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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
auseinanderzuhalten. Aber schon der dritte Bernstorff, Graf Christian --
der spätere preußische Minister -- hatte einen schweren Stand gegenüber
der dänischen Nationalpartei, die sich unter Rosenkrantz's Führung schaarte.

Während er die auswärtigen Angelegenheiten leitete*), begann die
Krone ihre offenen Angriffe gegen das Landesrecht Schleswigholsteins mit
einem Patente, das für den König das unbedingte Besteuerungsrecht in
Anspruch nahm (1802). Die Ritterschaft protestirte und schickte sich an
eine Klage bei den Reichsgerichten einzureichen. Da brach das heilige Reich
zusammen, die alte Inschrift am nördlichen Thore von Rendsburg Eidora
Romani terminus imperii
wurde abgenommen, und ein Patent vom 9. Sept.
1806 vereinigte Holstein "mit dem gesammten Staatskörper der Monarchie
als einen in jeder Hinsicht ungetrennten Theil derselben." Dadurch war
die alte Landesverfassung und Erbfolgeordnung noch nicht unmittelbar ge-
fährdet; denn auf den Einspruch des Herzogs von Augustenburg hatte
man doch für räthlich gehalten, das deutsche Land nicht gradezu, wie ur-
sprünglich beabsichtigt war, für "einen unzertrennlichen Theil" Dänemarks
zu erklären. Aber nunmehr folgten, da Holstein nicht mehr durch die
Reichsgerichte geschützt wurde, Schlag auf Schlag die Gewaltthaten wider
die Selbständigkeit der Herzogthümer. Die Verordnungen erschienen in
beiden Sprachen, alle Bestallungen wurden dänisch ausgefertigt, die theo-
logischen Candidaten in der dänischen Sprache geprüft, der Unterricht im
Dänischen in allen höheren Schulklassen eingeführt, endlich sogar die
dänische Reichsbank gegründet (1813) und alle liegenden Gründe in Schles-
wigholstein bis zu sechs Procent ihres Werthes mit der Bankhaft belastet.
Zugleich wirkte die schwere Finanznoth Dänemarks verderblich auf die
deutschen Herzogthümer zurück; das angemaßte Besteuerungsrecht ward
unerbittlich gehandhabt, ganze Dorfschaften erlagen der Last und verfielen
in Concurs.

Hand in Hand mit dieser Willkür der Staatsgewalt ging der Ueber-
muth des dänischen Volks. Der neue König Friedrich VI. fühlte sich ganz
als Däne und vertauschte seinen deutschen Taufnamen mit dem dänischen
Frederick. Schon 1804, da er noch als Kronprinz in Kiel lebte, verfocht
unter seinen Augen der Prinzenerzieher Hoegh-Guldberg die Lehre, die
Herzogthümer seien verpflichtet die Sprache "des Mutterlandes" zu er-
lernen; herablassend fügte er den Trost hinzu, damit sei nicht gemeint,
daß sie sogleich und gänzlich die deutsche Sprache ablegen sollten. Als

*) Daß Graf Chr. Bernstorff an den Vorgängen von 1806 thätig theilgenommen
habe, ist meines Wissens zuerst von Droysen und Samwer (die Herzogthümer Schleswig-
holstein und das Königreich Dänemark, S. 63) behauptet worden, aber ohne jeden Beweis.
Ich halte für wahrscheinlich, daß er nur duldete was er nicht hindern konnte; denn aus
Rist's Denkwürdigkeiten erhellt, daß er von der dänischen Nationalpartei bekämpft wurde.
Auch sein späteres Verhalten gegenüber den Herzogthümern bekundet zwar wenig staats-
männische Einsicht, aber durchaus keine Feindseligkeit.

III. 7. Altſtändiſches Stillleben in Norddeutſchland.
auseinanderzuhalten. Aber ſchon der dritte Bernſtorff, Graf Chriſtian —
der ſpätere preußiſche Miniſter — hatte einen ſchweren Stand gegenüber
der däniſchen Nationalpartei, die ſich unter Roſenkrantz’s Führung ſchaarte.

