er zuversichtlich, daß einzelne Mitglieder des mitteldeutschen Vereins drin- gend um Aufnahme in den preußischen Verein bitten werden!" Er hatte noch im Januar bezweifelt, ob eine Verbindung mit dem so weit abge- legenen bairisch-württembergischen Vereine räthlich sei; jetzt faßte er den glücklichen Gedanken, über den Handelsverein hinweg den süddeutschen Kö- nigskronen die Hand zu reichen und dergestalt durch einen Bund des Nordens mit dem Süden den mitteldeutschen Sonderbund zu zerstören. --
Zum Heil für Deutschland erwachten um dieselbe Zeit ähnliche Wünsche in München und Stuttgart. Wie laut auch König Ludwig im ersten Zorne wider Preußens und Darmstadts Verrätherei gescholten hatte, auf die Dauer konnte er sich doch nicht verbergen, daß seine eigenen kühnen Pläne gescheitert waren. Nachdem Kurhessen zu den Mitteldeutschen über- getreten, war an eine Vergrößerung des süddeutschen Vereins nicht mehr zu denken; der rein deutsche Bund unter Wittelsbachs Fahnen blieb ein Traum. Ebenso wenig konnte der Verein in seiner vereinsamten Stel- lung verharren. Auch trat, wie Metternich vorhergesehen, die alte Ab- neigung zwischen den beiden Königen bald wieder hervor. Die Hoffnung auf einen Handelsverein mit der Schweiz ward zu nichte an der Zwie- tracht der Eidgenossen. So blieb den oberdeutschen Königen nur die Wahl entweder mit Preußen oder mit dem sächsisch-englischen Vereine eine Ver- bindung zu suchen. Hinter Sachsen und Hannover aber stand Oester- reich; dies allein genügte um den König von Württemberg gegen die mittel- deutschen Verbündeten einzunehmen. Sein neuer Finanzminister, Frhr. Karl Varnbüler, derselbe, der einst in den Vorderreihen der Altrechtler gestanden, bewährte sich als ausgezeichneter Geschäftsmann und rieth drin- gend zur Verständigung mit Preußen. Welchen nennenswerthen han- delspolitischen Vortheil, außer der Herabsetzung der Durchfuhrzölle, hatten die Mitteldeutschen zu bieten? Wie sollte der patriotische König von Baiern sich einlassen in jene unsauberen Zettelungen mit Frankreich, England, Holland, welche der Mitteldeutsche Verein mit unbeschämter Stirn betrieb? In der ersten Aufwallung des Zornes hatte König Ludwig wohl einen Schritt nach Frankreich hinüber gethan; ein Bündniß mit dem Auslande einzugehen, den deutschen Verkehr dem englischen Handelsinteresse zu unterwerfen lag dem bei all seiner Wunderlichkeit grunddeutschen Mon- archen ebenso fern wie seinem vertrauten Minister Armansperg.
Sobald man in München kaltblütig überlegte, erschien doch selbst Preußens Verhalten in dem Sponheimer Handel erklärlich. Die Ber- liner Regierung war ja durch europäische Verträge verpflichtet Badens Recht zu schützen; sie verfuhr, wie König Ludwig selbst zugeben mußte, mit rück- haltloser Offenheit; ihr Gesandter suchte durch versöhnliche Sprache den erzürnten Fürsten zu beschwichtigen. Preußen schlug jetzt vor, Baiern und Baden sollten beiderseits auf ihr Sponheimer Erbrecht verzichten, damit der leidige Handel für immer aus der Welt geschafft würde. König Lud-
Verſöhnung zwiſchen Preußen und Baiern.
er zuverſichtlich, daß einzelne Mitglieder des mitteldeutſchen Vereins drin- gend um Aufnahme in den preußiſchen Verein bitten werden!“ Er hatte noch im Januar bezweifelt, ob eine Verbindung mit dem ſo weit abge- legenen bairiſch-württembergiſchen Vereine räthlich ſei; jetzt faßte er den glücklichen Gedanken, über den Handelsverein hinweg den ſüddeutſchen Kö- nigskronen die Hand zu reichen und dergeſtalt durch einen Bund des Nordens mit dem Süden den mitteldeutſchen Sonderbund zu zerſtören. —
Zum Heil für Deutſchland erwachten um dieſelbe Zeit ähnliche Wünſche in München und Stuttgart. Wie laut auch König Ludwig im erſten Zorne wider Preußens und Darmſtadts Verrätherei geſcholten hatte, auf die Dauer konnte er ſich doch nicht verbergen, daß ſeine eigenen kühnen Pläne geſcheitert waren. Nachdem Kurheſſen zu den Mitteldeutſchen über- getreten, war an eine Vergrößerung des ſüddeutſchen Vereins nicht mehr zu denken; der rein deutſche Bund unter Wittelsbachs Fahnen blieb ein Traum. Ebenſo wenig konnte der Verein in ſeiner vereinſamten Stel- lung verharren. Auch trat, wie Metternich vorhergeſehen, die alte Ab- neigung zwiſchen den beiden Königen bald wieder hervor. Die Hoffnung auf einen Handelsverein mit der Schweiz ward zu nichte an der Zwie- tracht der Eidgenoſſen. So blieb den oberdeutſchen Königen nur die Wahl entweder mit Preußen oder mit dem ſächſiſch-engliſchen Vereine eine Ver- bindung zu ſuchen. Hinter Sachſen und Hannover aber ſtand Oeſter- reich; dies allein genügte um den König von Württemberg gegen die mittel- deutſchen Verbündeten einzunehmen. Sein neuer Finanzminiſter, Frhr. Karl Varnbüler, derſelbe, der einſt in den Vorderreihen der Altrechtler geſtanden, bewährte ſich als ausgezeichneter Geſchäftsmann und rieth drin- gend zur Verſtändigung mit Preußen. Welchen nennenswerthen han- delspolitiſchen Vortheil, außer der Herabſetzung der Durchfuhrzölle, hatten die Mitteldeutſchen zu bieten? Wie ſollte der patriotiſche König von Baiern ſich einlaſſen in jene unſauberen Zettelungen mit Frankreich, England, Holland, welche der Mitteldeutſche Verein mit unbeſchämter Stirn betrieb? In der erſten Aufwallung des Zornes hatte König Ludwig wohl einen Schritt nach Frankreich hinüber gethan; ein Bündniß mit dem Auslande einzugehen, den deutſchen Verkehr dem engliſchen Handelsintereſſe zu unterwerfen lag dem bei all ſeiner Wunderlichkeit grunddeutſchen Mon- archen ebenſo fern wie ſeinem vertrauten Miniſter Armansperg.
