Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.Bernstorff's Bundespolitik. fassungen". Indessen war er mit nichten gemeint den Bundestag zuvölliger Unthätigkeit zu verdammen; er erkannte vielmehr, daß man mit den gehässigen Zeitungsverboten sich nicht begnügen, sondern endlich das so oft verheißene definitive Bundespreßgesetz gewähren müsse. Darum ließ er durch Eichhorn den Entwurf eines preußischen Preßgesetzes ausarbeiten, der allerdings nicht allen Wünschen der Liberalen genug that, aber große Erleichterungen gewährte: wissenschaftliche Werke sollten fortan gänzlich frei sein, die Censur nur für politische Zeitungen fortbestehen und der Aufsicht eines unabhängigen, aus Mitgliedern der Akademie und hohen Beamten gebildeten Ober-Censurcollegiums unterworfen werden.*) Diese preußische Reform sollte dann die Grundlage für ein neues Bundes- preßgesetz bilden, und die Gesandtschaften erhielten den Auftrag, sich darüber zunächst mit den süddeutschen Höfen zu verständigen. Auch die Frage der Oeffentlichkeit der Bundesverhandlungen hatte Bernstorff schon seit dem Jahre 1829 ernstlich ins Auge gefaßt. Daß die Bundesprotokolle gar nicht mehr kundgemacht wurden, widersprach den Absichten des preußischen Hofes durchaus. Man wünschte in Berlin, zwar die schwebenden Verhandlungen vor jeder Einmischung der Tagesblätter sicherzustellen, aber keineswegs die ernste Wissenschaft von jeder Kenntniß der Bundesverhandlungen ab- zusperren, und schlug daher vor, daß die Bundesprotokolle, mit wenigen Ausnahmen, jedesmal bei Beginn der Ferien in einem Bande veröffentlicht werden sollten. Ueber diesen Vorschlag wurde schon seit Jahren in Frank- furt vertraulich unterhandelt. Münch aber wußte durch sein alterprobtes Hausmittel Alles zu vereiteln; er erklärte beständig, daß er erst aus Wien Instruktionen einholen müsse, und Metternich's Weisungen trafen niemals ein. Mit solchen Plänen bedachtsamer Zugeständnisse trug sich der preußische *) Frankenberg's Bericht, 4. Febr. 1832. **) Vgl. oben IV. 79.
Bernſtorff’s Bundespolitik. faſſungen“. Indeſſen war er mit nichten gemeint den Bundestag zuvölliger Unthätigkeit zu verdammen; er erkannte vielmehr, daß man mit den gehäſſigen Zeitungsverboten ſich nicht begnügen, ſondern endlich das ſo oft verheißene definitive Bundespreßgeſetz gewähren müſſe. Darum ließ er durch Eichhorn den Entwurf eines preußiſchen Preßgeſetzes ausarbeiten, der allerdings nicht allen Wünſchen der Liberalen genug that, aber große Erleichterungen gewährte: wiſſenſchaftliche Werke ſollten fortan gänzlich frei ſein, die Cenſur nur für politiſche Zeitungen fortbeſtehen und der Aufſicht eines unabhängigen, aus Mitgliedern der Akademie und hohen Beamten gebildeten Ober-Cenſurcollegiums unterworfen werden.*) Dieſe preußiſche Reform ſollte dann die Grundlage für ein neues Bundes- preßgeſetz bilden, und die Geſandtſchaften erhielten den Auftrag, ſich darüber zunächſt mit den ſüddeutſchen Höfen zu verſtändigen. Auch die Frage der Oeffentlichkeit der Bundesverhandlungen hatte Bernſtorff ſchon ſeit dem Jahre 1829 ernſtlich ins Auge gefaßt. Daß die Bundesprotokolle gar nicht mehr kundgemacht wurden, widerſprach den Abſichten des preußiſchen Hofes durchaus. Man wünſchte in Berlin, zwar die ſchwebenden Verhandlungen vor jeder Einmiſchung der Tagesblätter ſicherzuſtellen, aber keineswegs die ernſte Wiſſenſchaft von jeder Kenntniß der Bundesverhandlungen ab- zuſperren, und ſchlug daher vor, daß die Bundesprotokolle, mit wenigen Ausnahmen, jedesmal bei Beginn der Ferien in einem Bande veröffentlicht werden ſollten. Ueber dieſen Vorſchlag wurde ſchon ſeit Jahren in Frank- furt vertraulich unterhandelt. Münch aber wußte durch ſein alterprobtes Hausmittel Alles zu vereiteln; er erklärte beſtändig, daß er erſt aus Wien Inſtruktionen einholen müſſe, und Metternich’s Weiſungen trafen niemals ein. Mit ſolchen Plänen bedachtſamer Zugeſtändniſſe trug ſich der preußiſche *) Frankenberg’s Bericht, 4. Febr. 1832. **) Vgl. oben IV. 79.