Während er die auswärtigen Angelegenheiten leitete*), begann die
Krone ihre offenen Angriffe gegen das Landesrecht Schleswigholſteins mit
einem Patente, das für den König das unbedingte Beſteuerungsrecht in
Anſpruch nahm (1802). Die Ritterſchaft proteſtirte und ſchickte ſich an
eine Klage bei den Reichsgerichten einzureichen. Da brach das heilige Reich
zuſammen, die alte Inſchrift am nördlichen Thore von Rendsburg Eidora
Romani terminus imperii
wurde abgenommen, und ein Patent vom 9. Sept.
1806 vereinigte Holſtein „mit dem geſammten Staatskörper der Monarchie
als einen in jeder Hinſicht ungetrennten Theil derſelben.“ Dadurch war
die alte Landesverfaſſung und Erbfolgeordnung noch nicht unmittelbar ge-
fährdet; denn auf den Einſpruch des Herzogs von Auguſtenburg hatte
man doch für räthlich gehalten, das deutſche Land nicht gradezu, wie ur-
ſprünglich beabſichtigt war, für „einen unzertrennlichen Theil“ Dänemarks
zu erklären. Aber nunmehr folgten, da Holſtein nicht mehr durch die
Reichsgerichte geſchützt wurde, Schlag auf Schlag die Gewaltthaten wider
die Selbſtändigkeit der Herzogthümer. Die Verordnungen erſchienen in
beiden Sprachen, alle Beſtallungen wurden däniſch ausgefertigt, die theo-
logiſchen Candidaten in der däniſchen Sprache geprüft, der Unterricht im
Däniſchen in allen höheren Schulklaſſen eingeführt, endlich ſogar die
däniſche Reichsbank gegründet (1813) und alle liegenden Gründe in Schles-
wigholſtein bis zu ſechs Procent ihres Werthes mit der Bankhaft belaſtet.
Zugleich wirkte die ſchwere Finanznoth Dänemarks verderblich auf die
deutſchen Herzogthümer zurück; das angemaßte Beſteuerungsrecht ward
unerbittlich gehandhabt, ganze Dorfſchaften erlagen der Laſt und verfielen
in Concurs.

Hand in Hand mit dieſer Willkür der Staatsgewalt ging der Ueber-
muth des däniſchen Volks. Der neue König Friedrich VI. fühlte ſich ganz
als Däne und vertauſchte ſeinen deutſchen Taufnamen mit dem däniſchen
Frederick. Schon 1804, da er noch als Kronprinz in Kiel lebte, verfocht
unter ſeinen Augen der Prinzenerzieher Hoegh-Guldberg die Lehre, die
Herzogthümer ſeien verpflichtet die Sprache „des Mutterlandes“ zu er-
lernen; herablaſſend fügte er den Troſt hinzu, damit ſei nicht gemeint,
daß ſie ſogleich und gänzlich die deutſche Sprache ablegen ſollten. Als

