Hauses Holstein-Gottorp hatte er aber auch bei diesen legitimistischen Kraft- reden seine Hintergedanken. Die Schirmherrschaft über den Sultan, die sich Rußland durch die Verträge von Adrianopel und Hunkiar-Iskelessi errungen hatte, gerieth schon ins Wanken; die englische Diplomatie gewann am Bosporus wieder Boden, und der Czar wollte den gefährlichsten Gegner seiner orientalischen Pläne nicht ohne Noth aufreizen. Deshalb berührte er die spanischen Händel nur ungern, und Metternich konnte gar nicht begreifen, warum Nikolaus das britische Cabinet, "die schlechteste aller schlechten Regierungen" so rücksichtsvoll, ja zärtlich behandelte.*)
Unter solchen Umständen vermochte Don Carlos nicht einmal eine erhebliche Geldunterstützung von den drei Monarchen zu erlangen. Die Liberalen freilich glaubten steif und fest, daß der Krieg der Carlisten wesent- lich mit dem Gelde der Ostmächte geführt würde; zumal die Oesterreicher erzählten sich Wunderdinge von den ungeheuren Summen, die alljährlich nach den Pyrenäen abströmen sollten. Nichts konnte irriger sein. Selbst König Friedrich Wilhelm, der streng carlistisch gesinnt und über die Lau- heit seines Schwiegersohnes sehr ungehalten war, weigerte sich entschieden, die Bürgschaft für eine carlistische Anleihe zu übernehmen, wie der alte französische Legitimist Blacas ihm vorschlug; so offen sollte sein Staat nicht Partei nehmen.**) Erst nach langem Bitten erklärte er sich zu einer Baarzahlung bereit, die allenfalls als ein Almosen oder als ein Beweis persönlicher Freundschaft betrachtet werden konnte. Auf seinen Befehl mußte die Seehandlung in tiefem Geheimniß nach und nach insgesammt 473,624 Thlr. 8 Sgr. "zu einem besonderen Zweck" unverzinslich vor- schießen; die Gelder gingen, zum Theil durch Metternich's Vermittlung, als Geschenk an Don Carlos ab und wurden nachher aus dem Staats- schatz ersetzt.***) Die Summe war sehr hoch für einen knappen Staats- haushalt, der mit 51 Mill. jährlich seine regelmäßigen Ausgaben bestreiten sollte, aber lächerlich gering als Beihilfe zu einem siebenjährigen Kriege, welcher sogar die Juwelenschätze der spanischen Klöster erschöpfte. Nachher zahlten auch die Hofburg und, nach langem Sträuben, selbst Czar Niko- laus, aber Beide gaben nur etwa ebenso viel wie der König von Preußen, so daß die gesammten Spenden der drei Höfe sich auf 4 Mill. Franken belaufen mochten. Dabei blieb es. Größere Zahlungen erlaubte der Zustand der preußischen Finanzen nicht mehr, und kleine Summen wollte man nicht geben, weil man jetzt schon aus schmerzlicher Erfahrung wußte, daß diese regelmäßig in den Taschen der carlistischen Granden verschwan- den. Nach der Niederlage der Carlisten wurde in der Berliner vornehmen Welt noch einmal für die Trümmer des geschlagenen Heeres gesammelt;
*) Maltzan's Bericht, 26. Dec. 1835.
**) Lottum, im Namen des Königs, an Ancillon, 23. April 1834.
***) Cabinetsordres an Rother, 25. Nov. 1836, an Lottum, 11. Aug. 1838. Rother an Lottum, 5. März 1838.
Die Oſtmächte und Don Carlos.
Hauſes Holſtein-Gottorp hatte er aber auch bei dieſen legitimiſtiſchen Kraft- reden ſeine Hintergedanken. Die Schirmherrſchaft über den Sultan, die ſich Rußland durch die Verträge von Adrianopel und Hunkiar-Iskeleſſi errungen hatte, gerieth ſchon ins Wanken; die engliſche Diplomatie gewann am Bosporus wieder Boden, und der Czar wollte den gefährlichſten Gegner ſeiner orientaliſchen Pläne nicht ohne Noth aufreizen. Deshalb berührte er die ſpaniſchen Händel nur ungern, und Metternich konnte gar nicht begreifen, warum Nikolaus das britiſche Cabinet, „die ſchlechteſte aller ſchlechten Regierungen“ ſo rückſichtsvoll, ja zärtlich behandelte.*)
Unter ſolchen Umſtänden vermochte Don Carlos nicht einmal eine erhebliche Geldunterſtützung von den drei Monarchen zu erlangen. Die Liberalen freilich glaubten ſteif und feſt, daß der Krieg der Carliſten weſent- lich mit dem Gelde der Oſtmächte geführt würde; zumal die Oeſterreicher erzählten ſich Wunderdinge von den ungeheuren Summen, die alljährlich nach den Pyrenäen abſtrömen ſollten. Nichts konnte irriger ſein. Selbſt König Friedrich Wilhelm, der ſtreng carliſtiſch geſinnt und über die Lau- heit ſeines Schwiegerſohnes ſehr ungehalten war, weigerte ſich entſchieden, die Bürgſchaft für eine carliſtiſche Anleihe zu übernehmen, wie der alte franzöſiſche Legitimiſt Blacas ihm vorſchlug; ſo offen ſollte ſein Staat nicht Partei nehmen.**) Erſt nach langem Bitten erklärte er ſich zu einer Baarzahlung bereit, die allenfalls als ein Almoſen oder als ein Beweis perſönlicher Freundſchaft betrachtet werden konnte. Auf ſeinen Befehl mußte die Seehandlung in tiefem Geheimniß nach und nach insgeſammt 473,624 Thlr. 8 Sgr. „zu einem beſonderen Zweck“ unverzinslich vor- ſchießen; die Gelder gingen, zum Theil durch Metternich’s Vermittlung, als Geſchenk an Don Carlos ab und wurden nachher aus dem Staats- ſchatz erſetzt.***) Die Summe war ſehr hoch für einen knappen Staats- haushalt, der mit 51 Mill. jährlich ſeine regelmäßigen Ausgaben beſtreiten ſollte, aber lächerlich gering als Beihilfe zu einem ſiebenjährigen Kriege, welcher ſogar die Juwelenſchätze der ſpaniſchen Klöſter erſchöpfte. Nachher zahlten auch die Hofburg und, nach langem Sträuben, ſelbſt Czar Niko- laus, aber Beide gaben nur etwa ebenſo viel wie der König von Preußen, ſo daß die geſammten Spenden der drei Höfe ſich auf 4 Mill. Franken belaufen mochten. Dabei blieb es. Größere Zahlungen erlaubte der Zuſtand der preußiſchen Finanzen nicht mehr, und kleine Summen wollte man nicht geben, weil man jetzt ſchon aus ſchmerzlicher Erfahrung wußte, daß dieſe regelmäßig in den Taſchen der carliſtiſchen Granden verſchwan- den. Nach der Niederlage der Carliſten wurde in der Berliner vornehmen Welt noch einmal für die Trümmer des geſchlagenen Heeres geſammelt;
*) Maltzan’s Bericht, 26. Dec. 1835.
