Schreiben des Papstes, das den Fürstbischof kurzerhand zur Abdankung aufforderte, weil er sich die Gemüther der Gläubigen ganz entfremdet hätte. Einem solchen Befehle wagte der gutmüthige Prälat nicht zu widersprechen, sein Rücktritt war nur noch eine Frage der Zeit. Die ultramontane Partei im schlesischen Clerus bekämpfte ihn mit unverhohlenem Hasse, und auf seine Heerde konnte sich der längst geschwächte Episcopat nicht mehr ver- lassen. So wunderbar hatte sich, zur Ueberraschung aller Regierungen, die Stimmung des katholischen Volkes in den letzten Jahrzehnten verwan- delt: wer noch gläubig an der Kirche hing, hielt unbedingt zum heiligen Vater.
Wenn Bunsen einst gehofft hatte, die Curie mit Hilfe der Landes- bischöfe zu bezwingen, so waren seine Pläne nicht nur gescheitert, sondern ins Gegentheil umgeschlagen: jetzt führte die Curie den gesammten preu- ßischen Episcopat gegen die Krone ins Feld, und dieser Streit verwickelte sich so seltsam, daß selbst eifrige Protestanten nicht mehr mit ungetheiltem Herzen auf Seiten des Königs stehen konnten. Gewiß mußte jeder treue Preuße billigen, daß die Krone offenbare Widersetzlichkeit gegen die Staats- gesetze nicht dulden wollte. Ein sachlicher Widerspruch aber bestand seit der Cabinetsordre vom 28. Januar 1838 nicht mehr. Die Curie verlangte das Versprechen der katholischen Kindererziehung vor jeder kirchlichen Trauung; der Staat gestattete den Pfarrern der westlichen Provinzen, bescheidene Erkundigungen wegen der Kindererziehung anzustellen und über- wies dann die letzte Entscheidung den Bischöfen. Wo war hier ein erheb- licher Unterschied? Die Staatsgewalt hatte in der Rheinprovinz den For- derungen der römischen Kirche nachgegeben und sie konnte selbst nicht mehr wünschen, daß auf die Dauer im Osten ein anderes Staatskirchenrecht gelte als im Westen.
Wie sollte eine Regierung, die neben einer Fülle von Talenten zweiten Ranges keinen einzigen beherrschenden Kopf besaß, aus solchen Irrwegen hinausgelangen? Der römische Stuhl ergriff jede Gelegenheit um die preußische Krone von Neuem zu reizen. Als der König gegen Dunin's Widersetzlichkeit zuerst einschritt, legte Cardinal Lambruschini sofort Ver- wahrung ein wider diesen Mißbrauch der weltlichen Gewalt.*) Dann hielt der Papst, am 13. September 1838, eine zweite Allocution, die noch ge- hässiger klang als die erste: er empfahl Dunin's "unbesiegte Mannhaftig- keit" allen preußischen Bischöfen als Vorbild und bestritt sogar das alte Recht des königlichen Placet. Im Juli 1839 folgte eine dritte Allocution ähnlichen Inhalts, und alle diese feindseligen Ansprachen sendete Lambrus- chini an den preußischen Geschäftsträger. Buch erhielt zwar endlich Be- fehl, dergleichen Zusendungen in Zukunft nicht mehr anzunehmen, aber der diplomatische Verkehr ward nicht abgebrochen; denn Altenstein warnte
*) Lambruschini an Buch, 25. Juli; Buch's Bericht, 25. Juli 1838.
Haltung der Biſchöfe. Sedlnitzky.
Schreiben des Papſtes, das den Fürſtbiſchof kurzerhand zur Abdankung aufforderte, weil er ſich die Gemüther der Gläubigen ganz entfremdet hätte. Einem ſolchen Befehle wagte der gutmüthige Prälat nicht zu widerſprechen, ſein Rücktritt war nur noch eine Frage der Zeit. Die ultramontane Partei im ſchleſiſchen Clerus bekämpfte ihn mit unverhohlenem Haſſe, und auf ſeine Heerde konnte ſich der längſt geſchwächte Epiſcopat nicht mehr ver- laſſen. So wunderbar hatte ſich, zur Ueberraſchung aller Regierungen, die Stimmung des katholiſchen Volkes in den letzten Jahrzehnten verwan- delt: wer noch gläubig an der Kirche hing, hielt unbedingt zum heiligen Vater.
Wenn Bunſen einſt gehofft hatte, die Curie mit Hilfe der Landes- biſchöfe zu bezwingen, ſo waren ſeine Pläne nicht nur geſcheitert, ſondern ins Gegentheil umgeſchlagen: jetzt führte die Curie den geſammten preu- ßiſchen Epiſcopat gegen die Krone ins Feld, und dieſer Streit verwickelte ſich ſo ſeltſam, daß ſelbſt eifrige Proteſtanten nicht mehr mit ungetheiltem Herzen auf Seiten des Königs ſtehen konnten. Gewiß mußte jeder treue Preuße billigen, daß die Krone offenbare Widerſetzlichkeit gegen die Staats- geſetze nicht dulden wollte. Ein ſachlicher Widerſpruch aber beſtand ſeit der Cabinetsordre vom 28. Januar 1838 nicht mehr. Die Curie verlangte das Verſprechen der katholiſchen Kindererziehung vor jeder kirchlichen Trauung; der Staat geſtattete den Pfarrern der weſtlichen Provinzen, beſcheidene Erkundigungen wegen der Kindererziehung anzuſtellen und über- wies dann die letzte Entſcheidung den Biſchöfen. Wo war hier ein erheb- licher Unterſchied? Die Staatsgewalt hatte in der Rheinprovinz den For- derungen der römiſchen Kirche nachgegeben und ſie konnte ſelbſt nicht mehr wünſchen, daß auf die Dauer im Oſten ein anderes Staatskirchenrecht gelte als im Weſten.
