Zur Geschichte d. preuß. Verfassungskampfes. Die Verlänger. d. Karlsbader Beschlüsse.
XI.Zur Geschichte des preußischen Verfassungskampfes. Zu Bd. III S. 230.
Das nachstehende Concept aus der Feder des Fürsten Wittgenstein, niedergeschrieben im Mai 1821, unmittelbar vor der Entscheidung des Verfassungsstreites, giebt in Kürze ein treues Bild von den Ansichten der Gegner Hardenberg's.
Hauptpunkte, in welchen von einander abweichen die Vorschläge der Commission und des Staatskanzlers.
[Spaltenumbruch]
1. Sie beschränkt sich auf die Einrichtung der Landstände und erstreckt sich auf keine Verfassung im engeren und gewöhnlichen Sinne und schlägt daher
2. noch weniger eine schriftliche Urkunde vor.
3. Sie beschränkt sich auf Provinzial- stände und berührt den Gegenstand der Reichs- stände noch nicht.
4. Nach ihren Vorschlägen soll das nieder- zusetzende Comite mit den einzuberufenden Provinzial-Einsassen nur über die Zusam- mensetzung der Provinzialstände deliberiren, nicht aber über den Umfang der Rechte der letzteren, indem deren Feststellung der Be- stimmung S. Maj. vorzubehalten.
5. Das Resultat der Vorschläge der Com- mission ist zeitgemäße Wiederherstellung der landständischen, d. h. der älteren und früheren Verfassung in den verschiedenen Provinzen.
[Spaltenumbruch]
1. Es wird eine Verfassung -- "Bewil- ligung billiger freiwilliger Bedingungen" -- als königliche Gabe vorgeschlagen, sowie
2. eine Verfassungsurkunde, eine Urkunde über die ganze Verfassung, die das Ganze der königlichen Gabe ausspricht.
3. Es wird vorgeschlagen, die Einführung allgemeiner Reichsstände schon gegenwärtig in der gedachten Urkunde auszusprechen.
4. Das Comite soll mit den Notabeln auch über andere Gegenstände deliberiren.
5. Hiernach ist das Resultat nicht blos die Wiederherstellung der älteren und früheren landständischen Verfassungen, sondern zugleich die Einführung einer reichständischen Verfassung, mithin einer neuen Verfassung und Begründung einer constitutionellen Monarchie.
XII.Die Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse. Zu Bd. III S. 335.
In Metternich's nachgelassenen Papieren IV. 120 ist eine "Arbeit des Frhrn. v. Zentner" über die Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse abgedruckt, mit dem Zu- satze: "Auf dem Umschlagbogen des Manuscripts hat Fürst Metternich eigenhändig angemerkt: In der Conferenz mit Graf Rechberg, Fürst Wrede und Frhr. v. Zentner, von Letzterem dem Fürsten Metternich vorgelegt. Tegernsee, 28. Mai 1824."
Da an der Wahrheit dieser Versicherung nicht gezweifelt werden kann, so sind nur zwei Fälle möglich: entweder haben sich die Papiere im Laufe der Jahre verschoben, oder es befanden sich mehrere Aktenstücke in dem Umschlagbogen, und Herr v. Klinckowström hat mit jenem kritischen Scharfsinne, den er in der Ausgabe der Metternich'schen Papiere so oft bewährt, das unrichtige ausgewählt.
Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 49
Zur Geſchichte d. preuß. Verfaſſungskampfes. Die Verlänger. d. Karlsbader Beſchlüſſe.
XI.Zur Geſchichte des preußiſchen Verfaſſungskampfes. Zu Bd. III S. 230.
Das nachſtehende Concept aus der Feder des Fürſten Wittgenſtein, niedergeſchrieben im Mai 1821, unmittelbar vor der Entſcheidung des Verfaſſungsſtreites, giebt in Kürze ein treues Bild von den Anſichten der Gegner Hardenberg’s.
Hauptpunkte, in welchen von einander abweichen die Vorſchläge der Commiſſion und des Staatskanzlers.
[Spaltenumbruch]
1. Sie beſchränkt ſich auf die Einrichtung der Landſtände und erſtreckt ſich auf keine Verfaſſung im engeren und gewöhnlichen Sinne und ſchlägt daher
2. noch weniger eine ſchriftliche Urkunde vor.
3. Sie beſchränkt ſich auf Provinzial- ſtände und berührt den Gegenſtand der Reichs- ſtände noch nicht.
4. Nach ihren Vorſchlägen ſoll das nieder- zuſetzende Comité mit den einzuberufenden Provinzial-Einſaſſen nur über die Zuſam- menſetzung der Provinzialſtände deliberiren, nicht aber über den Umfang der Rechte der letzteren, indem deren Feſtſtellung der Be- ſtimmung S. Maj. vorzubehalten.
5. Das Reſultat der Vorſchläge der Com- miſſion iſt zeitgemäße Wiederherſtellung der landſtändiſchen, d. h. der älteren und früheren Verfaſſung in den verſchiedenen Provinzen.
[Spaltenumbruch]
1. Es wird eine Verfaſſung — „Bewil- ligung billiger freiwilliger Bedingungen“ — als königliche Gabe vorgeſchlagen, ſowie
2. eine Verfaſſungsurkunde, eine Urkunde über die ganze Verfaſſung, die das Ganze der königlichen Gabe ausſpricht.
