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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Die königlichen Prinzen.
Revolution verabscheuten und den bedrängten oranischen Verwandten
ritterlich beistehen wollten. Wie oft mußte General Witzleben von den
kampflustigen jungen Fürsten heftige Vorwürfe wegen seiner Friedens-
politik hören. Einmal, am Hubertustage 1830, erregten die Prinzen
auch die Entrüstung der aufgeklärten Hauptstadt, als sie beim Jagdmahle
im Schlosse Grunewald jubelnd einen Trinkspruch auf den Sieg der
guten Sache ausbrachten und dann nach russischem Brauche die Gläser
an der Wand zerschmetterten. Immerhin blieb ein Unterschied zwischen
dem naiven legitimistischen Feuereifer der jungen Prinzen Karl und
Albrecht und den allezeit eigenartigen Gedanken ihres ältesten Bruders.
Auch der Kronprinz hoffte auf den Sieg des legitimen Rechtes, er sah
in der Revolution vornehmlich den Abfall vom Glauben und konnte
den Namen der Orleans kaum in den Mund nehmen ohne einen grim-
migen Witz wider Louis Philippeste damne zu schleudern. Seine
alte Verachtung gegen das Vernunftrecht der Liberalen steigerte sich
noch in diesen Jahren, da ihm Lancizolle, ein ehrlicher, durchaus
fanatischer Anhänger der strengen Hallerschen Doctrin, regelmäßig Vorträge
über deutsche Rechtsgeschichte hielt. Als Gans in die Berliner Facultät
eintrat, da verlangte der Kronprinz, daß sein Freund Savigny zuvor eine
öffentliche Ehrenerklärung von dem frechen Lästerer erhalten müsse: "Der
Name Historische Schule (welcher so bezeichnend dasjenige Streben ehren
sollte, was unserer Zeit und unserem Lande in Kirche, Staat
und
Jurisprudenz so vorzüglich noththut) ist von Gans der Verachtung
preisgegeben insoweit solch ein Beginnen möglich ist -- und Vieles ist
möglich in einer Zeit, wo man nur recht unverschämt zu brüllen braucht
um Gesellen zu finden."*) Aber die mecklenburgische Partei war ihm
zu geistlos, der Demagogenverfolger Kamptz zu gehässig; mit Humboldt,
Altenstein und allen feiner gebildeten Männern der Regierung blieb er
auf gutem Fuße, und trotz seiner Heftigkeit kannte er die Pflichten des
Thronfolgers zu genau, um seinen Unwillen über die friedliche Haltung
des Königs durch rücksichtslosen Widerspruch zu bekunden.

Noch weniger war Prinz Wilhelm gesonnen, sich einer Partei dahin-
zugeben. Ruhig und sicher, unaufhaltsam wachsend reifte er für seine
große Zukunft heran. Der Tod seiner zärtlich geliebten Mutter und die
schrecklichen Erfahrungen der napoleonischen Zeiten hatten ihn früh ernst
gestimmt, ihn gewöhnt, seine natürliche Heiterkeit zu beherrschen. An eine
Zeit, da er selbst die Krone tragen könnte, dachte er in jenen Jahren
nicht; seine Hoffnung war, dereinst als Feldherr seines Vaters oder
seines Bruders die Fahnen Preußens zu neuen Siegen zu führen, und
in diesem Waffenhandwerk ward er so bald zum Meister, daß er schon
jetzt für das Vorbild des preußischen Soldaten galt. Sein ganzes Wesen

*) Kronprinz Fr. Wilhelm an Altenstein, 8. Jan. 1829.

Die königlichen Prinzen.
Revolution verabſcheuten und den bedrängten oraniſchen Verwandten
ritterlich beiſtehen wollten. Wie oft mußte General Witzleben von den
kampfluſtigen jungen Fürſten heftige Vorwürfe wegen ſeiner Friedens-
politik hören. Einmal, am Hubertustage 1830, erregten die Prinzen
auch die Entrüſtung der aufgeklärten Hauptſtadt, als ſie beim Jagdmahle
im Schloſſe Grunewald jubelnd einen Trinkſpruch auf den Sieg der
guten Sache ausbrachten und dann nach ruſſiſchem Brauche die Gläſer
an der Wand zerſchmetterten. Immerhin blieb ein Unterſchied zwiſchen
dem naiven legitimiſtiſchen Feuereifer der jungen Prinzen Karl und
Albrecht und den allezeit eigenartigen Gedanken ihres älteſten Bruders.
Auch der Kronprinz hoffte auf den Sieg des legitimen Rechtes, er ſah
in der Revolution vornehmlich den Abfall vom Glauben und konnte
den Namen der Orleans kaum in den Mund nehmen ohne einen grim-
migen Witz wider Louis Philippeste damné zu ſchleudern. Seine
alte Verachtung gegen das Vernunftrecht der Liberalen ſteigerte ſich
noch in dieſen Jahren, da ihm Lancizolle, ein ehrlicher, durchaus
fanatiſcher Anhänger der ſtrengen Hallerſchen Doctrin, regelmäßig Vorträge
über deutſche Rechtsgeſchichte hielt. Als Gans in die Berliner Facultät
eintrat, da verlangte der Kronprinz, daß ſein Freund Savigny zuvor eine
öffentliche Ehrenerklärung von dem frechen Läſterer erhalten müſſe: „Der
Name Hiſtoriſche Schule (welcher ſo bezeichnend dasjenige Streben ehren
ſollte, was unſerer Zeit und unſerem Lande in Kirche, Staat
und
Jurisprudenz ſo vorzüglich noththut) iſt von Gans der Verachtung
preisgegeben inſoweit ſolch ein Beginnen möglich iſt — und Vieles iſt
möglich in einer Zeit, wo man nur recht unverſchämt zu brüllen braucht
um Geſellen zu finden.“*) Aber die mecklenburgiſche Partei war ihm
zu geiſtlos, der Demagogenverfolger Kamptz zu gehäſſig; mit Humboldt,
Altenſtein und allen feiner gebildeten Männern der Regierung blieb er
auf gutem Fuße, und trotz ſeiner Heftigkeit kannte er die Pflichten des
Thronfolgers zu genau, um ſeinen Unwillen über die friedliche Haltung
des Königs durch rückſichtsloſen Widerſpruch zu bekunden.

