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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Die Rheinschifffahrtsakte. Der Sundzoll.
Preußen so kraftvoll festgehaltene Princip, dessen Gewinn nun der ge-
sammten Schifffahrt zu Theil wird."*) Selbst Frankreich bekehrte sich,
gab die Hoffnung auf, den Rheinhandel nach Havre abzuleiten.

So führte Preußen endlich alle Rheinuferstaaten gegen Holland und
Nassau ins Feld. Die Niederlande begannen mürbe zu werden, sie fühlten,
daß Preußen den Kampf länger aushalten könne als sie selber. Die
großen Mächte erließen neue dringende Mahnungen nach dem Haag;
Rußland vornehmlich erwies sich auch in diesem Streite als ein treuer
Bundesgenosse Preußens, hielt dem oranischen Hause ernstlich den uner-
hörten Vertragsbruch vor. Motz aber setzte noch einmal alle Hebel ein
und erreichte im Frühjahr 1829, daß Holland nachgab.**) Im August
legten die beiden nunmehr versöhnten Höfe der Mainzer Rheinschifffahrts-
conferenz ihre gemeinsamen Anträge vor, und so kam endlich, nach sechzehn-
jährigem Federkriege, die Rheinschifffahrtsconvention vom 31. März 1831
zu Stande, wesentlich gefördert durch die energische Thätigkeit des preu-
ßischen Präsidenten Delius. Der Rhein war frei "bis in die See"; Leck
und Waal, die beiden mächtigen Mündungen bei Rotterdam und Hel-
voetsluis wurden der freien Schifffahrt geöffnet, und sofort hob Preußen
den Kölner Stapel auf. Noch blieb viel zu wünschen übrig für den deut-
schen Strom; wirksame Aufsicht über ihre Strombauten wollten die kleinen
Uferstaaten keinenfalls ertragen. Doch eine wesentliche Erleichterung des
Verkehrs war durch Preußens Festigkeit allerdings errungen -- und zu-
gleich der Beweis erbracht, daß die Kleinstaaten nachhaltigen Schutz ihrer
Interessen nur in Berlin finden konnten.

Aus dem handelspolitischen Kampfe mit Holland ging Motz zuletzt
als Sieger hervor; einem anderen schlimmen Nachbarn aber, der Krone
Dänemark stand er waffenlos gegenüber. Der Wiener Congreß hatte,
weil man das ohnehin schwer geschädigte Dänemark nicht völlig vernichten
wollte, die Frage des Sundzolles unerörtert gelassen, und so bestand denn
dieser ungeheuerliche Seezoll fort, der einzige seiner Art, im Widerspruche
mit allen Anschauungen des modernen Völkerrechts, allein gerechtfertigt
durch ein uraltes Herkommen, erhoben ohne jede Gegenleistung, an einer
Meerenge, welche seit mehr als anderthalb Jahrhunderten nur noch an
ihrem westlichen Ufer dänisch war und, wie die Erfahrung der napoleoni-
schen Kriege mehrmals gelehrt hatte, von den Kanonen Kronenborgs nicht
beherrscht werden konnte. Als Preußen im Jahre 1818 mit Dänemark
einen Handelsvertrag schloß, verfuhr der Unterhändler, Graf Dohna sehr
fahrlässig. Ohne bei der Kaufmannschaft der Ostseeplätze nachzufragen,
erkannte er den Tarif von 1645, der für die meisten anderen Flaggen galt,
kurzerhand auch für Preußen an, obgleich die hinterpommerschen und alt-

*) Weisung an Frankenberg, 16. Mai 1826; Berstett an Frankenberg, 16. Okt. 1829.
**) Frankenberg's Bericht, 29. Juni 1829.

Die Rheinſchifffahrtsakte. Der Sundzoll.
Preußen ſo kraftvoll feſtgehaltene Princip, deſſen Gewinn nun der ge-
ſammten Schifffahrt zu Theil wird.“*) Selbſt Frankreich bekehrte ſich,
gab die Hoffnung auf, den Rheinhandel nach Havre abzuleiten.

So führte Preußen endlich alle Rheinuferſtaaten gegen Holland und
Naſſau ins Feld. Die Niederlande begannen mürbe zu werden, ſie fühlten,
daß Preußen den Kampf länger aushalten könne als ſie ſelber. Die
großen Mächte erließen neue dringende Mahnungen nach dem Haag;
Rußland vornehmlich erwies ſich auch in dieſem Streite als ein treuer
Bundesgenoſſe Preußens, hielt dem oraniſchen Hauſe ernſtlich den uner-
hörten Vertragsbruch vor. Motz aber ſetzte noch einmal alle Hebel ein
und erreichte im Frühjahr 1829, daß Holland nachgab.**) Im Auguſt
legten die beiden nunmehr verſöhnten Höfe der Mainzer Rheinſchifffahrts-
conferenz ihre gemeinſamen Anträge vor, und ſo kam endlich, nach ſechzehn-
jährigem Federkriege, die Rheinſchifffahrtsconvention vom 31. März 1831
zu Stande, weſentlich gefördert durch die energiſche Thätigkeit des preu-
ßiſchen Präſidenten Delius. Der Rhein war frei „bis in die See“; Leck
und Waal, die beiden mächtigen Mündungen bei Rotterdam und Hel-
voetſluis wurden der freien Schifffahrt geöffnet, und ſofort hob Preußen
den Kölner Stapel auf. Noch blieb viel zu wünſchen übrig für den deut-
ſchen Strom; wirkſame Aufſicht über ihre Strombauten wollten die kleinen
Uferſtaaten keinenfalls ertragen. Doch eine weſentliche Erleichterung des
Verkehrs war durch Preußens Feſtigkeit allerdings errungen — und zu-
gleich der Beweis erbracht, daß die Kleinſtaaten nachhaltigen Schutz ihrer
Intereſſen nur in Berlin finden konnten.