3. Es wird vorgeſchlagen, die Einführung allgemeiner Reichsſtände ſchon gegenwärtig in der gedachten Urkunde auszuſprechen.
4. Das Comité ſoll mit den Notabeln auch über andere Gegenſtände deliberiren.
5. Hiernach iſt das Reſultat nicht blos die Wiederherſtellung der älteren und früheren landſtändiſchen Verfaſſungen, ſondern zugleich die Einführung einer reichſtändiſchen Verfaſſung, mithin einer neuen Verfaſſung und Begründung einer conſtitutionellen Monarchie.
XII.Die Verlängerung der Karlsbader Beſchlüſſe. Zu Bd. III S. 335.
In Metternich’s nachgelaſſenen Papieren IV. 120 iſt eine „Arbeit des Frhrn. v. Zentner“ über die Verlängerung der Karlsbader Beſchlüſſe abgedruckt, mit dem Zu- ſatze: „Auf dem Umſchlagbogen des Manuſcripts hat Fürſt Metternich eigenhändig angemerkt: In der Conferenz mit Graf Rechberg, Fürſt Wrede und Frhr. v. Zentner, von Letzterem dem Fürſten Metternich vorgelegt. Tegernſee, 28. Mai 1824.“
Da an der Wahrheit dieſer Verſicherung nicht gezweifelt werden kann, ſo ſind nur zwei Fälle möglich: entweder haben ſich die Papiere im Laufe der Jahre verſchoben, oder es befanden ſich mehrere Aktenſtücke in dem Umſchlagbogen, und Herr v. Klinckowſtröm hat mit jenem kritiſchen Scharfſinne, den er in der Ausgabe der Metternich’ſchen Papiere ſo oft bewährt, das unrichtige ausgewählt.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 49
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Zur Geſchichte d. preuß. Verfaſſungskampfes. Die Verlänger. d. Karlsbader Beſchlüſſe.
XI. Zur Geſchichte des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
Zu Bd. III S. 230.
Das nachſtehende Concept aus der Feder des Fürſten Wittgenſtein, niedergeſchrieben
im Mai 1821, unmittelbar vor der Entſcheidung des Verfaſſungsſtreites, giebt in Kürze
ein treues Bild von den Anſichten der Gegner Hardenberg’s.
Hauptpunkte,
in welchen von einander abweichen die Vorſchläge
der Commiſſion und des Staatskanzlers.
1. Sie beſchränkt ſich auf die Einrichtung
der Landſtände und erſtreckt ſich auf keine
Verfaſſung im engeren und gewöhnlichen
Sinne und ſchlägt daher
2. noch weniger eine ſchriftliche Urkunde
vor.
3. Sie beſchränkt ſich auf Provinzial-
ſtände und berührt den Gegenſtand der Reichs-
ſtände noch nicht.
4. Nach ihren Vorſchlägen ſoll das nieder-
zuſetzende Comité mit den einzuberufenden
Provinzial-Einſaſſen nur über die Zuſam-
menſetzung der Provinzialſtände deliberiren,
nicht aber über den Umfang der Rechte der
letzteren, indem deren Feſtſtellung der Be-
ſtimmung S. Maj. vorzubehalten.
5. Das Reſultat der Vorſchläge der Com-
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der landſtändiſchen, d. h. der älteren und
früheren Verfaſſung in den verſchiedenen
Provinzen.
1. Es wird eine Verfaſſung — „Bewil-
ligung billiger freiwilliger Bedingungen“ —
als königliche Gabe vorgeſchlagen, ſowie
2. eine Verfaſſungsurkunde, eine Urkunde
über die ganze Verfaſſung, die das Ganze
der königlichen Gabe ausſpricht.
3. Es wird vorgeſchlagen, die Einführung
allgemeiner Reichsſtände ſchon gegenwärtig
in der gedachten Urkunde auszuſprechen.
4. Das Comité ſoll mit den Notabeln
auch über andere Gegenſtände deliberiren.
5. Hiernach iſt das Reſultat nicht blos
die Wiederherſtellung der älteren und früheren
landſtändiſchen Verfaſſungen, ſondern zugleich
die Einführung einer reichſtändiſchen
Verfaſſung, mithin einer neuen Verfaſſung
und Begründung einer conſtitutionellen
Monarchie.
XII. Die Verlängerung der Karlsbader Beſchlüſſe.
Zu Bd. III S. 335.
In Metternich’s nachgelaſſenen Papieren IV. 120 iſt eine „Arbeit des Frhrn.
v. Zentner“ über die Verlängerung der Karlsbader Beſchlüſſe abgedruckt, mit dem Zu-
ſatze: „Auf dem Umſchlagbogen des Manuſcripts hat Fürſt Metternich eigenhändig
angemerkt: In der Conferenz mit Graf Rechberg, Fürſt Wrede und Frhr. v. Zentner,
von Letzterem dem Fürſten Metternich vorgelegt. Tegernſee, 28. Mai 1824.“
Da an der Wahrheit dieſer Verſicherung nicht gezweifelt werden kann, ſo ſind nur
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hat mit jenem kritiſchen Scharfſinne, den er in der Ausgabe der Metternich’ſchen
Papiere ſo oft bewährt, das unrichtige ausgewählt.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 49
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/785>, abgerufen am 24.11.2024.
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