geblich wurde sein Gesandter in München mit Auszeichnungen überhäuft. Nun schrieb Graf Bray eine große Denkschrift Sur la reversibilite du Palatinat, welche sämmtlichen europäischen Höfen zuging. Dann ließ der König auch die erloschenen Sponheimer Erbansprüche hervorholen und die seltsame Forderung aufstellen: bei der Thronbesteigung der Grafen von Hochberg, deren Erbrecht doch von allen Großmächten längst anerkannt war, müsse Baden seinen Main-Tauberkreis als Entschädigung für Spon- heim an Baiern abtreten.
Und wie plump wurden diese nichtigen Ansprüche vertheidigt, wie taktlos stellte der König seine persönliche Würde bloß. Umsonst suchten gehässige Flugschriften und Zeitungsartikel die öffentliche Meinung für den rechtmäßigen Pfalzgrafen zu begeistern. Der badische Staatsrath Winter fertigte die Angreifer durch eine gründliche Denkschrift siegreich ab. Auch Drohungen wurden laut; mehrmals befürchtete die gute Stadt Heidelberg einen Handstreich der Nachbarn, obschon das bairische Heer eben jetzt zu kühnen Kriegsthaten wenig befähigt war. Im August 1826 reiste der König von Würzburg nach Aschaffenburg und verweilte eine Zeit lang dicht an der Grenze des badischen Mainlandes, das er sich zur Beute ausersehen hatte. Die Münchener politische Zeitung berichtete darüber: "Berge und Thäler wetteiferten, dem erhabenen Reisenden die unbegrenzte Freude aller Bewohner über eine so beglückende Erscheinung auf das Glän- zendste an den Tag zu legen. Himmel und Erde jauchzten freudetrunken zusammen. Aus dem badischen Wertheim kamen die Mütter mit ihren Säuglingen auf den Armen, der Handwerker schloß seine Werkstätte, sogar der Tagelöhner vergaß seine Arbeit und seinen Erwerb. Die Freude der benachbarten Landbewohner glich ganz jener der Eingebornen und drückte so recht deutlich ihren Wunsch aus, auch Angehörige eines Fürsten zu sein, dessen Stolz die Liebe seines Volkes ist." Als der badische Gesandte sich über diese wundersame Sprache beschwerte, erwiderte der Minister Graf Thürheim achselzuckend, der Herausgeber habe den Artikel genau so abge- druckt, wie er ihm von gewisser Seite zugesandt worden sei!*)
Jahrelang wiederholten sich diese kindischen Auftritte. Im Frühjahr 1829 bereiste der König die bairische Pfalz, bog plötzlich von der graden Straße ab und erschien an einem Feiertage auf der Rheinschanze, Mannheim gegenüber. Auf dieser Stelle, wo späterhin unter Ludwig's thatkräftiger Fürsorge das gewerbfleißige Ludwigshafen aufblühte, standen damals nur einige verrufene Schmugglerhäuser, ein Gasthof und ein bairisches Zahlen- lottobureau, bestimmt zur freundnachbarlichen Ausbeutung der Mann- heimer Geldbeutel. Man hatte dafür gesorgt, daß des Königs Ankunft bekannt wurde. Eine dichte Menschenmenge strömte in dem anrüchigen Orte zusammen; der Monarch empfing gute Bekannte, erschien mehrmals
*) Berichte von Küster 25. Aug., Blittersdorff 30. Aug. 1826.
Neuer Streit um die Pfalz.
geblich wurde ſein Geſandter in München mit Auszeichnungen überhäuft. Nun ſchrieb Graf Bray eine große Denkſchrift Sur la réversibilité du Palatinat, welche ſämmtlichen europäiſchen Höfen zuging. Dann ließ der König auch die erloſchenen Sponheimer Erbanſprüche hervorholen und die ſeltſame Forderung aufſtellen: bei der Thronbeſteigung der Grafen von Hochberg, deren Erbrecht doch von allen Großmächten längſt anerkannt war, müſſe Baden ſeinen Main-Tauberkreis als Entſchädigung für Spon- heim an Baiern abtreten.
