einen jährlichen Zinsengewinn von 354,000 Thlr.; und doch blieb die Haupt- masse des Domanialbesitzes erhalten, sein Gesammtertrag ungeschmälert.*)
Die gesammte Verwaltung des Schuldenwesens wurde einer beson- deren Centralbehörde übertragen. Welch ein Aufsehen am Hofe und in den Kreisen der alten Bureaukratie, als der König in diese "Hauptver- waltung der Staatsschulden" außer dem Präsidenten Rother und drei an- deren höheren Beamten auch einen titellosen Kaufmann, David Schickler, den Chef des großen Berliner Bankhauses berief; nun war der Staat doch unzweifelhaft, wie Marwitz immer vorausgesagt, mit Haut und Haar den Wucherern verfallen! Die neue Behörde war vollkommen selbständig und bezog die ihr gebührenden Einkünfte unmittelbar aus den Provinzial- kassen; unbekümmert um den Finanzminister, der noch immer das Deficit nicht zu bewältigen wußte, konnte Rother die Verzinsung und Tilgung so- fort streng nach dem Plane ins Werk setzen. Aber mit diesem neuen Rade ließ sich die ohnehin schwerfällige Maschine der Finanzverwaltung kaum noch handhaben; die Zersplitterung der Geschäfte zwischen so vielen coor- dinirten Behörden erinnerte schon lebhaft an die chaotischen Zustände von 1806. Neben dem Finanzminister stand bereits der Minister des Schatzes Graf Lottum, der soeben den Auftrag erhielt alle Ersparnisse und Mehr- Einnahmen der laufenden Verwaltung zur Wiederherstellung des längst verschwundenen fridericianischen Staatsschatzes anzusammeln; unter diesem wieder, doch in Wahrheit ganz selbständig stand Ladenberg mit seiner General-Controle, der unerbittliche Richter über die Staatsausgaben, und nun nahm die neue Schuldenverwaltung dem unglücklichen Finanzminister auch noch die Domanialeinkünfte vorweg.
Kein Wunder, daß Klewiz für das Gleichgewicht des Etats nicht ein- zustehen, der Staatskanzler die alte Sünde seines Beamtenthums, den Streit der Departements kaum noch zu bändigen vermochte. Und leicht war es wahrlich nicht, mit Rother's unaufhaltsamem Amtseifer sich zu ver- tragen. Wie der böse Feind war er dahinter her, wenn irgendwo in einem Winkel der Monarchie eine fiscalische Servitut abgelöst wurde; jeden Thaler aus solchem Erlös verlangte er für seine Verwaltung, da ja das gesammte Staatsvermögen für die Staatsschuld hafte; für jeden Gehaltsbon der alten südpreußischen Beamten forderte er erst weitere Be- lege. Einmal wendete sich das gesammte Staatsministerium klagend an den Kanzler: das Ehrgefühl der Regierungen werde verletzt, wenn sie den Befehlen der Staatsschuldenverwaltung untergeordnet blieben. Harden- berg aber entschied: "nicht die Personen sind zu ehren, sondern das Ver- trauen des Monarchen, der vor den Augen der ganzen Nation einen wichtigen Theil der Verwaltung in ihre Hände gelegt hat." So in be-
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzministeriums für die Jahre 1825--1827, 30. Mai 1828.
III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
einen jährlichen Zinſengewinn von 354,000 Thlr.; und doch blieb die Haupt- maſſe des Domanialbeſitzes erhalten, ſein Geſammtertrag ungeſchmälert.*)
Die geſammte Verwaltung des Schuldenweſens wurde einer beſon- deren Centralbehörde übertragen. Welch ein Aufſehen am Hofe und in den Kreiſen der alten Bureaukratie, als der König in dieſe „Hauptver- waltung der Staatsſchulden“ außer dem Präſidenten Rother und drei an- deren höheren Beamten auch einen titelloſen Kaufmann, David Schickler, den Chef des großen Berliner Bankhauſes berief; nun war der Staat doch unzweifelhaft, wie Marwitz immer vorausgeſagt, mit Haut und Haar den Wucherern verfallen! Die neue Behörde war vollkommen ſelbſtändig und bezog die ihr gebührenden Einkünfte unmittelbar aus den Provinzial- kaſſen; unbekümmert um den Finanzminiſter, der noch immer das Deficit nicht zu bewältigen wußte, konnte Rother die Verzinſung und Tilgung ſo- fort ſtreng nach dem Plane ins Werk ſetzen. Aber mit dieſem neuen Rade ließ ſich die ohnehin ſchwerfällige Maſchine der Finanzverwaltung kaum noch handhaben; die Zerſplitterung der Geſchäfte zwiſchen ſo vielen coor- dinirten Behörden erinnerte ſchon lebhaft an die chaotiſchen Zuſtände von 1806. Neben dem Finanzminiſter ſtand bereits der Miniſter des Schatzes Graf Lottum, der ſoeben den Auftrag erhielt alle Erſparniſſe und Mehr- Einnahmen der laufenden Verwaltung zur Wiederherſtellung des längſt verſchwundenen fridericianiſchen Staatsſchatzes anzuſammeln; unter dieſem wieder, doch in Wahrheit ganz ſelbſtändig ſtand Ladenberg mit ſeiner General-Controle, der unerbittliche Richter über die Staatsausgaben, und nun nahm die neue Schuldenverwaltung dem unglücklichen Finanzminiſter auch noch die Domanialeinkünfte vorweg.
