Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.IV. 8. Stille Jahre. er nicht nach Spanien zu senden, weil er weder die Ostmächte reizen, nochdiesen willkommenen Bürgerkrieg verkürzen wollte. Aber Englands Schiffe blokirten den Meerbusen von Biscaya, sie unterstützten gelegentlich die Truppen der Regentin in den Kämpfen gegen die Heerhaufen der Basken und lieferten zuweilen eine Schaar wehrloser carlistischer Gefangener zur Niedermetzelung an die Cristinos aus. Das Verbot der ausländischen Werbungen wurde außer Kraft gesetzt und eine sogenannte spanische Legion gebildet, welche den Cristinos ganz ebenso zu Hilfe kommen sollte, wie einst Canning die südamerikanischen Republiken unter der Hand durch englische Freiwillige unterstützt hatte. Ihr Offizierscorps bestand aus vor- nehmen Abenteurern und vereinzelten liberalen Enthusiasten, ihre Mann- schaft aus dem Auswurfe des Pöbels von London, Glasgow, Manchester; Palmerston aber rühmte sie im Parlamente als eine Schaar von hochsinnigen Männern, welche nicht durch die Aussicht auf Gewinn, sondern durch eine ehrenwerthe Begeisterung für die constitutionelle Sache angetrieben würden. In den rothen Röcken des königlichen Heeres, durch englische Drill-Sergean- ten geschult, mit englischen Fahnen und Tower-Gewehren ausgerüstet, segelten diese Leute nach dem Baskenlande, wo sie von den ergrimmten Carlisten, nach mannichfachen Wechselfällen, schließlich fast allesammt nieder- gehauen wurden. Währenddem versicherte der Minister beharrlich, das britische Heer nehme an dem spanischen Kriege durchaus keinen Antheil. Wellington aber warnte im Oberhause tief empört: "England darf seine Ehre nicht beflecken." Zu spät; sie war schon befleckt. Die britischen Soldatengräber an den Felsabhängen der Mota, der meerumbrandeten Hafenfeste von S. Sebastian, verkündeten weithin Englands Schande. Doch die Schande war ein gutes Geschäft. Durch diesen verhüllten IV. 8. Stille Jahre. er nicht nach Spanien zu ſenden, weil er weder die Oſtmächte reizen, nochdieſen willkommenen Bürgerkrieg verkürzen wollte. Aber Englands Schiffe blokirten den Meerbuſen von Biscaya, ſie unterſtützten gelegentlich die Truppen der Regentin in den Kämpfen gegen die Heerhaufen der Basken und lieferten zuweilen eine Schaar wehrloſer carliſtiſcher Gefangener zur Niedermetzelung an die Criſtinos aus. Das Verbot der ausländiſchen Werbungen wurde außer Kraft geſetzt und eine ſogenannte ſpaniſche Legion gebildet, welche den Criſtinos ganz ebenſo zu Hilfe kommen ſollte, wie einſt Canning die ſüdamerikaniſchen Republiken unter der Hand durch engliſche Freiwillige unterſtützt hatte. Ihr Offizierscorps beſtand aus vor- nehmen Abenteurern und vereinzelten liberalen Enthuſiaſten, ihre Mann- ſchaft aus dem Auswurfe des Pöbels von London, Glasgow, Mancheſter; Palmerſton aber rühmte ſie im Parlamente als eine Schaar von hochſinnigen Männern, welche nicht durch die Ausſicht auf Gewinn, ſondern durch eine ehrenwerthe Begeiſterung für die conſtitutionelle Sache angetrieben würden. In den rothen Röcken des königlichen Heeres, durch engliſche Drill-Sergean- ten geſchult, mit engliſchen Fahnen und Tower-Gewehren ausgerüſtet, ſegelten dieſe Leute nach dem Baskenlande, wo ſie von den ergrimmten Carliſten, nach mannichfachen Wechſelfällen, ſchließlich faſt alleſammt nieder- gehauen wurden. Währenddem verſicherte der Miniſter beharrlich, das britiſche Heer nehme an dem ſpaniſchen Kriege durchaus keinen Antheil. Wellington aber warnte im Oberhauſe tief empört: „England darf ſeine Ehre nicht beflecken.“ Zu ſpät; ſie war ſchon befleckt. Die britiſchen Soldatengräber an den Felsabhängen der Mota, der meerumbrandeten Hafenfeſte von S. Sebaſtian, verkündeten weithin Englands Schande. Doch die Schande war ein gutes Geſchäft. Durch dieſen verhüllten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0520" n="506"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi> 8. Stille Jahre.</fw><lb/> er nicht nach Spanien zu ſenden, weil er weder die Oſtmächte reizen, noch<lb/> dieſen willkommenen Bürgerkrieg verkürzen wollte. Aber Englands Schiffe<lb/> blokirten den Meerbuſen von Biscaya, ſie unterſtützten gelegentlich die<lb/> Truppen der Regentin in den Kämpfen gegen die Heerhaufen der Basken<lb/> und lieferten zuweilen eine Schaar wehrloſer carliſtiſcher Gefangener zur<lb/> Niedermetzelung an die Criſtinos aus. 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IV. 8. Stille Jahre.