Noch weniger war Prinz Wilhelm geſonnen, ſich einer Partei dahin-
zugeben. Ruhig und ſicher, unaufhaltſam wachſend reifte er für ſeine
große Zukunft heran. Der Tod ſeiner zärtlich geliebten Mutter und die
ſchrecklichen Erfahrungen der napoleoniſchen Zeiten hatten ihn früh ernſt
geſtimmt, ihn gewöhnt, ſeine natürliche Heiterkeit zu beherrſchen. An eine
Zeit, da er ſelbſt die Krone tragen könnte, dachte er in jenen Jahren
nicht; ſeine Hoffnung war, dereinſt als Feldherr ſeines Vaters oder
ſeines Bruders die Fahnen Preußens zu neuen Siegen zu führen, und
in dieſem Waffenhandwerk ward er ſo bald zum Meiſter, daß er ſchon
jetzt für das Vorbild des preußiſchen Soldaten galt. Sein ganzes Weſen

*) Kronprinz Fr. Wilhelm an Altenſtein, 8. Jan. 1829.
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[197/0211] Die königlichen Prinzen. Revolution verabſcheuten und den bedrängten oraniſchen Verwandten ritterlich beiſtehen wollten. Wie oft mußte General Witzleben von den kampfluſtigen jungen Fürſten heftige Vorwürfe wegen ſeiner Friedens- politik hören. Einmal, am Hubertustage 1830, erregten die Prinzen auch die Entrüſtung der aufgeklärten Hauptſtadt, als ſie beim Jagdmahle im Schloſſe Grunewald jubelnd einen Trinkſpruch auf den Sieg der guten Sache ausbrachten und dann nach ruſſiſchem Brauche die Gläſer an der Wand zerſchmetterten. Immerhin blieb ein Unterſchied zwiſchen dem naiven legitimiſtiſchen Feuereifer der jungen Prinzen Karl und Albrecht und den allezeit eigenartigen Gedanken ihres älteſten Bruders. Auch der Kronprinz hoffte auf den Sieg des legitimen Rechtes, er ſah in der Revolution vornehmlich den Abfall vom Glauben und konnte den Namen der Orleans kaum in den Mund nehmen ohne einen grim- migen Witz wider Louis Philippeste damné zu ſchleudern. Seine alte Verachtung gegen das Vernunftrecht der Liberalen ſteigerte ſich noch in dieſen Jahren, da ihm Lancizolle, ein ehrlicher, durchaus fanatiſcher Anhänger der ſtrengen Hallerſchen Doctrin, regelmäßig Vorträge über deutſche Rechtsgeſchichte hielt. Als Gans in die Berliner Facultät eintrat, da verlangte der Kronprinz, daß ſein Freund Savigny zuvor eine öffentliche Ehrenerklärung von dem frechen Läſterer erhalten müſſe: „Der Name Hiſtoriſche Schule (welcher ſo bezeichnend dasjenige Streben ehren ſollte, was unſerer Zeit und unſerem Lande in Kirche, Staat und Jurisprudenz ſo vorzüglich noththut) iſt von Gans der Verachtung preisgegeben inſoweit ſolch ein Beginnen möglich iſt — und Vieles iſt möglich in einer Zeit, wo man nur recht unverſchämt zu brüllen braucht um Geſellen zu finden.“ *) Aber die mecklenburgiſche Partei war ihm zu geiſtlos, der Demagogenverfolger Kamptz zu gehäſſig; mit Humboldt, Altenſtein und allen feiner gebildeten Männern der Regierung blieb er auf gutem Fuße, und trotz ſeiner Heftigkeit kannte er die Pflichten des Thronfolgers zu genau, um ſeinen Unwillen über die friedliche Haltung des Königs durch rückſichtsloſen Widerſpruch zu bekunden. Noch weniger war Prinz Wilhelm geſonnen, ſich einer Partei dahin- zugeben. Ruhig und ſicher, unaufhaltſam wachſend reifte er für ſeine große Zukunft heran. Der Tod ſeiner zärtlich geliebten Mutter und die ſchrecklichen Erfahrungen der napoleoniſchen Zeiten hatten ihn früh ernſt geſtimmt, ihn gewöhnt, ſeine natürliche Heiterkeit zu beherrſchen. An eine Zeit, da er ſelbſt die Krone tragen könnte, dachte er in jenen Jahren nicht; ſeine Hoffnung war, dereinſt als Feldherr ſeines Vaters oder ſeines Bruders die Fahnen Preußens zu neuen Siegen zu führen, und in dieſem Waffenhandwerk ward er ſo bald zum Meiſter, daß er ſchon jetzt für das Vorbild des preußiſchen Soldaten galt. Sein ganzes Weſen *) Kronprinz Fr. Wilhelm an Altenſtein, 8. Jan. 1829.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/211>, abgerufen am 27.11.2024.