen Mißtrauen der Behörden zu kämpfen gehabt und dem Curatorium auseinandersetzen müssen, der Titel seiner öffentlichen Vorlesung "über Leben und Studium" sei wirklich ganz harm- los gemeint.*) Und dann die aberwitzigen Verhöre vor Pape und Dam- bach! Alle die wunderlichen Wortbildungen und Wortverschränkungen, mit denen Arndt sorglos zu spielen liebte, wurden ihm jetzt als verdächtig vor- gehalten. Was bedeuteten die "papierlichen Künste und Pläne", die er nach einem seiner Briefe noch vorhatte? Was besagte der räthselhafte Satz: "Das liegt über meiner Sphäre --"? War das Lied "O Durch- brecher aller Bande" ein demagogisches Gedicht oder stand es wirklich im alten Berliner Gesangbuch? Mit besonderem Argwohn ward ein Blatt durchspürt, das neben anderen abgerissenen Sätzen auch die Worte ent-
*) Arndt, Eingabe an das Curatorium in Bonn, 22. März 1819.
Unterſuchungen gegen Jahn und Welcker.
zum Jahre 1825 aushalten, da ward er endlich gerichtlich freigeſprochen und erhielt vom Könige ein Gnadengehalt, aber auch den Befehl, ſeinen Wohnort nicht am Sitze einer Univerſität oder eines Gymnaſiums zu wählen. Ein verſchollener Mann lebte er fortan in ſeinem Weinbergs- häuschen zu Freiburg an der Unſtrut ſtill dahin. Wenn zuweilen noch die Burſchen von den ſächſiſchen Univerſitäten auf ihren Ferienreiſen bei ihm einkehrten, ſo bemerkten ſie mit Befremden, daß der Alte im Bart dem Teutonenthum ſeiner glücklichen Jahre unwandelbar treu geblieben war und von dem Wälſchheitsteufel des neuen Radicalismus nichts hören wollte.
Nach Bonn wurde als Unterſuchungscommiſſär ein ebenſo unwiſſender als kleinlicher Richter, des Namens Pape geſendet und zu ſeiner Unter- ſtützung der Referendar Dambach, ein herzloſer Aktenmenſch, der nachher die Leitung der Berliner Hausvogtei erhielt und neben Tzſchoppe jahre- lang Kamptz’s gefügigſtes Werkzeug blieb. Was wußten dieſe beiden Leute aus den Heften und Notizen C. Th. Welcker’s nicht Alles herauszuleſen! Trotz der unvorſichtigen Heftigkeit des Angeklagten war ihm ſchließlich gar nichts nachzuweiſen; das als Criminalunterſuchung begonnene Verfahren wurde als polizeiliche Unterſuchung in der Stille eingeſtellt. Welcker er- hielt, als er einem Rufe nach Freiburg folgte, ſeine Entlaſſung aus dem königlichen Dienſte in ſchmeichelhaften Worten, doch da ihm gerichtliche Freiſprechung verſagt blieb, ſo überſchüttete er durch eine faſt dreißig Bogen lange „Oeffentliche aktenmäßige Widerlegung“ die preußiſche Will- kür mit einem Sturzbade ſittlicher Entrüſtung.