Wie ſollte eine Regierung, die neben einer Fülle von Talenten zweiten Ranges keinen einzigen beherrſchenden Kopf beſaß, aus ſolchen Irrwegen hinausgelangen? Der römiſche Stuhl ergriff jede Gelegenheit um die preußiſche Krone von Neuem zu reizen. Als der König gegen Dunin’s Widerſetzlichkeit zuerſt einſchritt, legte Cardinal Lambruschini ſofort Ver- wahrung ein wider dieſen Mißbrauch der weltlichen Gewalt.*) Dann hielt der Papſt, am 13. September 1838, eine zweite Allocution, die noch ge- häſſiger klang als die erſte: er empfahl Dunin’s „unbeſiegte Mannhaftig- keit“ allen preußiſchen Biſchöfen als Vorbild und beſtritt ſogar das alte Recht des königlichen Placet. Im Juli 1839 folgte eine dritte Allocution ähnlichen Inhalts, und alle dieſe feindſeligen Anſprachen ſendete Lambrus- chini an den preußiſchen Geſchäftsträger. Buch erhielt zwar endlich Be- fehl, dergleichen Zuſendungen in Zukunft nicht mehr anzunehmen, aber der diplomatiſche Verkehr ward nicht abgebrochen; denn Altenſtein warnte
*) Lambruschini an Buch, 25. Juli; Buch’s Bericht, 25. Juli 1838.
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aufforderte, weil er ſich die Gemüther der Gläubigen ganz entfremdet hätte.
Einem ſolchen Befehle wagte der gutmüthige Prälat nicht zu widerſprechen,
ſein Rücktritt war nur noch eine Frage der Zeit. Die ultramontane Partei
im ſchleſiſchen Clerus bekämpfte ihn mit unverhohlenem Haſſe, und auf
ſeine Heerde konnte ſich der längſt geſchwächte Epiſcopat nicht mehr ver-
laſſen. So wunderbar hatte ſich, zur Ueberraſchung aller Regierungen,
die Stimmung des katholiſchen Volkes in den letzten Jahrzehnten verwan-
delt: wer noch gläubig an der Kirche hing, hielt unbedingt zum heiligen
Vater.
Wenn Bunſen einſt gehofft hatte, die Curie mit Hilfe der Landes-
biſchöfe zu bezwingen, ſo waren ſeine Pläne nicht nur geſcheitert, ſondern
ins Gegentheil umgeſchlagen: jetzt führte die Curie den geſammten preu-
ßiſchen Epiſcopat gegen die Krone ins Feld, und dieſer Streit verwickelte
ſich ſo ſeltſam, daß ſelbſt eifrige Proteſtanten nicht mehr mit ungetheiltem
Herzen auf Seiten des Königs ſtehen konnten. Gewiß mußte jeder treue
Preuße billigen, daß die Krone offenbare Widerſetzlichkeit gegen die Staats-
geſetze nicht dulden wollte. Ein ſachlicher Widerſpruch aber beſtand ſeit
der Cabinetsordre vom 28. Januar 1838 nicht mehr. Die Curie verlangte
das Verſprechen der katholiſchen Kindererziehung vor jeder kirchlichen
Trauung; der Staat geſtattete den Pfarrern der weſtlichen Provinzen,
beſcheidene Erkundigungen wegen der Kindererziehung anzuſtellen und über-
wies dann die letzte Entſcheidung den Biſchöfen. Wo war hier ein erheb-
licher Unterſchied? Die Staatsgewalt hatte in der Rheinprovinz den For-
derungen der römiſchen Kirche nachgegeben und ſie konnte ſelbſt nicht mehr
wünſchen, daß auf die Dauer im Oſten ein anderes Staatskirchenrecht
gelte als im Weſten.
Wie ſollte eine Regierung, die neben einer Fülle von Talenten zweiten
Ranges keinen einzigen beherrſchenden Kopf beſaß, aus ſolchen Irrwegen
hinausgelangen? Der römiſche Stuhl ergriff jede Gelegenheit um die
preußiſche Krone von Neuem zu reizen. Als der König gegen Dunin’s
Widerſetzlichkeit zuerſt einſchritt, legte Cardinal Lambruschini ſofort Ver-
wahrung ein wider dieſen Mißbrauch der weltlichen Gewalt. *) Dann hielt
der Papſt, am 13. September 1838, eine zweite Allocution, die noch ge-
häſſiger klang als die erſte: er empfahl Dunin’s „unbeſiegte Mannhaftig-
keit“ allen preußiſchen Biſchöfen als Vorbild und beſtritt ſogar das alte
Recht des königlichen Placet. Im Juli 1839 folgte eine dritte Allocution
ähnlichen Inhalts, und alle dieſe feindſeligen Anſprachen ſendete Lambrus-
chini an den preußiſchen Geſchäftsträger. Buch erhielt zwar endlich Be-
fehl, dergleichen Zuſendungen in Zukunft nicht mehr anzunehmen, aber
der diplomatiſche Verkehr ward nicht abgebrochen; denn Altenſtein warnte
*) Lambruschini an Buch, 25. Juli; Buch’s Bericht, 25. Juli 1838.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/725>, abgerufen am 24.11.2024.
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