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0283" n="269"/><fw place="top" type="header">Bernſtorff’s Bundespolitik.</fw><lb/> faſſungen“. Indeſſen war er mit nichten gemeint den Bundestag zu<lb/> völliger Unthätigkeit zu verdammen; er erkannte vielmehr, daß man mit<lb/> den gehäſſigen Zeitungsverboten ſich nicht begnügen, ſondern endlich das<lb/> ſo oft verheißene definitive Bundespreßgeſetz gewähren müſſe. Darum ließ<lb/> er durch Eichhorn den Entwurf eines preußiſchen Preßgeſetzes ausarbeiten,<lb/> der allerdings nicht allen Wünſchen der Liberalen genug that, aber große<lb/> Erleichterungen gewährte: wiſſenſchaftliche Werke ſollten fortan gänzlich<lb/> frei ſein, die Cenſur nur für politiſche Zeitungen fortbeſtehen und der<lb/> Aufſicht eines unabhängigen, aus Mitgliedern der Akademie und hohen<lb/> Beamten gebildeten Ober-Cenſurcollegiums unterworfen werden.<note place="foot" n="*)">Frankenberg’s Bericht, 4. Febr. 1832.</note> Dieſe<lb/> preußiſche Reform ſollte dann die Grundlage für ein neues Bundes-<lb/> preßgeſetz bilden, und die Geſandtſchaften erhielten den Auftrag, ſich darüber<lb/> zunächſt mit den ſüddeutſchen Höfen zu verſtändigen. Auch die Frage der<lb/> Oeffentlichkeit der Bundesverhandlungen hatte Bernſtorff ſchon ſeit dem<lb/> Jahre 1829 ernſtlich ins Auge gefaßt. Daß die Bundesprotokolle gar nicht<lb/> mehr kundgemacht wurden, widerſprach den Abſichten des preußiſchen Hofes<lb/> durchaus. Man wünſchte in Berlin, zwar die ſchwebenden Verhandlungen<lb/> vor jeder Einmiſchung der Tagesblätter ſicherzuſtellen, aber keineswegs<lb/> die ernſte Wiſſenſchaft von jeder Kenntniß der Bundesverhandlungen ab-<lb/> zuſperren, und ſchlug daher vor, daß die Bundesprotokolle, mit wenigen<lb/> Ausnahmen, jedesmal bei Beginn der Ferien in einem Bande veröffentlicht<lb/> werden ſollten. Ueber dieſen Vorſchlag wurde ſchon ſeit Jahren in Frank-<lb/> furt vertraulich unterhandelt. Münch aber wußte durch ſein alterprobtes<lb/> Hausmittel Alles zu vereiteln; er erklärte beſtändig, daß er erſt aus<lb/> Wien Inſtruktionen einholen müſſe, und Metternich’s Weiſungen trafen<lb/> niemals ein.</p><lb/> <p>Mit ſolchen Plänen bedachtſamer Zugeſtändniſſe trug ſich der preußiſche<lb/> Miniſter, als ihn der Wiener Hof im September 1831 zu vertraulichen<lb/> Beſprechungen über Deutſchlands bedrängte Lage auffordern ließ. Seit<lb/> dem Falle von Warſchau begann Metternich aufathmend ſich zu neuer<lb/> Thätigkeit zu ermannen. Den ganzen Winter über wechſelte er mit den<lb/> Geſandten der beiden anderen Oſtmächte Denkſchriften über das gemeinſame<lb/> Syſtem, das man fortan gegen die Revolution einhalten wolle, und be-<lb/> zeichnete dieſen wenig fruchtbaren Gedankenaustauſch mit dem hochtraben-<lb/> den Namen „Verhandlungen der Wiener Conferenz“, damit Wien doch<lb/> wieder als der Mittelpunkt der conſervativen europäiſchen Politik erſchiene.<note place="foot" n="**)">Vgl. oben <hi rendition="#aq">IV.</hi> 79.</note><lb/> Ueber die Bändigung der deutſchen Revolution berieth ſich Metternich mit<lb/> dem preußiſchen Geſandten Frhr. v. Maltzahn allein; denn Neſſelrode<lb/> verſtand die Form zu wahren und ſchärfte dem Geſandten Tatiſtſchew<lb/> ein: wohl ſei es dringend nöthig den kleinen deutſchen Regierungen zu<lb/> Hilfe zu kommen, aber hier gebühre der Vortritt den deutſchen Groß-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0283]
Bernſtorff’s Bundespolitik.