Ganz anders wußte Arndt die Herzen der Leſer zu erſchüttern durch die ſchlichte treuherzige Sprache ſeiner kurzen Vertheidigungsſchrift: „Ein abgenöthigtes Wort aus ſeiner Sache.“ Wohin war es doch mit der preußiſchen Gerechtigkeit gekommen, wenn dieſer Treueſte der Treuen ſich jetzt genöthigt ſah, ſeine Briefſchaften im Keller und unter den Dielen ſeiner Zimmer zu vergraben! Schon bevor die Demagogenverfolgung be- gann, hatte er mit dem unbegreiflichen Mißtrauen der Behörden zu kämpfen gehabt und dem Curatorium auseinanderſetzen müſſen, der Titel ſeiner öffentlichen Vorleſung „über Leben und Studium“ ſei wirklich ganz harm- los gemeint.*) Und dann die aberwitzigen Verhöre vor Pape und Dam- bach! Alle die wunderlichen Wortbildungen und Wortverſchränkungen, mit denen Arndt ſorglos zu ſpielen liebte, wurden ihm jetzt als verdächtig vor- gehalten. Was bedeuteten die „papierlichen Künſte und Pläne“, die er nach einem ſeiner Briefe noch vorhatte? Was beſagte der räthſelhafte Satz: „Das liegt über meiner Sphäre —“? War das Lied „O Durch- brecher aller Bande“ ein demagogiſches Gedicht oder ſtand es wirklich im alten Berliner Geſangbuch? Mit beſonderem Argwohn ward ein Blatt durchſpürt, das neben anderen abgeriſſenen Sätzen auch die Worte ent-
*) Arndt, Eingabe an das Curatorium in Bonn, 22. März 1819.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0453"n="437"/><fwplace="top"type="header">Unterſuchungen gegen Jahn und Welcker.</fw><lb/>
zum Jahre 1825 aushalten, da ward er endlich gerichtlich freigeſprochen<lb/>
und erhielt vom Könige ein Gnadengehalt, aber auch den Befehl, ſeinen<lb/>
Wohnort nicht am Sitze einer Univerſität oder eines Gymnaſiums zu<lb/>
wählen. Ein verſchollener Mann lebte er fortan in ſeinem Weinbergs-<lb/>
häuschen zu Freiburg an der Unſtrut ſtill dahin. Wenn zuweilen noch die<lb/>
Burſchen von den ſächſiſchen Univerſitäten auf ihren Ferienreiſen bei ihm<lb/>
einkehrten, ſo bemerkten ſie mit Befremden, daß der Alte im Bart dem<lb/>
Teutonenthum ſeiner glücklichen Jahre unwandelbar treu geblieben war und<lb/>
von dem Wälſchheitsteufel des neuen Radicalismus nichts hören wollte.</p><lb/><p>Nach Bonn wurde als Unterſuchungscommiſſär ein ebenſo unwiſſender<lb/>
als kleinlicher Richter, des Namens Pape geſendet und zu ſeiner Unter-<lb/>ſtützung der Referendar Dambach, ein herzloſer Aktenmenſch, der nachher<lb/>
die Leitung der Berliner Hausvogtei erhielt und neben Tzſchoppe jahre-<lb/>
lang Kamptz’s gefügigſtes Werkzeug blieb. Was wußten dieſe beiden Leute<lb/>
aus den Heften und Notizen C. Th. Welcker’s nicht Alles herauszuleſen!<lb/>
Trotz der unvorſichtigen Heftigkeit des Angeklagten war ihm ſchließlich gar<lb/>
nichts nachzuweiſen; das als Criminalunterſuchung begonnene Verfahren<lb/>
wurde als polizeiliche Unterſuchung in der Stille eingeſtellt. Welcker er-<lb/>
hielt, als er einem Rufe nach Freiburg folgte, ſeine Entlaſſung aus dem<lb/>
königlichen Dienſte in ſchmeichelhaften Worten, doch da ihm gerichtliche<lb/>
Freiſprechung verſagt blieb, ſo überſchüttete er durch eine faſt dreißig<lb/>
Bogen lange „Oeffentliche aktenmäßige Widerlegung“ die preußiſche Will-<lb/>
kür mit einem Sturzbade ſittlicher Entrüſtung.</p><lb/><p>Ganz anders wußte Arndt die Herzen der Leſer zu erſchüttern durch<lb/>
die ſchlichte treuherzige Sprache ſeiner kurzen Vertheidigungsſchrift: „Ein<lb/>
abgenöthigtes Wort aus ſeiner Sache.“ Wohin war es doch mit der<lb/>
preußiſchen Gerechtigkeit gekommen, wenn dieſer Treueſte der Treuen ſich<lb/>
jetzt genöthigt ſah, ſeine Briefſchaften im Keller und unter den Dielen<lb/>ſeiner Zimmer zu vergraben! Schon bevor die Demagogenverfolgung be-<lb/>
gann, hatte er mit dem unbegreiflichen Mißtrauen der Behörden zu kämpfen<lb/>
gehabt und dem Curatorium auseinanderſetzen müſſen, der Titel ſeiner<lb/>
öffentlichen Vorleſung „über Leben und Studium“ſei wirklich ganz harm-<lb/>
los gemeint.<noteplace="foot"n="*)">Arndt, Eingabe an das Curatorium in Bonn, 22. März 1819.</note> Und dann die aberwitzigen Verhöre vor Pape und Dam-<lb/>
bach! Alle die wunderlichen Wortbildungen und Wortverſchränkungen, mit<lb/>
denen Arndt ſorglos zu ſpielen liebte, wurden ihm jetzt als verdächtig vor-<lb/>
gehalten. Was bedeuteten die „papierlichen Künſte und Pläne“, die er<lb/>
nach einem ſeiner Briefe noch vorhatte? Was beſagte der räthſelhafte<lb/>
Satz: „Das liegt über meiner Sphäre —“? War das Lied „O Durch-<lb/>
brecher aller Bande“ ein demagogiſches Gedicht oder ſtand es wirklich im<lb/>
alten Berliner Geſangbuch? Mit beſonderem Argwohn ward ein Blatt<lb/>
durchſpürt, das neben anderen abgeriſſenen Sätzen auch die Worte ent-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[437/0453]
Unterſuchungen gegen Jahn und Welcker.
