Vereines und erhielt die kühle Antwort: der Verein habe an den preu- ßischen Zöllen gar nichts geändert; doch wisse Jedermann, daß Preußen freieren handelspolitischen Grundsätzen huldige als England.*)
Mit diesen Ränken des Auslands, die bald einen sehr bedrohlichen Charakter annahmen, verkettete sich der unselige Sponheimer Handel. König Ludwig war, da er sich allerdings auf Oesterreichs unerfüllte Ver- sprechungen berufen konnte, von seinem Rechte auf den Heimfall der Pfalz tief überzeugt und fühlte sich schwer beleidigt, als Preußen seinen An- sprüchen entgegentrat. Der preußische Gesandte merkte dem Könige bald an, daß er etwas auf dem Herzen habe. Da trafen sich die Beiden eines Tags auf der Straße. Der König trat auf den Diplomaten zu, ging eine Strecke Weges mit ihm und schüttete seinen Zorn aus: "Ich kann nicht genug sagen, wie tief es mich geschmerzt, daß gerade Preußen in der badischen Sache sich voran und mir gegenübergestellt hat. Anders kann ich das Memoire nicht bezeichnen, womit Preußen, ohne mich zu hören, die Initiative gegen mich bei den übrigen Höfen ergriffen hat. Bernstorff denkt immer noch an das alte Baiern; es ist aber heute ein neues Baiern, ein neuer König. Preußen hat nie einen größeren Enthusiasten gehabt als mich. Um so mehr hat mich's gekränkt, daß man sich aus meiner Freundschaft gar nichts macht. Will man mich denn nur zum Gegner haben?" Der König ereiferte sich, erhob die Stimme, die Vorübergehen- den blieben stehen und horchten auf. Der Gesandte konnte sich dem schwerhörigen Fürsten nicht verständlich machen, gerieth in peinliche Ver- legenheit, gab seinem Hofe den Rath, man möge den Erzürnten beschwich- tigen.**) Augenblicklich ließ sich wenig thun, da König Friedrich Wilhelm das gute Recht Badens schlechterdings nicht preisgeben wollte. Für die Zukunft war noch nichts verloren. Der heißblütige Wittelsbacher blieb auch als Gegner offen und ehrlich; sobald sein Zorn verrauchte, konnte man vielleicht wieder anknüpfen, da ihm Deutschlands Handelseinheit wirk- lich am Herzen lag. Vor der Hand freilich wirkte der Münchener Hof dem preußisch-hessischen Vereine offen entgegen; er versuchte, durch unent- geltlichen Vorspann und ähnliche kleine Mittel den Verkehr von Gießen und Vilbel auf die Linie Hersfeld-Fulda hinüberzulocken, verlangte von dem Hause Thurn und Taxis, daß die Frankfurt-Aschaffenburger Post über Hanau, nicht mehr durch das darmstädtische Gebiet geführt werde u. s. w.
Der entscheidende Kampf entspann sich am Kasseler Hofe; noch ein- mal wurde die kurhessische Handelspolitik verhängnißvoll für das ganze Deutschland. Der Großherzog von Hessen hatte die Berliner Verhand- lungen nur gutgeheißen in der bestimmten Erwartung, daß der Casseler Vetter seinem Beispiele folgen würde. Deshalb blieb der preußisch-hes-
*) Bülow's Bericht, 5. Mai 1828.
**) Küster's Bericht, 15. April 1828.
Das Ausland gegen den preußiſchen Zollverein.
Vereines und erhielt die kühle Antwort: der Verein habe an den preu- ßiſchen Zöllen gar nichts geändert; doch wiſſe Jedermann, daß Preußen freieren handelspolitiſchen Grundſätzen huldige als England.*)
Mit dieſen Ränken des Auslands, die bald einen ſehr bedrohlichen Charakter annahmen, verkettete ſich der unſelige Sponheimer Handel. König Ludwig war, da er ſich allerdings auf Oeſterreichs unerfüllte Ver- ſprechungen berufen konnte, von ſeinem Rechte auf den Heimfall der Pfalz tief überzeugt und fühlte ſich ſchwer beleidigt, als Preußen ſeinen An- ſprüchen entgegentrat. Der preußiſche Geſandte merkte dem Könige bald an, daß er etwas auf dem Herzen habe. Da trafen ſich die Beiden eines Tags auf der Straße. Der König trat auf den Diplomaten zu, ging eine Strecke Weges mit ihm und ſchüttete ſeinen Zorn aus: „Ich kann nicht genug ſagen, wie tief es mich geſchmerzt, daß gerade Preußen in der badiſchen Sache ſich voran und mir gegenübergeſtellt hat. Anders kann ich das Memoire nicht bezeichnen, womit Preußen, ohne mich zu hören, die Initiative gegen mich bei den übrigen Höfen ergriffen hat. Bernſtorff denkt immer noch an das alte Baiern; es iſt aber heute ein neues Baiern, ein neuer König. Preußen hat nie einen größeren Enthuſiaſten gehabt als mich. Um ſo mehr hat mich’s gekränkt, daß man ſich aus meiner Freundſchaft gar nichts macht. Will man mich denn nur zum Gegner haben?“ Der König ereiferte ſich, erhob die Stimme, die Vorübergehen- den blieben ſtehen und horchten auf. Der Geſandte konnte ſich dem ſchwerhörigen Fürſten nicht verſtändlich machen, gerieth in peinliche Ver- legenheit, gab ſeinem Hofe den Rath, man möge den Erzürnten beſchwich- tigen.**) Augenblicklich ließ ſich wenig thun, da König Friedrich Wilhelm das gute Recht Badens ſchlechterdings nicht preisgeben wollte. Für die Zukunft war noch nichts verloren. Der heißblütige Wittelsbacher blieb auch als Gegner offen und ehrlich; ſobald ſein Zorn verrauchte, konnte man vielleicht wieder anknüpfen, da ihm Deutſchlands Handelseinheit wirk- lich am Herzen lag. Vor der Hand freilich wirkte der Münchener Hof dem preußiſch-heſſiſchen Vereine offen entgegen; er verſuchte, durch unent- geltlichen Vorſpann und ähnliche kleine Mittel den Verkehr von Gießen und Vilbel auf die Linie Hersfeld-Fulda hinüberzulocken, verlangte von dem Hauſe Thurn und Taxis, daß die Frankfurt-Aſchaffenburger Poſt über Hanau, nicht mehr durch das darmſtädtiſche Gebiet geführt werde u. ſ. w.
