trugen, während vordem die Fahrzeuge der deutschen Ostseehäfen nur selten einmal über Bordeaux und Lissabon hinausgelangten; sie eröffnete den Webern des Riesengebirges zuerst den wichtigen Markt der südameri- kanischen Kolonien, und da ihre Matrosen der Militärfreiheit genossen, so erhielt sie dem Lande einen Stamm von erprobten einheimischen See- leuten. Die Schattenseiten dieses Staatsbetriebs zeigten sich erst in einer späteren Zeit, als Rother, seiner Erfolge froh, eine ganze Reihe ver- schiedenartiger landwirthschaftlicher und industrieller Unternehmungen für die Seehandlung erworben hatte.
Während also für die Herstellung des Staatscredits gesorgt wurde, begann auch die Preußische Bank sich von ihrer Zerrüttung langsam zu erholen. Wie glänzend hatte diese Schöpfung Friedrich's des Großen einst dagestanden in dem behaglichen Jahrzehnt nach dem Baseler Frieden. Aber ihre Blüthe war immer nur scheinbar. Unter der gedankenlosen Leitung Schulenburg-Kehnert's hatte die Bank ihren eigentlichen Zweck, die Unter- stützung des Handels durch Vorschüsse und die Beförderung des Geldum- laufs, ganz aus den Augen verloren und sich in eine große Sparkasse verwandelt, welche die Kapitalien der Waisen und milden Stiftungen auf- nahm, um sie an die Grundbesitzer, vornehmlich in den polnischen Landes- theilen auszuleihen. Als Stein kurz vor dem Kriege von 1806 das Finanzministerium übernahm, erkannte er sofort die Gefahr und verbot der Bank, ihr Kapital hypothekarisch festzulegen. Zu spät. Der Krieg brach aus, die polnischen Provinzen standen auf und mit einem Schlage fiel der Credit der Bank zusammen. Dann folgte noch der ruchlose Ge- waltstreich der Bayonner Convention: Napoleon raubte -- dem Art. 25 des Tilsiter Friedens offenbar zuwider -- die auf den polnischen Gütern haftenden Schuldforderungen der öffentlichen Anstalten Preußens und ver- kaufte sie der sächsisch-polnischen Regierung. Die Bank verlor an 10 Mil- lionen, volle zwei Fünftel ihrer gesammten Activmasse, namenloses Elend brach über ihre Gläubiger herein. Jahrelang mußte sie ihre Zinszah- lungen einstellen und ward überdies von der bedrängten Staatsgewalt noch nach 1815 mehrmals zu Vorschüssen genöthigt. Erst am 3. Nov. 1817 wurde die Bank, auf Rother's Rath und gegen Bülow's Wider- spruch, von der Finanzverwaltung abgetrennt und als eine selbständige Creditanstalt unter der Aufsicht des Staatskanzlers und eines Curatoriums neu geordnet. Aber wie hoffnungslos schien die Lage. Die seit der Kata- strophe überaus nachlässig geführten Bücher wiesen einen Ueberschuß von 920,000 Thlr. nach. In Wirklichkeit bestand ein Deficit von 7,192 Mill.; denn die Bank hatte über 26 Mill. Schulden zu verzinsen, und von reichlich 27 Mill. Forderungen mußten, wie sich nach und nach heraus- stellte, 8 Mill. als völlig werthlos abgeschrieben werden, im Augenblicke trugen sogar 151/4 Mill. keinen Zins. Alle Welt erwartete, die nächsten Jahre würden nur zu einer anständigen Liquidation benutzt werden.
III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
trugen, während vordem die Fahrzeuge der deutſchen Oſtſeehäfen nur ſelten einmal über Bordeaux und Liſſabon hinausgelangten; ſie eröffnete den Webern des Rieſengebirges zuerſt den wichtigen Markt der ſüdameri- kaniſchen Kolonien, und da ihre Matroſen der Militärfreiheit genoſſen, ſo erhielt ſie dem Lande einen Stamm von erprobten einheimiſchen See- leuten. Die Schattenſeiten dieſes Staatsbetriebs zeigten ſich erſt in einer ſpäteren Zeit, als Rother, ſeiner Erfolge froh, eine ganze Reihe ver- ſchiedenartiger landwirthſchaftlicher und induſtrieller Unternehmungen für die Seehandlung erworben hatte.
