krieges übernehmen, Oesterreich sich mit der bescheidenen Rolle einer Hilfs- macht begnügen.
In Wien empfand man, Angesichts der unsicheren Lage Italiens, die eigene Schwäche so lebhaft, daß man selbst diesen starken Zumuthungen nicht gradehin zu widersprechen wagte. Eine bündige Antwort war freilich auch nicht zu erlangen, und der König entschloß sich daher im Februar 1831, den General Rühle von Lilienstern unmittelbar an die süddeutschen Höfe zu senden. Dort wurde der preußische Unterhändler überall mit offenen Armen aufgenommen. König Ludwig verbarg nicht, daß er der Redlichkeit der Hofburg ebenso sehr mißtraue wie ihrer kriegerischen Macht; er ließ eben jetzt, zum Entsetzen des französischen Gesandten, den bairischen Schützen- marsch, den er einst im Januar 1814 gedichtet, im Theater wieder auf- führen und war gern bereit zum Schlagen, aber nur im engsten Anschluß an Preußen, und also, daß seine Truppen nöthigenfalls ihren Rückzug nach dem Maine, gegen Preußen hin nähmen.*) Auch die Höfe von Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt gingen auf Preußens Vorschläge bereitwillig ein; sie einigten sich sogar über einen gemeinsamen süddeutschen Feldherrn. Im Stillen hatte König Wilhelm von Württemberg auf diese Stellung gehofft. Die preußischen Generale meinten jedoch, daß er wohl ein verständiger und fester Corpsführer, aber kein Feldherr sei und noch weniger fähig Liebe zu gewinnen.**) Da auch die süddeutschen Höfe diese Ansicht theilten, so bezwang der König hochherzig seinen Ehrgeiz und schlug selber vor, daß Wrede, der als Feldmarschall den Vortritt hatte, die Führung über das bairische und über das achte Bundes-Armeecorps zugleich übernehmen sollte.
Es war doch ein schöner Erfolg, daß die alte deutsche Zanksucht jetzt so ganz zurücktrat. Auf das Eifrigste verhandelten die oberländischen Höfe nunmehr über alle Einzelheiten ihres Aufmarsches.***) In heller Freude schrieb Witzleben dem Auswärtigen Amte: "Die süddeutschen Re- gierungen haben uns Vertrauen erwiesen, wir müssen dasselbe largement erwiedern. Der Charakter der preußischen Politik ist Gradheit und Offen- heit, so müssen wir uns daher gegen unsere süddeutschen Brüder aus- sprechen. Das wahre deutsche Interesse wird allemal auch ein preußisches sein. Wünsche, die jenem nicht entgegen sind, werden daher von uns nur unterstützt werden können, und es leidet auch keinen Zweifel, daß man sich darüber mit Oesterreich leicht wird verständigen können."+) General Krauseneck, der den liberalen Ideen nahe stand, trug sich schon mit der kühnen Hoffnung, aus diesen Verabredungen werde vielleicht ein
*) Bericht von Rühle und Küster 7. März. Küster's Berichte, 7. 25. März, 10. April 1831.
**) General Wolzogen an Bernstorff, 14. Oct. 1830.
***) Wrede an Markgraf Wilhelm von Baden, 20. Febr.; Antwort 27. Febr. 1832.
+) Witzleben an Eichhorn, 1. Juli 1831.
IV. 3. Preußens Mittelſtellung.
krieges übernehmen, Oeſterreich ſich mit der beſcheidenen Rolle einer Hilfs- macht begnügen.
In Wien empfand man, Angeſichts der unſicheren Lage Italiens, die eigene Schwäche ſo lebhaft, daß man ſelbſt dieſen ſtarken Zumuthungen nicht gradehin zu widerſprechen wagte. Eine bündige Antwort war freilich auch nicht zu erlangen, und der König entſchloß ſich daher im Februar 1831, den General Rühle von Lilienſtern unmittelbar an die ſüddeutſchen Höfe zu ſenden. Dort wurde der preußiſche Unterhändler überall mit offenen Armen aufgenommen. König Ludwig verbarg nicht, daß er der Redlichkeit der Hofburg ebenſo ſehr mißtraue wie ihrer kriegeriſchen Macht; er ließ eben jetzt, zum Entſetzen des franzöſiſchen Geſandten, den bairiſchen Schützen- marſch, den er einſt im Januar 1814 gedichtet, im Theater wieder auf- führen und war gern bereit zum Schlagen, aber nur im engſten Anſchluß an Preußen, und alſo, daß ſeine Truppen nöthigenfalls ihren Rückzug nach dem Maine, gegen Preußen hin nähmen.*) Auch die Höfe von Stuttgart, Karlsruhe, Darmſtadt gingen auf Preußens Vorſchläge bereitwillig ein; ſie einigten ſich ſogar über einen gemeinſamen ſüddeutſchen Feldherrn. Im Stillen hatte König Wilhelm von Württemberg auf dieſe Stellung gehofft. Die preußiſchen Generale meinten jedoch, daß er wohl ein verſtändiger und feſter Corpsführer, aber kein Feldherr ſei und noch weniger fähig Liebe zu gewinnen.**) Da auch die ſüddeutſchen Höfe dieſe Anſicht theilten, ſo bezwang der König hochherzig ſeinen Ehrgeiz und ſchlug ſelber vor, daß Wrede, der als Feldmarſchall den Vortritt hatte, die Führung über das bairiſche und über das achte Bundes-Armeecorps zugleich übernehmen ſollte.