Der entſcheidende Kampf entſpann ſich am Kaſſeler Hofe; noch ein- mal wurde die kurheſſiſche Handelspolitik verhängnißvoll für das ganze Deutſchland. Der Großherzog von Heſſen hatte die Berliner Verhand- lungen nur gutgeheißen in der beſtimmten Erwartung, daß der Caſſeler Vetter ſeinem Beiſpiele folgen würde. Deshalb blieb der preußiſch-heſ-
*) Bülow’s Bericht, 5. Mai 1828.
**) Küſter’s Bericht, 15. April 1828.
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Das Ausland gegen den preußiſchen Zollverein.
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ßiſchen Zöllen gar nichts geändert; doch wiſſe Jedermann, daß Preußen
freieren handelspolitiſchen Grundſätzen huldige als England. *)
Mit dieſen Ränken des Auslands, die bald einen ſehr bedrohlichen
Charakter annahmen, verkettete ſich der unſelige Sponheimer Handel.
König Ludwig war, da er ſich allerdings auf Oeſterreichs unerfüllte Ver-
ſprechungen berufen konnte, von ſeinem Rechte auf den Heimfall der Pfalz
tief überzeugt und fühlte ſich ſchwer beleidigt, als Preußen ſeinen An-
ſprüchen entgegentrat. Der preußiſche Geſandte merkte dem Könige bald
an, daß er etwas auf dem Herzen habe. Da trafen ſich die Beiden eines
Tags auf der Straße. Der König trat auf den Diplomaten zu, ging
eine Strecke Weges mit ihm und ſchüttete ſeinen Zorn aus: „Ich kann
nicht genug ſagen, wie tief es mich geſchmerzt, daß gerade Preußen in der
badiſchen Sache ſich voran und mir gegenübergeſtellt hat. Anders kann
ich das Memoire nicht bezeichnen, womit Preußen, ohne mich zu hören,
die Initiative gegen mich bei den übrigen Höfen ergriffen hat. Bernſtorff
denkt immer noch an das alte Baiern; es iſt aber heute ein neues Baiern,
ein neuer König. Preußen hat nie einen größeren Enthuſiaſten gehabt
als mich. Um ſo mehr hat mich’s gekränkt, daß man ſich aus meiner
Freundſchaft gar nichts macht. Will man mich denn nur zum Gegner
haben?“ Der König ereiferte ſich, erhob die Stimme, die Vorübergehen-
den blieben ſtehen und horchten auf. Der Geſandte konnte ſich dem
ſchwerhörigen Fürſten nicht verſtändlich machen, gerieth in peinliche Ver-
legenheit, gab ſeinem Hofe den Rath, man möge den Erzürnten beſchwich-
tigen. **) Augenblicklich ließ ſich wenig thun, da König Friedrich Wilhelm
das gute Recht Badens ſchlechterdings nicht preisgeben wollte. Für die
Zukunft war noch nichts verloren. Der heißblütige Wittelsbacher blieb
auch als Gegner offen und ehrlich; ſobald ſein Zorn verrauchte, konnte
man vielleicht wieder anknüpfen, da ihm Deutſchlands Handelseinheit wirk-
lich am Herzen lag. Vor der Hand freilich wirkte der Münchener Hof
dem preußiſch-heſſiſchen Vereine offen entgegen; er verſuchte, durch unent-
geltlichen Vorſpann und ähnliche kleine Mittel den Verkehr von Gießen
und Vilbel auf die Linie Hersfeld-Fulda hinüberzulocken, verlangte von
dem Hauſe Thurn und Taxis, daß die Frankfurt-Aſchaffenburger Poſt über
Hanau, nicht mehr durch das darmſtädtiſche Gebiet geführt werde u. ſ. w.
Der entſcheidende Kampf entſpann ſich am Kaſſeler Hofe; noch ein-
mal wurde die kurheſſiſche Handelspolitik verhängnißvoll für das ganze
Deutſchland. Der Großherzog von Heſſen hatte die Berliner Verhand-
lungen nur gutgeheißen in der beſtimmten Erwartung, daß der Caſſeler
Vetter ſeinem Beiſpiele folgen würde. Deshalb blieb der preußiſch-heſ-
*) Bülow’s Bericht, 5. Mai 1828.
**) Küſter’s Bericht, 15. April 1828.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/661>, abgerufen am 22.11.2024.
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