überströmenden Worten: "der edle Monarch ist unser bester Schützer;" und Frankenberg schrieb: "die Politik der letzten Jahre Friedrich's des Großen lebt wieder auf, Preußen allein ist der wahre Schirmherr der kleinen deutschen Staaten." Nach München erging die bestimmte Er- klärung, daß Preußen einen Gewaltschritt nicht dulden werde; zugleich ließ der König den großen Mächten in einer ausführlichen Denkschrift das gute Recht Badens darlegen (Januar 1828). So blieb Badens Besitzstand gesichert. Die beharrlich wiederholten bairischen Beschwerden bewirkten nur, daß König Ludwig sich aufregte und der unsterbliche Spon- heimer Handel in der diplomatischen Welt einen ähnlichen Ruf erlangte wie der Köthener Zollstreit.
Bei seinem hochmüthigen Urtheil über die ehrgeizigen Pläne der beiden süddeutschen Könige übersah Metternich ganz, daß sie beide doch auch ein berechtigtes, erreichbares Ziel verfolgten. Beide hatten ein Herz für Deutschlands wirthschaftliche Noth und waren ernstlich gewillt, den Jammer der Binnenmauthen zu beseitigen, zunächst freilich nur durch einen Sonderbund des "reinen Deutschlands". Der Bund der Minder- mächtigen zerfloß den Träumern bald unter den Händen. Aber was sie für die deutsche Volkswirthschaft erstrebten, enthielt einen gesunden Kern; ihn herauszuschälen aus der phantastischen Hülle blieb der Staatskunst Preu- ßens vorbehalten. Der Plan König Ludwig's: "Unabhängigkeit von beiden Großmächten und gute Freundschaft mit Preußen" war nicht selber der rechte Weg, doch er führte zum rechten Wege. Baiern ging wie Preußen von der richtigen Ansicht aus, daß die deutsche Handelseinheit nicht durch den Bund, sondern durch Verträge von Staat zu Staat zu erreichen sei; diese gemeinschaftliche Ueberzeugung der beiden größten deutschen Staaten gewährte die Aussicht auf volle Verständigung. Sobald das Berliner Cabinet durch vollendete Thatsachen bewiesen hatte, daß die deutsche Handelseinheit ohne Preußen unmöglich war, ließen die zwei süd- deutschen Könige nach heftigem Widerstreben ihre Sonderbundsträume fallen. Sie blieben dem Gedanken des Zollvereins auch dann noch treu, als er unter Preußens Händen eine gänzlich veränderte Gestalt empfangen hatte; und der erneute Bund zwischen Preußen und Baiern sollte dem Vaterlande noch reichere Früchte bringen als einst in den fridericianischen Tagen. Bevor sie zu dieser hochherzigen Selbstverleugnung gelangten, mußten sie allerdings erst eine lange Schule schmerzlicher Erfahrungen durchlaufen. --
Als die Darmstädter Conferenzen im Sterben lagen*), gaben die kleinen thüringischen Staaten die Erklärung ab: wenn man in Darmstadt
*) S. o. III. 325.
Deutſche Politik König Ludwig’s.
überſtrömenden Worten: „der edle Monarch iſt unſer beſter Schützer;“ und Frankenberg ſchrieb: „die Politik der letzten Jahre Friedrich’s des Großen lebt wieder auf, Preußen allein iſt der wahre Schirmherr der kleinen deutſchen Staaten.“ Nach München erging die beſtimmte Er- klärung, daß Preußen einen Gewaltſchritt nicht dulden werde; zugleich ließ der König den großen Mächten in einer ausführlichen Denkſchrift das gute Recht Badens darlegen (Januar 1828). So blieb Badens Beſitzſtand geſichert. Die beharrlich wiederholten bairiſchen Beſchwerden bewirkten nur, daß König Ludwig ſich aufregte und der unſterbliche Spon- heimer Handel in der diplomatiſchen Welt einen ähnlichen Ruf erlangte wie der Köthener Zollſtreit.