Und wie plump wurden dieſe nichtigen Anſprüche vertheidigt, wie taktlos ſtellte der König ſeine perſönliche Würde bloß. Umſonſt ſuchten gehäſſige Flugſchriften und Zeitungsartikel die öffentliche Meinung für den rechtmäßigen Pfalzgrafen zu begeiſtern. Der badiſche Staatsrath Winter fertigte die Angreifer durch eine gründliche Denkſchrift ſiegreich ab. Auch Drohungen wurden laut; mehrmals befürchtete die gute Stadt Heidelberg einen Handſtreich der Nachbarn, obſchon das bairiſche Heer eben jetzt zu kühnen Kriegsthaten wenig befähigt war. Im Auguſt 1826 reiſte der König von Würzburg nach Aſchaffenburg und verweilte eine Zeit lang dicht an der Grenze des badiſchen Mainlandes, das er ſich zur Beute auserſehen hatte. Die Münchener politiſche Zeitung berichtete darüber: „Berge und Thäler wetteiferten, dem erhabenen Reiſenden die unbegrenzte Freude aller Bewohner über eine ſo beglückende Erſcheinung auf das Glän- zendſte an den Tag zu legen. Himmel und Erde jauchzten freudetrunken zuſammen. Aus dem badiſchen Wertheim kamen die Mütter mit ihren Säuglingen auf den Armen, der Handwerker ſchloß ſeine Werkſtätte, ſogar der Tagelöhner vergaß ſeine Arbeit und ſeinen Erwerb. Die Freude der benachbarten Landbewohner glich ganz jener der Eingebornen und drückte ſo recht deutlich ihren Wunſch aus, auch Angehörige eines Fürſten zu ſein, deſſen Stolz die Liebe ſeines Volkes iſt.“ Als der badiſche Geſandte ſich über dieſe wunderſame Sprache beſchwerte, erwiderte der Miniſter Graf Thürheim achſelzuckend, der Herausgeber habe den Artikel genau ſo abge- druckt, wie er ihm von gewiſſer Seite zugeſandt worden ſei!*)
Jahrelang wiederholten ſich dieſe kindiſchen Auftritte. Im Frühjahr 1829 bereiſte der König die bairiſche Pfalz, bog plötzlich von der graden Straße ab und erſchien an einem Feiertage auf der Rheinſchanze, Mannheim gegenüber. Auf dieſer Stelle, wo ſpäterhin unter Ludwig’s thatkräftiger Fürſorge das gewerbfleißige Ludwigshafen aufblühte, ſtanden damals nur einige verrufene Schmugglerhäuſer, ein Gaſthof und ein bairiſches Zahlen- lottobureau, beſtimmt zur freundnachbarlichen Ausbeutung der Mann- heimer Geldbeutel. Man hatte dafür geſorgt, daß des Königs Ankunft bekannt wurde. Eine dichte Menſchenmenge ſtrömte in dem anrüchigen Orte zuſammen; der Monarch empfing gute Bekannte, erſchien mehrmals
*) Berichte von Küſter 25. Aug., Blittersdorff 30. Aug. 1826.
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Neuer Streit um die Pfalz.
geblich wurde ſein Geſandter in München mit Auszeichnungen überhäuft.
Nun ſchrieb Graf Bray eine große Denkſchrift Sur la réversibilité du
Palatinat, welche ſämmtlichen europäiſchen Höfen zuging. Dann ließ der
König auch die erloſchenen Sponheimer Erbanſprüche hervorholen und die
ſeltſame Forderung aufſtellen: bei der Thronbeſteigung der Grafen von
Hochberg, deren Erbrecht doch von allen Großmächten längſt anerkannt
war, müſſe Baden ſeinen Main-Tauberkreis als Entſchädigung für Spon-
heim an Baiern abtreten.
Und wie plump wurden dieſe nichtigen Anſprüche vertheidigt, wie
taktlos ſtellte der König ſeine perſönliche Würde bloß. Umſonſt ſuchten
gehäſſige Flugſchriften und Zeitungsartikel die öffentliche Meinung für
den rechtmäßigen Pfalzgrafen zu begeiſtern. Der badiſche Staatsrath
Winter fertigte die Angreifer durch eine gründliche Denkſchrift ſiegreich
ab. Auch Drohungen wurden laut; mehrmals befürchtete die gute Stadt
Heidelberg einen Handſtreich der Nachbarn, obſchon das bairiſche Heer
eben jetzt zu kühnen Kriegsthaten wenig befähigt war. Im Auguſt 1826
reiſte der König von Würzburg nach Aſchaffenburg und verweilte eine Zeit
lang dicht an der Grenze des badiſchen Mainlandes, das er ſich zur Beute
auserſehen hatte. Die Münchener politiſche Zeitung berichtete darüber:
„Berge und Thäler wetteiferten, dem erhabenen Reiſenden die unbegrenzte
Freude aller Bewohner über eine ſo beglückende Erſcheinung auf das Glän-
zendſte an den Tag zu legen. Himmel und Erde jauchzten freudetrunken
zuſammen. Aus dem badiſchen Wertheim kamen die Mütter mit ihren
Säuglingen auf den Armen, der Handwerker ſchloß ſeine Werkſtätte, ſogar
der Tagelöhner vergaß ſeine Arbeit und ſeinen Erwerb. Die Freude der
benachbarten Landbewohner glich ganz jener der Eingebornen und drückte
ſo recht deutlich ihren Wunſch aus, auch Angehörige eines Fürſten zu ſein,
deſſen Stolz die Liebe ſeines Volkes iſt.“ Als der badiſche Geſandte ſich
über dieſe wunderſame Sprache beſchwerte, erwiderte der Miniſter Graf
Thürheim achſelzuckend, der Herausgeber habe den Artikel genau ſo abge-
druckt, wie er ihm von gewiſſer Seite zugeſandt worden ſei! *)
Jahrelang wiederholten ſich dieſe kindiſchen Auftritte. Im Frühjahr
1829 bereiſte der König die bairiſche Pfalz, bog plötzlich von der graden
Straße ab und erſchien an einem Feiertage auf der Rheinſchanze, Mannheim
gegenüber. Auf dieſer Stelle, wo ſpäterhin unter Ludwig’s thatkräftiger
Fürſorge das gewerbfleißige Ludwigshafen aufblühte, ſtanden damals nur
einige verrufene Schmugglerhäuſer, ein Gaſthof und ein bairiſches Zahlen-
lottobureau, beſtimmt zur freundnachbarlichen Ausbeutung der Mann-
heimer Geldbeutel. Man hatte dafür geſorgt, daß des Königs Ankunft
bekannt wurde. Eine dichte Menſchenmenge ſtrömte in dem anrüchigen
Orte zuſammen; der Monarch empfing gute Bekannte, erſchien mehrmals
*) Berichte von Küſter 25. Aug., Blittersdorff 30. Aug. 1826.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/637>, abgerufen am 26.11.2024.
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