Während alſo für die Herſtellung des Staatscredits geſorgt wurde, begann auch die Preußiſche Bank ſich von ihrer Zerrüttung langſam zu erholen. Wie glänzend hatte dieſe Schöpfung Friedrich’s des Großen einſt dageſtanden in dem behaglichen Jahrzehnt nach dem Baſeler Frieden. Aber ihre Blüthe war immer nur ſcheinbar. Unter der gedankenloſen Leitung Schulenburg-Kehnert’s hatte die Bank ihren eigentlichen Zweck, die Unter- ſtützung des Handels durch Vorſchüſſe und die Beförderung des Geldum- laufs, ganz aus den Augen verloren und ſich in eine große Sparkaſſe verwandelt, welche die Kapitalien der Waiſen und milden Stiftungen auf- nahm, um ſie an die Grundbeſitzer, vornehmlich in den polniſchen Landes- theilen auszuleihen. Als Stein kurz vor dem Kriege von 1806 das Finanzminiſterium übernahm, erkannte er ſofort die Gefahr und verbot der Bank, ihr Kapital hypothekariſch feſtzulegen. Zu ſpät. Der Krieg brach aus, die polniſchen Provinzen ſtanden auf und mit einem Schlage fiel der Credit der Bank zuſammen. Dann folgte noch der ruchloſe Ge- waltſtreich der Bayonner Convention: Napoleon raubte — dem Art. 25 des Tilſiter Friedens offenbar zuwider — die auf den polniſchen Gütern haftenden Schuldforderungen der öffentlichen Anſtalten Preußens und ver- kaufte ſie der ſächſiſch-polniſchen Regierung. Die Bank verlor an 10 Mil- lionen, volle zwei Fünftel ihrer geſammten Activmaſſe, namenloſes Elend brach über ihre Gläubiger herein. Jahrelang mußte ſie ihre Zinszah- lungen einſtellen und ward überdies von der bedrängten Staatsgewalt noch nach 1815 mehrmals zu Vorſchüſſen genöthigt. Erſt am 3. Nov. 1817 wurde die Bank, auf Rother’s Rath und gegen Bülow’s Wider- ſpruch, von der Finanzverwaltung abgetrennt und als eine ſelbſtändige Creditanſtalt unter der Aufſicht des Staatskanzlers und eines Curatoriums neu geordnet. Aber wie hoffnungslos ſchien die Lage. Die ſeit der Kata- ſtrophe überaus nachläſſig geführten Bücher wieſen einen Ueberſchuß von 920,000 Thlr. nach. In Wirklichkeit beſtand ein Deficit von 7,192 Mill.; denn die Bank hatte über 26 Mill. Schulden zu verzinſen, und von reichlich 27 Mill. Forderungen mußten, wie ſich nach und nach heraus- ſtellte, 8 Mill. als völlig werthlos abgeſchrieben werden, im Augenblicke trugen ſogar 15¼ Mill. keinen Zins. Alle Welt erwartete, die nächſten Jahre würden nur zu einer anſtändigen Liquidation benutzt werden.
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den Webern des Rieſengebirges zuerſt den wichtigen Markt der ſüdameri-
kaniſchen Kolonien, und da ihre Matroſen der Militärfreiheit genoſſen,
ſo erhielt ſie dem Lande einen Stamm von erprobten einheimiſchen See-
leuten. Die Schattenſeiten dieſes Staatsbetriebs zeigten ſich erſt in einer
ſpäteren Zeit, als Rother, ſeiner Erfolge froh, eine ganze Reihe ver-
ſchiedenartiger landwirthſchaftlicher und induſtrieller Unternehmungen für
die Seehandlung erworben hatte.
Während alſo für die Herſtellung des Staatscredits geſorgt wurde,
begann auch die Preußiſche Bank ſich von ihrer Zerrüttung langſam zu
erholen. Wie glänzend hatte dieſe Schöpfung Friedrich’s des Großen einſt
dageſtanden in dem behaglichen Jahrzehnt nach dem Baſeler Frieden.
Aber ihre Blüthe war immer nur ſcheinbar. Unter der gedankenloſen Leitung
Schulenburg-Kehnert’s hatte die Bank ihren eigentlichen Zweck, die Unter-
ſtützung des Handels durch Vorſchüſſe und die Beförderung des Geldum-
laufs, ganz aus den Augen verloren und ſich in eine große Sparkaſſe
verwandelt, welche die Kapitalien der Waiſen und milden Stiftungen auf-
nahm, um ſie an die Grundbeſitzer, vornehmlich in den polniſchen Landes-
theilen auszuleihen. Als Stein kurz vor dem Kriege von 1806 das
Finanzminiſterium übernahm, erkannte er ſofort die Gefahr und verbot
der Bank, ihr Kapital hypothekariſch feſtzulegen. Zu ſpät. Der Krieg
brach aus, die polniſchen Provinzen ſtanden auf und mit einem Schlage
fiel der Credit der Bank zuſammen. Dann folgte noch der ruchloſe Ge-
waltſtreich der Bayonner Convention: Napoleon raubte — dem Art. 25
des Tilſiter Friedens offenbar zuwider — die auf den polniſchen Gütern
haftenden Schuldforderungen der öffentlichen Anſtalten Preußens und ver-
kaufte ſie der ſächſiſch-polniſchen Regierung. Die Bank verlor an 10 Mil-
lionen, volle zwei Fünftel ihrer geſammten Activmaſſe, namenloſes Elend
brach über ihre Gläubiger herein. Jahrelang mußte ſie ihre Zinszah-
lungen einſtellen und ward überdies von der bedrängten Staatsgewalt
noch nach 1815 mehrmals zu Vorſchüſſen genöthigt. Erſt am 3. Nov.
1817 wurde die Bank, auf Rother’s Rath und gegen Bülow’s Wider-
ſpruch, von der Finanzverwaltung abgetrennt und als eine ſelbſtändige
Creditanſtalt unter der Aufſicht des Staatskanzlers und eines Curatoriums
neu geordnet. Aber wie hoffnungslos ſchien die Lage. Die ſeit der Kata-
ſtrophe überaus nachläſſig geführten Bücher wieſen einen Ueberſchuß von
920,000 Thlr. nach. In Wirklichkeit beſtand ein Deficit von 7,192 Mill.;
denn die Bank hatte über 26 Mill. Schulden zu verzinſen, und von
reichlich 27 Mill. Forderungen mußten, wie ſich nach und nach heraus-
ſtellte, 8 Mill. als völlig werthlos abgeſchrieben werden, im Augenblicke
trugen ſogar 15¼ Mill. keinen Zins. Alle Welt erwartete, die nächſten
Jahre würden nur zu einer anſtändigen Liquidation benutzt werden.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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