Bei ſeinem hochmüthigen Urtheil über die ehrgeizigen Pläne der beiden ſüddeutſchen Könige überſah Metternich ganz, daß ſie beide doch auch ein berechtigtes, erreichbares Ziel verfolgten. Beide hatten ein Herz für Deutſchlands wirthſchaftliche Noth und waren ernſtlich gewillt, den Jammer der Binnenmauthen zu beſeitigen, zunächſt freilich nur durch einen Sonderbund des „reinen Deutſchlands“. Der Bund der Minder- mächtigen zerfloß den Träumern bald unter den Händen. Aber was ſie für die deutſche Volkswirthſchaft erſtrebten, enthielt einen geſunden Kern; ihn herauszuſchälen aus der phantaſtiſchen Hülle blieb der Staatskunſt Preu- ßens vorbehalten. Der Plan König Ludwig’s: „Unabhängigkeit von beiden Großmächten und gute Freundſchaft mit Preußen“ war nicht ſelber der rechte Weg, doch er führte zum rechten Wege. Baiern ging wie Preußen von der richtigen Anſicht aus, daß die deutſche Handelseinheit nicht durch den Bund, ſondern durch Verträge von Staat zu Staat zu erreichen ſei; dieſe gemeinſchaftliche Ueberzeugung der beiden größten deutſchen Staaten gewährte die Ausſicht auf volle Verſtändigung. Sobald das Berliner Cabinet durch vollendete Thatſachen bewieſen hatte, daß die deutſche Handelseinheit ohne Preußen unmöglich war, ließen die zwei ſüd- deutſchen Könige nach heftigem Widerſtreben ihre Sonderbundsträume fallen. Sie blieben dem Gedanken des Zollvereins auch dann noch treu, als er unter Preußens Händen eine gänzlich veränderte Geſtalt empfangen hatte; und der erneute Bund zwiſchen Preußen und Baiern ſollte dem Vaterlande noch reichere Früchte bringen als einſt in den fridericianiſchen Tagen. Bevor ſie zu dieſer hochherzigen Selbſtverleugnung gelangten, mußten ſie allerdings erſt eine lange Schule ſchmerzlicher Erfahrungen durchlaufen. —
Als die Darmſtädter Conferenzen im Sterben lagen*), gaben die kleinen thüringiſchen Staaten die Erklärung ab: wenn man in Darmſtadt
*) S. o. III. 325.
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Deutſche Politik König Ludwig’s.
überſtrömenden Worten: „der edle Monarch iſt unſer beſter Schützer;“
und Frankenberg ſchrieb: „die Politik der letzten Jahre Friedrich’s des
Großen lebt wieder auf, Preußen allein iſt der wahre Schirmherr der
kleinen deutſchen Staaten.“ Nach München erging die beſtimmte Er-
klärung, daß Preußen einen Gewaltſchritt nicht dulden werde; zugleich
ließ der König den großen Mächten in einer ausführlichen Denkſchrift
das gute Recht Badens darlegen (Januar 1828). So blieb Badens
Beſitzſtand geſichert. Die beharrlich wiederholten bairiſchen Beſchwerden
bewirkten nur, daß König Ludwig ſich aufregte und der unſterbliche Spon-
heimer Handel in der diplomatiſchen Welt einen ähnlichen Ruf erlangte
wie der Köthener Zollſtreit.
Bei ſeinem hochmüthigen Urtheil über die ehrgeizigen Pläne der
beiden ſüddeutſchen Könige überſah Metternich ganz, daß ſie beide doch
auch ein berechtigtes, erreichbares Ziel verfolgten. Beide hatten ein Herz
für Deutſchlands wirthſchaftliche Noth und waren ernſtlich gewillt, den
Jammer der Binnenmauthen zu beſeitigen, zunächſt freilich nur durch
einen Sonderbund des „reinen Deutſchlands“. Der Bund der Minder-
mächtigen zerfloß den Träumern bald unter den Händen. Aber was ſie für
die deutſche Volkswirthſchaft erſtrebten, enthielt einen geſunden Kern; ihn
herauszuſchälen aus der phantaſtiſchen Hülle blieb der Staatskunſt Preu-
ßens vorbehalten. Der Plan König Ludwig’s: „Unabhängigkeit von beiden
Großmächten und gute Freundſchaft mit Preußen“ war nicht ſelber der
rechte Weg, doch er führte zum rechten Wege. Baiern ging wie Preußen
von der richtigen Anſicht aus, daß die deutſche Handelseinheit nicht durch
den Bund, ſondern durch Verträge von Staat zu Staat zu erreichen
ſei; dieſe gemeinſchaftliche Ueberzeugung der beiden größten deutſchen
Staaten gewährte die Ausſicht auf volle Verſtändigung. Sobald das
Berliner Cabinet durch vollendete Thatſachen bewieſen hatte, daß die
deutſche Handelseinheit ohne Preußen unmöglich war, ließen die zwei ſüd-
deutſchen Könige nach heftigem Widerſtreben ihre Sonderbundsträume
fallen. Sie blieben dem Gedanken des Zollvereins auch dann noch treu,
als er unter Preußens Händen eine gänzlich veränderte Geſtalt empfangen
hatte; und der erneute Bund zwiſchen Preußen und Baiern ſollte dem
Vaterlande noch reichere Früchte bringen als einſt in den fridericianiſchen
Tagen. Bevor ſie zu dieſer hochherzigen Selbſtverleugnung gelangten,
mußten ſie allerdings erſt eine lange Schule ſchmerzlicher Erfahrungen
durchlaufen. —
Als die Darmſtädter Conferenzen im Sterben lagen *), gaben die
kleinen thüringiſchen Staaten die Erklärung ab: wenn man in Darmſtadt
*) S. o. III. 325.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/639>, abgerufen am 26.11.2024.
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