*) Daß Graf Chr. Bernſtorff an den Vorgängen von 1806 thätig theilgenommen
habe, iſt meines Wiſſens zuerſt von Droyſen und Samwer (die Herzogthümer Schleswig-
holſtein und das Königreich Dänemark, S. 63) behauptet worden, aber ohne jeden Beweis.
Ich halte für wahrſcheinlich, daß er nur duldete was er nicht hindern konnte; denn aus
Riſt’s Denkwürdigkeiten erhellt, daß er von der däniſchen Nationalpartei bekämpft wurde.
Auch ſein ſpäteres Verhalten gegenüber den Herzogthümern bekundet zwar wenig ſtaats-
männiſche Einſicht, aber durchaus keine Feindſeligkeit.
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[592/0608] III. 7. Altſtändiſches Stillleben in Norddeutſchland. auseinanderzuhalten. Aber ſchon der dritte Bernſtorff, Graf Chriſtian — der ſpätere preußiſche Miniſter — hatte einen ſchweren Stand gegenüber der däniſchen Nationalpartei, die ſich unter Roſenkrantz’s Führung ſchaarte. Während er die auswärtigen Angelegenheiten leitete *), begann die Krone ihre offenen Angriffe gegen das Landesrecht Schleswigholſteins mit einem Patente, das für den König das unbedingte Beſteuerungsrecht in Anſpruch nahm (1802). Die Ritterſchaft proteſtirte und ſchickte ſich an eine Klage bei den Reichsgerichten einzureichen. Da brach das heilige Reich zuſammen, die alte Inſchrift am nördlichen Thore von Rendsburg Eidora Romani terminus imperii wurde abgenommen, und ein Patent vom 9. Sept. 1806 vereinigte Holſtein „mit dem geſammten Staatskörper der Monarchie als einen in jeder Hinſicht ungetrennten Theil derſelben.“ Dadurch war die alte Landesverfaſſung und Erbfolgeordnung noch nicht unmittelbar ge- fährdet; denn auf den Einſpruch des Herzogs von Auguſtenburg hatte man doch für räthlich gehalten, das deutſche Land nicht gradezu, wie ur- ſprünglich beabſichtigt war, für „einen unzertrennlichen Theil“ Dänemarks zu erklären. Aber nunmehr folgten, da Holſtein nicht mehr durch die Reichsgerichte geſchützt wurde, Schlag auf Schlag die Gewaltthaten wider die Selbſtändigkeit der Herzogthümer. Die Verordnungen erſchienen in beiden Sprachen, alle Beſtallungen wurden däniſch ausgefertigt, die theo- logiſchen Candidaten in der däniſchen Sprache geprüft, der Unterricht im Däniſchen in allen höheren Schulklaſſen eingeführt, endlich ſogar die däniſche Reichsbank gegründet (1813) und alle liegenden Gründe in Schles- wigholſtein bis zu ſechs Procent ihres Werthes mit der Bankhaft belaſtet. Zugleich wirkte die ſchwere Finanznoth Dänemarks verderblich auf die deutſchen Herzogthümer zurück; das angemaßte Beſteuerungsrecht ward unerbittlich gehandhabt, ganze Dorfſchaften erlagen der Laſt und verfielen in Concurs. Hand in Hand mit dieſer Willkür der Staatsgewalt ging der Ueber- muth des däniſchen Volks. Der neue König Friedrich VI. fühlte ſich ganz als Däne und vertauſchte ſeinen deutſchen Taufnamen mit dem däniſchen Frederick. Schon 1804, da er noch als Kronprinz in Kiel lebte, verfocht unter ſeinen Augen der Prinzenerzieher Hoegh-Guldberg die Lehre, die Herzogthümer ſeien verpflichtet die Sprache „des Mutterlandes“ zu er- lernen; herablaſſend fügte er den Troſt hinzu, damit ſei nicht gemeint, daß ſie ſogleich und gänzlich die deutſche Sprache ablegen ſollten. Als *) Daß Graf Chr. Bernſtorff an den Vorgängen von 1806 thätig theilgenommen habe, iſt meines Wiſſens zuerſt von Droyſen und Samwer (die Herzogthümer Schleswig- holſtein und das Königreich Dänemark, S. 63) behauptet worden, aber ohne jeden Beweis. Ich halte für wahrſcheinlich, daß er nur duldete was er nicht hindern konnte; denn aus Riſt’s Denkwürdigkeiten erhellt, daß er von der däniſchen Nationalpartei bekämpft wurde. Auch ſein ſpäteres Verhalten gegenüber den Herzogthümern bekundet zwar wenig ſtaats- männiſche Einſicht, aber durchaus keine Feindſeligkeit.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/608>, abgerufen am 23.11.2024.