**) Lottum, im Namen des Königs, an Ancillon, 23. April 1834.
***) Cabinetsordres an Rother, 25. Nov. 1836, an Lottum, 11. Aug. 1838. Rother an Lottum, 5. März 1838.
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Die Oſtmächte und Don Carlos.
Hauſes Holſtein-Gottorp hatte er aber auch bei dieſen legitimiſtiſchen Kraft-
reden ſeine Hintergedanken. Die Schirmherrſchaft über den Sultan, die
ſich Rußland durch die Verträge von Adrianopel und Hunkiar-Iskeleſſi
errungen hatte, gerieth ſchon ins Wanken; die engliſche Diplomatie gewann
am Bosporus wieder Boden, und der Czar wollte den gefährlichſten Gegner
ſeiner orientaliſchen Pläne nicht ohne Noth aufreizen. Deshalb berührte
er die ſpaniſchen Händel nur ungern, und Metternich konnte gar nicht
begreifen, warum Nikolaus das britiſche Cabinet, „die ſchlechteſte aller
ſchlechten Regierungen“ ſo rückſichtsvoll, ja zärtlich behandelte. *)
Unter ſolchen Umſtänden vermochte Don Carlos nicht einmal eine
erhebliche Geldunterſtützung von den drei Monarchen zu erlangen. Die
Liberalen freilich glaubten ſteif und feſt, daß der Krieg der Carliſten weſent-
lich mit dem Gelde der Oſtmächte geführt würde; zumal die Oeſterreicher
erzählten ſich Wunderdinge von den ungeheuren Summen, die alljährlich
nach den Pyrenäen abſtrömen ſollten. Nichts konnte irriger ſein. Selbſt
König Friedrich Wilhelm, der ſtreng carliſtiſch geſinnt und über die Lau-
heit ſeines Schwiegerſohnes ſehr ungehalten war, weigerte ſich entſchieden,
die Bürgſchaft für eine carliſtiſche Anleihe zu übernehmen, wie der alte
franzöſiſche Legitimiſt Blacas ihm vorſchlug; ſo offen ſollte ſein Staat
nicht Partei nehmen. **) Erſt nach langem Bitten erklärte er ſich zu einer
Baarzahlung bereit, die allenfalls als ein Almoſen oder als ein Beweis
perſönlicher Freundſchaft betrachtet werden konnte. Auf ſeinen Befehl
mußte die Seehandlung in tiefem Geheimniß nach und nach insgeſammt
473,624 Thlr. 8 Sgr. „zu einem beſonderen Zweck“ unverzinslich vor-
ſchießen; die Gelder gingen, zum Theil durch Metternich’s Vermittlung,
als Geſchenk an Don Carlos ab und wurden nachher aus dem Staats-
ſchatz erſetzt. ***) Die Summe war ſehr hoch für einen knappen Staats-
haushalt, der mit 51 Mill. jährlich ſeine regelmäßigen Ausgaben beſtreiten
ſollte, aber lächerlich gering als Beihilfe zu einem ſiebenjährigen Kriege,
welcher ſogar die Juwelenſchätze der ſpaniſchen Klöſter erſchöpfte. Nachher
zahlten auch die Hofburg und, nach langem Sträuben, ſelbſt Czar Niko-
laus, aber Beide gaben nur etwa ebenſo viel wie der König von Preußen,
ſo daß die geſammten Spenden der drei Höfe ſich auf 4 Mill. Franken
belaufen mochten. Dabei blieb es. Größere Zahlungen erlaubte der
Zuſtand der preußiſchen Finanzen nicht mehr, und kleine Summen wollte
man nicht geben, weil man jetzt ſchon aus ſchmerzlicher Erfahrung wußte,
daß dieſe regelmäßig in den Taſchen der carliſtiſchen Granden verſchwan-
den. Nach der Niederlage der Carliſten wurde in der Berliner vornehmen
Welt noch einmal für die Trümmer des geſchlagenen Heeres geſammelt;
*) Maltzan’s Bericht, 26. Dec. 1835.
**) Lottum, im Namen des Königs, an Ancillon, 23. April 1834.
***) Cabinetsordres an Rother, 25. Nov. 1836, an Lottum, 11. Aug. 1838. Rother
an Lottum, 5. März 1838.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/525>, abgerufen am 24.11.2024.
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