Es war doch ein ſchöner Erfolg, daß die alte deutſche Zankſucht jetzt ſo ganz zurücktrat. Auf das Eifrigſte verhandelten die oberländiſchen Höfe nunmehr über alle Einzelheiten ihres Aufmarſches.***) In heller Freude ſchrieb Witzleben dem Auswärtigen Amte: „Die ſüddeutſchen Re- gierungen haben uns Vertrauen erwieſen, wir müſſen daſſelbe largement erwiedern. Der Charakter der preußiſchen Politik iſt Gradheit und Offen- heit, ſo müſſen wir uns daher gegen unſere ſüddeutſchen Brüder aus- ſprechen. Das wahre deutſche Intereſſe wird allemal auch ein preußiſches ſein. Wünſche, die jenem nicht entgegen ſind, werden daher von uns nur unterſtützt werden können, und es leidet auch keinen Zweifel, daß man ſich darüber mit Oeſterreich leicht wird verſtändigen können.“†) General Krauſeneck, der den liberalen Ideen nahe ſtand, trug ſich ſchon mit der kühnen Hoffnung, aus dieſen Verabredungen werde vielleicht ein
*) Bericht von Rühle und Küſter 7. März. Küſter’s Berichte, 7. 25. März, 10. April 1831.
**) General Wolzogen an Bernſtorff, 14. Oct. 1830.
***) Wrede an Markgraf Wilhelm von Baden, 20. Febr.; Antwort 27. Febr. 1832.
†) Witzleben an Eichhorn, 1. Juli 1831.
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In Wien empfand man, Angeſichts der unſicheren Lage Italiens,
die eigene Schwäche ſo lebhaft, daß man ſelbſt dieſen ſtarken Zumuthungen
nicht gradehin zu widerſprechen wagte. Eine bündige Antwort war freilich
auch nicht zu erlangen, und der König entſchloß ſich daher im Februar 1831,
den General Rühle von Lilienſtern unmittelbar an die ſüddeutſchen Höfe
zu ſenden. Dort wurde der preußiſche Unterhändler überall mit offenen
Armen aufgenommen. König Ludwig verbarg nicht, daß er der Redlichkeit
der Hofburg ebenſo ſehr mißtraue wie ihrer kriegeriſchen Macht; er ließ eben
jetzt, zum Entſetzen des franzöſiſchen Geſandten, den bairiſchen Schützen-
marſch, den er einſt im Januar 1814 gedichtet, im Theater wieder auf-
führen und war gern bereit zum Schlagen, aber nur im engſten Anſchluß
an Preußen, und alſo, daß ſeine Truppen nöthigenfalls ihren Rückzug nach
dem Maine, gegen Preußen hin nähmen. *) Auch die Höfe von Stuttgart,
Karlsruhe, Darmſtadt gingen auf Preußens Vorſchläge bereitwillig ein;
ſie einigten ſich ſogar über einen gemeinſamen ſüddeutſchen Feldherrn.
Im Stillen hatte König Wilhelm von Württemberg auf dieſe Stellung
gehofft. Die preußiſchen Generale meinten jedoch, daß er wohl ein
verſtändiger und feſter Corpsführer, aber kein Feldherr ſei und noch
weniger fähig Liebe zu gewinnen. **) Da auch die ſüddeutſchen Höfe dieſe
Anſicht theilten, ſo bezwang der König hochherzig ſeinen Ehrgeiz und
ſchlug ſelber vor, daß Wrede, der als Feldmarſchall den Vortritt hatte,
die Führung über das bairiſche und über das achte Bundes-Armeecorps
zugleich übernehmen ſollte.
Es war doch ein ſchöner Erfolg, daß die alte deutſche Zankſucht jetzt
ſo ganz zurücktrat. Auf das Eifrigſte verhandelten die oberländiſchen
Höfe nunmehr über alle Einzelheiten ihres Aufmarſches. ***) In heller
Freude ſchrieb Witzleben dem Auswärtigen Amte: „Die ſüddeutſchen Re-
gierungen haben uns Vertrauen erwieſen, wir müſſen daſſelbe largement
erwiedern. Der Charakter der preußiſchen Politik iſt Gradheit und Offen-
heit, ſo müſſen wir uns daher gegen unſere ſüddeutſchen Brüder aus-
ſprechen. Das wahre deutſche Intereſſe wird allemal auch ein preußiſches
ſein. Wünſche, die jenem nicht entgegen ſind, werden daher von uns
nur unterſtützt werden können, und es leidet auch keinen Zweifel, daß
man ſich darüber mit Oeſterreich leicht wird verſtändigen können.“ †)
General Krauſeneck, der den liberalen Ideen nahe ſtand, trug ſich ſchon
mit der kühnen Hoffnung, aus dieſen Verabredungen werde vielleicht ein
*) Bericht von Rühle und Küſter 7. März. Küſter’s Berichte, 7. 25. März,
10. April 1831.
**) General Wolzogen an Bernſtorff, 14. Oct. 1830.
***) Wrede an Markgraf Wilhelm von Baden, 20. Febr.; Antwort 27. Febr. 1832.
†) Witzleben an Eichhorn, 1. Juli 1831.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/230>, abgerufen am 26.11.2024.
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