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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 2. Die Kriegsgefahr.
in Preußen ganz gewiſſenhaft ausgeführt worden. Hier genügte ein
Drittel des Heeres um dieſen wahrlich beſcheidenen Anforderungen zu ent-
ſprechen. Der alte König hatte ſich immer geweigert einen beſtimmten
Theil ſeines Heeres als Bundescontingent zu bezeichnen, weil er alle
ſeine Truppen ſchlichtweg für deutſche Soldaten hielt. Jetzt wurden drei
von den neun Armeecorps für die Bundesinſpection beſtimmt, und die
Manöver in Schleſien verliefen ſo gut, daß ſelbſt Erzherzog Ferdinand,
der nach öſterreichiſchem Brauche jedem Volksheere mißtraute, ehrlich
eingeſtehen mußte: nun erſt habe ich meine Zweifel an dem preußiſchen
Landwehrſyſtem aufgegeben.*) Da die Zuſammenſetzung der preußiſchen
Armeecorps, in Folge des Landwehrſyſtems, von den Ziffern der Bundes-
kriegsverfaſſung ein wenig abwich, ſo befahl der König überdies im März
1843, daß fortan fünf ſeiner Armeecorps das Bundescontingent bilden
ſollten, damit den Bundesgeſetzen bis auf den letzten Buchſtaben genügt
würde.

Das war der Zuſtand der deutſchen Wehrkraft in einer Zeit, da
die Liberalen der kleinen Landtage beſtändig über die unerſchwinglichen
Heereskoſten klagten; und doch hatte dieſe Oppoſition nicht Unrecht, denn
die Ausgaben für ein ſolches Heer waren wirklich Verſchwendung. Am
letzten Ende bewirkten Friedrich Wilhelm’s wohlgemeinte Anträge nur, daß
einige der ganz gewiſſenloſen kleinen Höfe ſich fortan aus Furcht vor den
Bundesinſpectionen ein wenig in Acht nahmen. Doch mit ſo ſanften
Mitteln war die dreißigköpfige Anarchie nicht zu heilen; und dies konnte
der König, als warmer Verehrer der unwandelbaren Bundesverfaſſung,
nicht begreifen.

Etwas beſſer gelangen ſein Bemühungen für die Bundesfeſtungen.
Während der letzten Jahre hatte Baiern ſeine Feſtung Germersheim
ausgebaut; nur der unentbehrliche Brückenkopf auf dem badiſchen rechten
Rheinufer fehlte noch, weil Baden ſich hartnäckig weigerte die kleine
Landſtrecke abzutreten. Ueber den Zuſtand von Mainz erſtattete der
öſterreichiſche Gouverneur Landgraf von Heſſen-Homburg, ſobald das
Kriegsgeſchrei durchs Land ging, einen Bericht, der ſo beſchämende
Vorwürfe enthielt, daß die Bundesverſammlung beſchloß ihn nicht in ihre
Protokolle aufzunehmen. An der Rheinkehle, der wichtigſten Stelle des
Platzes war die Mauer faſt ſpurlos verſchwunden — ſo verſicherte der Land-
graf — allerhand Gewerbtreibende hatten dort ihre Lager und Werk-
ſtätten aufgerichtet, „der Hauptſchlüſſel zu den deutſchen Landen iſt an ſeiner
Kehle ein vollkommen offener Ort.“ Das Weiſſenauer Lager und die we-
nigen anderen neuen Feſtungswerke gereichten ihren öſterreichiſchen Erbauern
nicht zur Ehre; den größten Theil der Feſtungsgelder hatte man ver-
wendet um Kaſernen zu bauen und für die Amtswohnungen der com-

*) Maltzan’s Berichte, Oct. 1841.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/114>, abgerufen am 11.02.2025.