zum Jahre 1825 aushalten, da ward er endlich gerichtlich freigeſprochen
und erhielt vom Könige ein Gnadengehalt, aber auch den Befehl, ſeinen
Wohnort nicht am Sitze einer Univerſität oder eines Gymnaſiums zu
wählen. Ein verſchollener Mann lebte er fortan in ſeinem Weinbergs-
häuschen zu Freiburg an der Unſtrut ſtill dahin. Wenn zuweilen noch die
Burſchen von den ſächſiſchen Univerſitäten auf ihren Ferienreiſen bei ihm
einkehrten, ſo bemerkten ſie mit Befremden, daß der Alte im Bart dem
Teutonenthum ſeiner glücklichen Jahre unwandelbar treu geblieben war und
von dem Wälſchheitsteufel des neuen Radicalismus nichts hören wollte.
Nach Bonn wurde als Unterſuchungscommiſſär ein ebenſo unwiſſender
als kleinlicher Richter, des Namens Pape geſendet und zu ſeiner Unter-
ſtützung der Referendar Dambach, ein herzloſer Aktenmenſch, der nachher
die Leitung der Berliner Hausvogtei erhielt und neben Tzſchoppe jahre-
lang Kamptz’s gefügigſtes Werkzeug blieb. Was wußten dieſe beiden Leute
aus den Heften und Notizen C. Th. Welcker’s nicht Alles herauszuleſen!
Trotz der unvorſichtigen Heftigkeit des Angeklagten war ihm ſchließlich gar
nichts nachzuweiſen; das als Criminalunterſuchung begonnene Verfahren
wurde als polizeiliche Unterſuchung in der Stille eingeſtellt. Welcker er-
hielt, als er einem Rufe nach Freiburg folgte, ſeine Entlaſſung aus dem
königlichen Dienſte in ſchmeichelhaften Worten, doch da ihm gerichtliche
Freiſprechung verſagt blieb, ſo überſchüttete er durch eine faſt dreißig
Bogen lange „Oeffentliche aktenmäßige Widerlegung“ die preußiſche Will-
kür mit einem Sturzbade ſittlicher Entrüſtung.
Ganz anders wußte Arndt die Herzen der Leſer zu erſchüttern durch
die ſchlichte treuherzige Sprache ſeiner kurzen Vertheidigungsſchrift: „Ein
abgenöthigtes Wort aus ſeiner Sache.“ Wohin war es doch mit der
preußiſchen Gerechtigkeit gekommen, wenn dieſer Treueſte der Treuen ſich
jetzt genöthigt ſah, ſeine Briefſchaften im Keller und unter den Dielen
ſeiner Zimmer zu vergraben! Schon bevor die Demagogenverfolgung be-
gann, hatte er mit dem unbegreiflichen Mißtrauen der Behörden zu kämpfen
gehabt und dem Curatorium auseinanderſetzen müſſen, der Titel ſeiner
öffentlichen Vorleſung „über Leben und Studium“ ſei wirklich ganz harm-
los gemeint. *) Und dann die aberwitzigen Verhöre vor Pape und Dam-
bach! Alle die wunderlichen Wortbildungen und Wortverſchränkungen, mit
denen Arndt ſorglos zu ſpielen liebte, wurden ihm jetzt als verdächtig vor-
gehalten. Was bedeuteten die „papierlichen Künſte und Pläne“, die er
nach einem ſeiner Briefe noch vorhatte? Was beſagte der räthſelhafte
Satz: „Das liegt über meiner Sphäre —“? War das Lied „O Durch-
brecher aller Bande“ ein demagogiſches Gedicht oder ſtand es wirklich im
alten Berliner Geſangbuch? Mit beſonderem Argwohn ward ein Blatt
durchſpürt, das neben anderen abgeriſſenen Sätzen auch die Worte ent-
*) Arndt, Eingabe an das Curatorium in Bonn, 22. März 1819.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/453>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.