prägen hyperconstitutioneller Ideen in meinem Verfahren enthalten; das wäre für mich die schwerste aller Anklagen."*)
An Hassenpflug's Stelle führte nunmehr Staatsrath Scheffer das Wort für die Regierung. Der hatte sich während der Revolutionsjahre durch radicalen Uebermuth ausgezeichnet; jetzt sprach er ganz im Sinne seines Vorgängers, nur ohne dessen Geist und Gewandtheit. Der Streit um die Rotenburger Quart währte fort. Im Jahre 1838 wurden zwei Landtage aufgelöst, weil sie die Einkünfte der Quart den Einnahmen des Staatsbudgets hinzurechnen wollten. Darauf wendeten sich die Stände nach Frankfurt, um die Einberufung des Bundesschiedsgerichts zu erbitten. Der Bundes- tag wies sie ab, da das hessische Compromißgericht noch nicht gesprochen habe. Die Abweisung war der Form nach unanfechtbar -- schade nur, daß der Prinzregent die Einberufung des Compromißgerichts niemals zugeben wollte. Als nun gar noch Jordan wegen demagogischer Umtriebe ins Ge- fängniß geworfen wurde, da fragten die Hessen schmerzlich, wo die Seg- nungen der liberalsten aller deutschen Verfassungen geblieben seien. --
In Württemberg hingegen erlangten König und Beamtenthum fast unmerklich ihre alte Macht wieder. Der vormals verabscheute Führer des liberalen "reinen Deutschlands" wurde jetzt an den großen Höfen, mit besserem Grunde, als der erfahrene Nestor der constitutionellen Fürsten be- lobt: Niemand verstehe wie er, mit den Landständen ohne Geräusch fertig zu werden. Bei den Neuwahlen, nach der Auflösung des vergeblichen Landtags von 1833, ließ Staatsrath Schlayer alle Minen springen. Als den liberalen Beamten der Urlaub verweigert wurde, forderte Ludwig Uhland die Entlassung aus seiner Tübinger Professur, und die Regierung entblödete sich nicht, dem größten aller lebenden Schwaben den Abschied mit dem höhnischen Zusatz "sehr gern" zu ertheilen. Auch der junge Kriegs- rath Friedrich Römer legte sein Staatsamt nieder um in den Stuttgarter Halbrundsaal einzutreten, wo er sich als das erste praktische Talent der Opposition bewährte. Die Liberalen blieben in der Minderheit und sie fühlten bald selbst, wie wenig das ermüdete Land noch nach dem Kampfe wider die Bundesschlüsse fragte. Uhland sagte einmal herb: "Ich spreche dem Volke das Recht ab, über etwas unzufrieden zu sein, was eine von ihm gewählte Kammer beschlossen hat. Es hat sie ja selbst so gewählt." Ein Antrag auf Herstellung der Preßfreiheit wurde zwar angenommen, und Uhland sprach dabei die Hoffnung aus: wenn jetzt alle Landtage ihre Pflicht thäten, so würde dereinst eine deutsche Nationalversammlung die Volksrechte noch wirksamer wahren. Doch was halfen Worte gegen die anerkannten Bundesgesetze? Pfizer versuchte noch mehrmals das Verhält- niß zwischen Bundesrecht und Landesrecht zur Sprache zu bringen. Er
*) Hassenpflug, kurze Darstellung der Gründe meines Austritts aus dem kurhes- sischen Staatsdienste. (Dem Könige übersendet durch Heinrich v. Arnim, 11. Dec. 1837.)
Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 40
Die ſchwäbiſchen Liberalen.
prägen hyperconſtitutioneller Ideen in meinem Verfahren enthalten; das wäre für mich die ſchwerſte aller Anklagen.“*)
An Haſſenpflug’s Stelle führte nunmehr Staatsrath Scheffer das Wort für die Regierung. Der hatte ſich während der Revolutionsjahre durch radicalen Uebermuth ausgezeichnet; jetzt ſprach er ganz im Sinne ſeines Vorgängers, nur ohne deſſen Geiſt und Gewandtheit. Der Streit um die Rotenburger Quart währte fort. Im Jahre 1838 wurden zwei Landtage aufgelöſt, weil ſie die Einkünfte der Quart den Einnahmen des Staatsbudgets hinzurechnen wollten. Darauf wendeten ſich die Stände nach Frankfurt, um die Einberufung des Bundesſchiedsgerichts zu erbitten. Der Bundes- tag wies ſie ab, da das heſſiſche Compromißgericht noch nicht geſprochen habe. Die Abweiſung war der Form nach unanfechtbar — ſchade nur, daß der Prinzregent die Einberufung des Compromißgerichts niemals zugeben wollte. Als nun gar noch Jordan wegen demagogiſcher Umtriebe ins Ge- fängniß geworfen wurde, da fragten die Heſſen ſchmerzlich, wo die Seg- nungen der liberalſten aller deutſchen Verfaſſungen geblieben ſeien. —