Kein Wunder, daß Klewiz für das Gleichgewicht des Etats nicht ein- zuſtehen, der Staatskanzler die alte Sünde ſeines Beamtenthums, den Streit der Departements kaum noch zu bändigen vermochte. Und leicht war es wahrlich nicht, mit Rother’s unaufhaltſamem Amtseifer ſich zu ver- tragen. Wie der böſe Feind war er dahinter her, wenn irgendwo in einem Winkel der Monarchie eine fiscaliſche Servitut abgelöſt wurde; jeden Thaler aus ſolchem Erlös verlangte er für ſeine Verwaltung, da ja das geſammte Staatsvermögen für die Staatsſchuld hafte; für jeden Gehaltsbon der alten ſüdpreußiſchen Beamten forderte er erſt weitere Be- lege. Einmal wendete ſich das geſammte Staatsminiſterium klagend an den Kanzler: das Ehrgefühl der Regierungen werde verletzt, wenn ſie den Befehlen der Staatsſchuldenverwaltung untergeordnet blieben. Harden- berg aber entſchied: „nicht die Perſonen ſind zu ehren, ſondern das Ver- trauen des Monarchen, der vor den Augen der ganzen Nation einen wichtigen Theil der Verwaltung in ihre Hände gelegt hat.“ So in be-
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzminiſteriums für die Jahre 1825—1827, 30. Mai 1828.
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einen jährlichen Zinſengewinn von 354,000 Thlr.; und doch blieb die Haupt-
maſſe des Domanialbeſitzes erhalten, ſein Geſammtertrag ungeſchmälert. *)
Die geſammte Verwaltung des Schuldenweſens wurde einer beſon-
deren Centralbehörde übertragen. Welch ein Aufſehen am Hofe und in
den Kreiſen der alten Bureaukratie, als der König in dieſe „Hauptver-
waltung der Staatsſchulden“ außer dem Präſidenten Rother und drei an-
deren höheren Beamten auch einen titelloſen Kaufmann, David Schickler,
den Chef des großen Berliner Bankhauſes berief; nun war der Staat
doch unzweifelhaft, wie Marwitz immer vorausgeſagt, mit Haut und Haar
den Wucherern verfallen! Die neue Behörde war vollkommen ſelbſtändig
und bezog die ihr gebührenden Einkünfte unmittelbar aus den Provinzial-
kaſſen; unbekümmert um den Finanzminiſter, der noch immer das Deficit
nicht zu bewältigen wußte, konnte Rother die Verzinſung und Tilgung ſo-
fort ſtreng nach dem Plane ins Werk ſetzen. Aber mit dieſem neuen Rade
ließ ſich die ohnehin ſchwerfällige Maſchine der Finanzverwaltung kaum
noch handhaben; die Zerſplitterung der Geſchäfte zwiſchen ſo vielen coor-
dinirten Behörden erinnerte ſchon lebhaft an die chaotiſchen Zuſtände von
1806. Neben dem Finanzminiſter ſtand bereits der Miniſter des Schatzes
Graf Lottum, der ſoeben den Auftrag erhielt alle Erſparniſſe und Mehr-
Einnahmen der laufenden Verwaltung zur Wiederherſtellung des längſt
verſchwundenen fridericianiſchen Staatsſchatzes anzuſammeln; unter dieſem
wieder, doch in Wahrheit ganz ſelbſtändig ſtand Ladenberg mit ſeiner
General-Controle, der unerbittliche Richter über die Staatsausgaben, und
nun nahm die neue Schuldenverwaltung dem unglücklichen Finanzminiſter
auch noch die Domanialeinkünfte vorweg.
Kein Wunder, daß Klewiz für das Gleichgewicht des Etats nicht ein-
zuſtehen, der Staatskanzler die alte Sünde ſeines Beamtenthums, den
Streit der Departements kaum noch zu bändigen vermochte. Und leicht
war es wahrlich nicht, mit Rother’s unaufhaltſamem Amtseifer ſich zu ver-
tragen. Wie der böſe Feind war er dahinter her, wenn irgendwo in
einem Winkel der Monarchie eine fiscaliſche Servitut abgelöſt wurde;
jeden Thaler aus ſolchem Erlös verlangte er für ſeine Verwaltung, da
ja das geſammte Staatsvermögen für die Staatsſchuld hafte; für jeden
Gehaltsbon der alten ſüdpreußiſchen Beamten forderte er erſt weitere Be-
lege. Einmal wendete ſich das geſammte Staatsminiſterium klagend an
den Kanzler: das Ehrgefühl der Regierungen werde verletzt, wenn ſie den
Befehlen der Staatsſchuldenverwaltung untergeordnet blieben. Harden-
berg aber entſchied: „nicht die Perſonen ſind zu ehren, ſondern das Ver-
trauen des Monarchen, der vor den Augen der ganzen Nation einen
wichtigen Theil der Verwaltung in ihre Hände gelegt hat.“ So in be-
*) Motz, Verwaltungsbericht des Finanzminiſteriums für die Jahre 1825—1827,
30. Mai 1828.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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