er nicht nach Spanien zu ſenden, weil er weder die Oſtmächte reizen, noch
dieſen willkommenen Bürgerkrieg verkürzen wollte. Aber Englands Schiffe
blokirten den Meerbuſen von Biscaya, ſie unterſtützten gelegentlich die
Truppen der Regentin in den Kämpfen gegen die Heerhaufen der Basken
und lieferten zuweilen eine Schaar wehrloſer carliſtiſcher Gefangener zur
Niedermetzelung an die Criſtinos aus. Das Verbot der ausländiſchen
Werbungen wurde außer Kraft geſetzt und eine ſogenannte ſpaniſche Legion
gebildet, welche den Criſtinos ganz ebenſo zu Hilfe kommen ſollte, wie
einſt Canning die ſüdamerikaniſchen Republiken unter der Hand durch
engliſche Freiwillige unterſtützt hatte. Ihr Offizierscorps beſtand aus vor-
nehmen Abenteurern und vereinzelten liberalen Enthuſiaſten, ihre Mann-
ſchaft aus dem Auswurfe des Pöbels von London, Glasgow, Mancheſter;
Palmerſton aber rühmte ſie im Parlamente als eine Schaar von hochſinnigen
Männern, welche nicht durch die Ausſicht auf Gewinn, ſondern durch eine
ehrenwerthe Begeiſterung für die conſtitutionelle Sache angetrieben würden.
In den rothen Röcken des königlichen Heeres, durch engliſche Drill-Sergean-
ten geſchult, mit engliſchen Fahnen und Tower-Gewehren ausgerüſtet,
ſegelten dieſe Leute nach dem Baskenlande, wo ſie von den ergrimmten
Carliſten, nach mannichfachen Wechſelfällen, ſchließlich faſt alleſammt nieder-
gehauen wurden. Währenddem verſicherte der Miniſter beharrlich, das
britiſche Heer nehme an dem ſpaniſchen Kriege durchaus keinen Antheil.
Wellington aber warnte im Oberhauſe tief empört: „England darf ſeine
Ehre nicht beflecken.“ Zu ſpät; ſie war ſchon befleckt. Die britiſchen
Soldatengräber an den Felsabhängen der Mota, der meerumbrandeten
Hafenfeſte von S. Sebaſtian, verkündeten weithin Englands Schande.
Doch die Schande war ein gutes Geſchäft. Durch dieſen verhüllten
Krieg, durch Waffenlieferungen und geheime Unterſtützungen feſſelte Pal-
merſton die Regentin an ſich, und ſie gewährte ihm mehrmals vortheil-
hafte Handelsverträge, zum Schaden der jungen catalaniſchen Induſtrie.
In der Regel begünſtigte er die Exaltados, Mendizabal vornehmlich war
ihm ganz ergeben; denn je ſchärfer ſich die Gegenſätze zuſpitzten, um ſo
länger mußte dieſer einträgliche Bürgerkrieg währen. Im Parlamente
ward ſeine Sprache immer übermüthiger, zuletzt rein demagogiſch. Er er-
klärte offen, ſchon ſeines Handels wegen müſſe England die Königin Iſa-
bella begünſtigen; er nannte Don Carlos „einen bloßen Prätendenten, der
einen Thron verlange, auf dem er nie geſeſſen“, und die Londoner Börſe,
die in den fragwürdigen Staatspapieren der Königin-Regentin glänzende
Geſchäfte machte, betrachtete den freiſinnigen Lord mit herzlichem Wohl-
gefallen. Dem uneingeweihten Theile des Unterhauſes ſuchte er den
dynaſtiſchen Zank der beiden gleich erbärmlichen Bourbonenhäuſer als
einen großen Principienkrieg darzuſtellen, und ſagte am 19. April 1837
geradezu: „Es iſt unerläßlich, daß in jedem Staate die Macht beſtehe, im
Nothfalle das Staatsoberhaupt zu wechſeln. Auf dieſes Princip wurde
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