In Württemberg hingegen erlangten König und Beamtenthum faſt unmerklich ihre alte Macht wieder. Der vormals verabſcheute Führer des liberalen „reinen Deutſchlands“ wurde jetzt an den großen Höfen, mit beſſerem Grunde, als der erfahrene Neſtor der conſtitutionellen Fürſten be- lobt: Niemand verſtehe wie er, mit den Landſtänden ohne Geräuſch fertig zu werden. Bei den Neuwahlen, nach der Auflöſung des vergeblichen Landtags von 1833, ließ Staatsrath Schlayer alle Minen ſpringen. Als den liberalen Beamten der Urlaub verweigert wurde, forderte Ludwig Uhland die Entlaſſung aus ſeiner Tübinger Profeſſur, und die Regierung entblödete ſich nicht, dem größten aller lebenden Schwaben den Abſchied mit dem höhniſchen Zuſatz „ſehr gern“ zu ertheilen. Auch der junge Kriegs- rath Friedrich Römer legte ſein Staatsamt nieder um in den Stuttgarter Halbrundſaal einzutreten, wo er ſich als das erſte praktiſche Talent der Oppoſition bewährte. Die Liberalen blieben in der Minderheit und ſie fühlten bald ſelbſt, wie wenig das ermüdete Land noch nach dem Kampfe wider die Bundesſchlüſſe fragte. Uhland ſagte einmal herb: „Ich ſpreche dem Volke das Recht ab, über etwas unzufrieden zu ſein, was eine von ihm gewählte Kammer beſchloſſen hat. Es hat ſie ja ſelbſt ſo gewählt.“ Ein Antrag auf Herſtellung der Preßfreiheit wurde zwar angenommen, und Uhland ſprach dabei die Hoffnung aus: wenn jetzt alle Landtage ihre Pflicht thäten, ſo würde dereinſt eine deutſche Nationalverſammlung die Volksrechte noch wirkſamer wahren. Doch was halfen Worte gegen die anerkannten Bundesgeſetze? Pfizer verſuchte noch mehrmals das Verhält- niß zwiſchen Bundesrecht und Landesrecht zur Sprache zu bringen. Er
*) Haſſenpflug, kurze Darſtellung der Gründe meines Austritts aus dem kurheſ- ſiſchen Staatsdienſte. (Dem Könige überſendet durch Heinrich v. Arnim, 11. Dec. 1837.)
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 40
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Die ſchwäbiſchen Liberalen.
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wäre für mich die ſchwerſte aller Anklagen.“ *)
An Haſſenpflug’s Stelle führte nunmehr Staatsrath Scheffer das Wort
für die Regierung. Der hatte ſich während der Revolutionsjahre durch
radicalen Uebermuth ausgezeichnet; jetzt ſprach er ganz im Sinne ſeines
Vorgängers, nur ohne deſſen Geiſt und Gewandtheit. Der Streit um die
Rotenburger Quart währte fort. Im Jahre 1838 wurden zwei Landtage
aufgelöſt, weil ſie die Einkünfte der Quart den Einnahmen des Staatsbudgets
hinzurechnen wollten. Darauf wendeten ſich die Stände nach Frankfurt,
um die Einberufung des Bundesſchiedsgerichts zu erbitten. Der Bundes-
tag wies ſie ab, da das heſſiſche Compromißgericht noch nicht geſprochen
habe. Die Abweiſung war der Form nach unanfechtbar — ſchade nur, daß
der Prinzregent die Einberufung des Compromißgerichts niemals zugeben
wollte. Als nun gar noch Jordan wegen demagogiſcher Umtriebe ins Ge-
fängniß geworfen wurde, da fragten die Heſſen ſchmerzlich, wo die Seg-
nungen der liberalſten aller deutſchen Verfaſſungen geblieben ſeien. —
In Württemberg hingegen erlangten König und Beamtenthum faſt
unmerklich ihre alte Macht wieder. Der vormals verabſcheute Führer des
liberalen „reinen Deutſchlands“ wurde jetzt an den großen Höfen, mit
beſſerem Grunde, als der erfahrene Neſtor der conſtitutionellen Fürſten be-
lobt: Niemand verſtehe wie er, mit den Landſtänden ohne Geräuſch fertig
zu werden. Bei den Neuwahlen, nach der Auflöſung des vergeblichen
Landtags von 1833, ließ Staatsrath Schlayer alle Minen ſpringen. Als
den liberalen Beamten der Urlaub verweigert wurde, forderte Ludwig
Uhland die Entlaſſung aus ſeiner Tübinger Profeſſur, und die Regierung
entblödete ſich nicht, dem größten aller lebenden Schwaben den Abſchied mit
dem höhniſchen Zuſatz „ſehr gern“ zu ertheilen. Auch der junge Kriegs-
rath Friedrich Römer legte ſein Staatsamt nieder um in den Stuttgarter
Halbrundſaal einzutreten, wo er ſich als das erſte praktiſche Talent der
Oppoſition bewährte. Die Liberalen blieben in der Minderheit und ſie
fühlten bald ſelbſt, wie wenig das ermüdete Land noch nach dem Kampfe
wider die Bundesſchlüſſe fragte. Uhland ſagte einmal herb: „Ich ſpreche
dem Volke das Recht ab, über etwas unzufrieden zu ſein, was eine von
ihm gewählte Kammer beſchloſſen hat. Es hat ſie ja ſelbſt ſo gewählt.“
Ein Antrag auf Herſtellung der Preßfreiheit wurde zwar angenommen,
und Uhland ſprach dabei die Hoffnung aus: wenn jetzt alle Landtage ihre
Pflicht thäten, ſo würde dereinſt eine deutſche Nationalverſammlung die
Volksrechte noch wirkſamer wahren. Doch was halfen Worte gegen die
anerkannten Bundesgeſetze? Pfizer verſuchte noch mehrmals das Verhält-
niß zwiſchen Bundesrecht und Landesrecht zur Sprache zu bringen. Er
*) Haſſenpflug, kurze Darſtellung der Gründe meines Austritts aus dem kurheſ-
ſiſchen Staatsdienſte. (Dem Könige überſendet durch Heinrich v. Arnim, 11. Dec. 1837.)
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 40
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/639>, abgerufen am 24.11.2024.
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