Aus dem handelspolitiſchen Kampfe mit Holland ging Motz zuletzt
als Sieger hervor; einem anderen ſchlimmen Nachbarn aber, der Krone
Dänemark ſtand er waffenlos gegenüber. Der Wiener Congreß hatte,
weil man das ohnehin ſchwer geſchädigte Dänemark nicht völlig vernichten
wollte, die Frage des Sundzolles unerörtert gelaſſen, und ſo beſtand denn
dieſer ungeheuerliche Seezoll fort, der einzige ſeiner Art, im Widerſpruche
mit allen Anſchauungen des modernen Völkerrechts, allein gerechtfertigt
durch ein uraltes Herkommen, erhoben ohne jede Gegenleiſtung, an einer
Meerenge, welche ſeit mehr als anderthalb Jahrhunderten nur noch an
ihrem weſtlichen Ufer däniſch war und, wie die Erfahrung der napoleoni-
ſchen Kriege mehrmals gelehrt hatte, von den Kanonen Kronenborgs nicht
beherrſcht werden konnte. Als Preußen im Jahre 1818 mit Dänemark
einen Handelsvertrag ſchloß, verfuhr der Unterhändler, Graf Dohna ſehr
fahrläſſig. Ohne bei der Kaufmannſchaft der Oſtſeeplätze nachzufragen,
erkannte er den Tarif von 1645, der für die meiſten anderen Flaggen galt,
kurzerhand auch für Preußen an, obgleich die hinterpommerſchen und alt-

*) Weiſung an Frankenberg, 16. Mai 1826; Berſtett an Frankenberg, 16. Okt. 1829.
**) Frankenberg’s Bericht, 29. Juni 1829.
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[473/0489] Die Rheinſchifffahrtsakte. Der Sundzoll. Preußen ſo kraftvoll feſtgehaltene Princip, deſſen Gewinn nun der ge- ſammten Schifffahrt zu Theil wird.“ *) Selbſt Frankreich bekehrte ſich, gab die Hoffnung auf, den Rheinhandel nach Havre abzuleiten. So führte Preußen endlich alle Rheinuferſtaaten gegen Holland und Naſſau ins Feld. Die Niederlande begannen mürbe zu werden, ſie fühlten, daß Preußen den Kampf länger aushalten könne als ſie ſelber. Die großen Mächte erließen neue dringende Mahnungen nach dem Haag; Rußland vornehmlich erwies ſich auch in dieſem Streite als ein treuer Bundesgenoſſe Preußens, hielt dem oraniſchen Hauſe ernſtlich den uner- hörten Vertragsbruch vor. Motz aber ſetzte noch einmal alle Hebel ein und erreichte im Frühjahr 1829, daß Holland nachgab. **) Im Auguſt legten die beiden nunmehr verſöhnten Höfe der Mainzer Rheinſchifffahrts- conferenz ihre gemeinſamen Anträge vor, und ſo kam endlich, nach ſechzehn- jährigem Federkriege, die Rheinſchifffahrtsconvention vom 31. März 1831 zu Stande, weſentlich gefördert durch die energiſche Thätigkeit des preu- ßiſchen Präſidenten Delius. Der Rhein war frei „bis in die See“; Leck und Waal, die beiden mächtigen Mündungen bei Rotterdam und Hel- voetſluis wurden der freien Schifffahrt geöffnet, und ſofort hob Preußen den Kölner Stapel auf. Noch blieb viel zu wünſchen übrig für den deut- ſchen Strom; wirkſame Aufſicht über ihre Strombauten wollten die kleinen Uferſtaaten keinenfalls ertragen. Doch eine weſentliche Erleichterung des Verkehrs war durch Preußens Feſtigkeit allerdings errungen — und zu- gleich der Beweis erbracht, daß die Kleinſtaaten nachhaltigen Schutz ihrer Intereſſen nur in Berlin finden konnten. Aus dem handelspolitiſchen Kampfe mit Holland ging Motz zuletzt als Sieger hervor; einem anderen ſchlimmen Nachbarn aber, der Krone Dänemark ſtand er waffenlos gegenüber. Der Wiener Congreß hatte, weil man das ohnehin ſchwer geſchädigte Dänemark nicht völlig vernichten wollte, die Frage des Sundzolles unerörtert gelaſſen, und ſo beſtand denn dieſer ungeheuerliche Seezoll fort, der einzige ſeiner Art, im Widerſpruche mit allen Anſchauungen des modernen Völkerrechts, allein gerechtfertigt durch ein uraltes Herkommen, erhoben ohne jede Gegenleiſtung, an einer Meerenge, welche ſeit mehr als anderthalb Jahrhunderten nur noch an ihrem weſtlichen Ufer däniſch war und, wie die Erfahrung der napoleoni- ſchen Kriege mehrmals gelehrt hatte, von den Kanonen Kronenborgs nicht beherrſcht werden konnte. Als Preußen im Jahre 1818 mit Dänemark einen Handelsvertrag ſchloß, verfuhr der Unterhändler, Graf Dohna ſehr fahrläſſig. Ohne bei der Kaufmannſchaft der Oſtſeeplätze nachzufragen, erkannte er den Tarif von 1645, der für die meiſten anderen Flaggen galt, kurzerhand auch für Preußen an, obgleich die hinterpommerſchen und alt- *) Weiſung an Frankenberg, 16. Mai 1826; Berſtett an Frankenberg, 16. Okt. 1829. **) Frankenberg’s Bericht, 29. Juni 1829.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/489>, abgerufen am 22.11.2024.