Sobald man in München kaltblütig überlegte, erſchien doch ſelbſt Preußens Verhalten in dem Sponheimer Handel erklärlich. Die Ber- liner Regierung war ja durch europäiſche Verträge verpflichtet Badens Recht zu ſchützen; ſie verfuhr, wie König Ludwig ſelbſt zugeben mußte, mit rück- haltloſer Offenheit; ihr Geſandter ſuchte durch verſöhnliche Sprache den erzürnten Fürſten zu beſchwichtigen. Preußen ſchlug jetzt vor, Baiern und Baden ſollten beiderſeits auf ihr Sponheimer Erbrecht verzichten, damit der leidige Handel für immer aus der Welt geſchafft würde. König Lud-
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Verſöhnung zwiſchen Preußen und Baiern.
er zuverſichtlich, daß einzelne Mitglieder des mitteldeutſchen Vereins drin-
gend um Aufnahme in den preußiſchen Verein bitten werden!“ Er hatte
noch im Januar bezweifelt, ob eine Verbindung mit dem ſo weit abge-
legenen bairiſch-württembergiſchen Vereine räthlich ſei; jetzt faßte er den
glücklichen Gedanken, über den Handelsverein hinweg den ſüddeutſchen Kö-
nigskronen die Hand zu reichen und dergeſtalt durch einen Bund des
Nordens mit dem Süden den mitteldeutſchen Sonderbund zu zerſtören. —
Zum Heil für Deutſchland erwachten um dieſelbe Zeit ähnliche Wünſche
in München und Stuttgart. Wie laut auch König Ludwig im erſten
Zorne wider Preußens und Darmſtadts Verrätherei geſcholten hatte, auf
die Dauer konnte er ſich doch nicht verbergen, daß ſeine eigenen kühnen
Pläne geſcheitert waren. Nachdem Kurheſſen zu den Mitteldeutſchen über-
getreten, war an eine Vergrößerung des ſüddeutſchen Vereins nicht mehr
zu denken; der rein deutſche Bund unter Wittelsbachs Fahnen blieb ein
Traum. Ebenſo wenig konnte der Verein in ſeiner vereinſamten Stel-
lung verharren. Auch trat, wie Metternich vorhergeſehen, die alte Ab-
neigung zwiſchen den beiden Königen bald wieder hervor. Die Hoffnung
auf einen Handelsverein mit der Schweiz ward zu nichte an der Zwie-
tracht der Eidgenoſſen. So blieb den oberdeutſchen Königen nur die Wahl
entweder mit Preußen oder mit dem ſächſiſch-engliſchen Vereine eine Ver-
bindung zu ſuchen. Hinter Sachſen und Hannover aber ſtand Oeſter-
reich; dies allein genügte um den König von Württemberg gegen die mittel-
deutſchen Verbündeten einzunehmen. Sein neuer Finanzminiſter, Frhr.
Karl Varnbüler, derſelbe, der einſt in den Vorderreihen der Altrechtler
geſtanden, bewährte ſich als ausgezeichneter Geſchäftsmann und rieth drin-
gend zur Verſtändigung mit Preußen. Welchen nennenswerthen han-
delspolitiſchen Vortheil, außer der Herabſetzung der Durchfuhrzölle, hatten
die Mitteldeutſchen zu bieten? Wie ſollte der patriotiſche König von Baiern
ſich einlaſſen in jene unſauberen Zettelungen mit Frankreich, England,
Holland, welche der Mitteldeutſche Verein mit unbeſchämter Stirn betrieb?
In der erſten Aufwallung des Zornes hatte König Ludwig wohl einen
Schritt nach Frankreich hinüber gethan; ein Bündniß mit dem Auslande
einzugehen, den deutſchen Verkehr dem engliſchen Handelsintereſſe zu
unterwerfen lag dem bei all ſeiner Wunderlichkeit grunddeutſchen Mon-
archen ebenſo fern wie ſeinem vertrauten Miniſter Armansperg.
Sobald man in München kaltblütig überlegte, erſchien doch ſelbſt
Preußens Verhalten in dem Sponheimer Handel erklärlich. Die Ber-
liner Regierung war ja durch europäiſche Verträge verpflichtet Badens Recht
zu ſchützen; ſie verfuhr, wie König Ludwig ſelbſt zugeben mußte, mit rück-
haltloſer Offenheit; ihr Geſandter ſuchte durch verſöhnliche Sprache den
erzürnten Fürſten zu beſchwichtigen. Preußen ſchlug jetzt vor, Baiern und
Baden ſollten beiderſeits auf ihr Sponheimer Erbrecht verzichten, damit
der leidige Handel für immer aus der Welt geſchafft würde. König Lud-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/681>, abgerufen am 22.11.2024.
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