faſſungen“. Indeſſen war er mit nichten gemeint den Bundestag zu
völliger Unthätigkeit zu verdammen; er erkannte vielmehr, daß man mit
den gehäſſigen Zeitungsverboten ſich nicht begnügen, ſondern endlich das
ſo oft verheißene definitive Bundespreßgeſetz gewähren müſſe. Darum ließ
er durch Eichhorn den Entwurf eines preußiſchen Preßgeſetzes ausarbeiten,
der allerdings nicht allen Wünſchen der Liberalen genug that, aber große
Erleichterungen gewährte: wiſſenſchaftliche Werke ſollten fortan gänzlich
frei ſein, die Cenſur nur für politiſche Zeitungen fortbeſtehen und der
Aufſicht eines unabhängigen, aus Mitgliedern der Akademie und hohen
Beamten gebildeten Ober-Cenſurcollegiums unterworfen werden. *) Dieſe
preußiſche Reform ſollte dann die Grundlage für ein neues Bundes-
preßgeſetz bilden, und die Geſandtſchaften erhielten den Auftrag, ſich darüber
zunächſt mit den ſüddeutſchen Höfen zu verſtändigen. Auch die Frage der
Oeffentlichkeit der Bundesverhandlungen hatte Bernſtorff ſchon ſeit dem
Jahre 1829 ernſtlich ins Auge gefaßt. Daß die Bundesprotokolle gar nicht
mehr kundgemacht wurden, widerſprach den Abſichten des preußiſchen Hofes
durchaus. Man wünſchte in Berlin, zwar die ſchwebenden Verhandlungen
vor jeder Einmiſchung der Tagesblätter ſicherzuſtellen, aber keineswegs
die ernſte Wiſſenſchaft von jeder Kenntniß der Bundesverhandlungen ab-
zuſperren, und ſchlug daher vor, daß die Bundesprotokolle, mit wenigen
Ausnahmen, jedesmal bei Beginn der Ferien in einem Bande veröffentlicht
werden ſollten. Ueber dieſen Vorſchlag wurde ſchon ſeit Jahren in Frank-
furt vertraulich unterhandelt. Münch aber wußte durch ſein alterprobtes
Hausmittel Alles zu vereiteln; er erklärte beſtändig, daß er erſt aus
Wien Inſtruktionen einholen müſſe, und Metternich’s Weiſungen trafen
niemals ein.
Mit ſolchen Plänen bedachtſamer Zugeſtändniſſe trug ſich der preußiſche
Miniſter, als ihn der Wiener Hof im September 1831 zu vertraulichen
Beſprechungen über Deutſchlands bedrängte Lage auffordern ließ. Seit
dem Falle von Warſchau begann Metternich aufathmend ſich zu neuer
Thätigkeit zu ermannen. Den ganzen Winter über wechſelte er mit den
Geſandten der beiden anderen Oſtmächte Denkſchriften über das gemeinſame
Syſtem, das man fortan gegen die Revolution einhalten wolle, und be-
zeichnete dieſen wenig fruchtbaren Gedankenaustauſch mit dem hochtraben-
den Namen „Verhandlungen der Wiener Conferenz“, damit Wien doch
wieder als der Mittelpunkt der conſervativen europäiſchen Politik erſchiene. **)
Ueber die Bändigung der deutſchen Revolution berieth ſich Metternich mit
dem preußiſchen Geſandten Frhr. v. Maltzahn allein; denn Neſſelrode
verſtand die Form zu wahren und ſchärfte dem Geſandten Tatiſtſchew
ein: wohl ſei es dringend nöthig den kleinen deutſchen Regierungen zu
Hilfe zu kommen, aber hier gebühre der Vortritt den deutſchen Groß-
*) Frankenberg’s Bericht, 4. Febr. 1832.
**) Vgl. oben IV. 79.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |