Eindruck eines beherrschenden politischen Kopfes hinterließ. Stockmar erschrak gradezu über die phantastischen Einfälle des Königs, als ihm dieser sehr ausführlich und ernsthaft vorhielt, Belgien müsse um seiner Sicherheit willen durchaus in den Deutschen Bund eintreten -- ein im Frieden schlechthin unausführbarer Plan, da ja Belgien auf Preußens eigenen Antrag von allen Großmächten als neutral anerkannt war.
Unterwegs wurde, trotz der dringenden Einladungen des Gesandten Bresson, der französische Boden und jede Berührung mit den Orleans sorgfältig vermieden. Leopold von Belgien aber hatte, zur Entrüstung des Czaren, den deutschen Nachbarn schon auf der Heimreise in Ostende begrüßt; und da Friedrich Wilhelm den für den Zollverein wichtigen belgisch-luxemburgischen Grenzverkehr friedlich zu ordnen wünschte, so entschloß er sich schweren Herzens, seinem geliebten Vetter, dem neuen Könige Wilhelm II. der Niederlande einen Freundschaftsdienst zu erweisen und den belgischen Usurpator auf der Hinreise zu besuchen, in demselben Schlosse, das einst den oranischen Verwandten gehört hatte. "Je Vous porterai un veritable sacrifice, schrieb er dem Oranier; j'irai le trouver en chemin (a Laeken!!!--!--!--!!!) pour le travailler."*) Trotz dieses Besuchs bei dem liberalen Belgier blieb die englische Reise den aufgeklärten Berlinern hoch verdächtig; sie meinten in ihrer Tadelsucht, der König sei drüben ganz in die Netze der Hochtorys und der Anglikaner gerathen. In ihm aber klangen die religiösen Stimmungen dieser Tauf- fahrt noch lange nach. Nach einer schönen Zeichnung von Cornelius ließ er für sein Pathenkind einen silbernen Glaubensschild fertigen, der in der Mitte einen Christuskopf, darunter die Darstellungen der beiden evangelischen Sakramente, an den Rändern neben dem Einzuge Jesu in Jerusalem auch ein Bild der Meerfahrt des Pathen zeigte: da fuhr der christliche König in Pilgerhut und Muschelmantel auf einem Schiffe, das ein Engel lenkte und der gefesselte Höllengeist des Dampfes schnaubend vorwärts trieb, neben ihm Humboldt mit einem Oelzweige in der Hand, Anton Stolberg und General Natzmer; drüben am Strande erwartete ihn Englands Schutzpatron, der heilige Georg, mit dem Prinzgemahl und Wellington -- eine Zusammenstellung, welche dem Coburgischen Welt- kinde insgeheim wohl ebenso fragwürdig erscheinen mochte wie dem un- gläubigen deutschen Naturforscher und im radikalen Lager widerwärtige Hohnreden hervorrief.
Auch das Auswärtige Ministerium fuhr noch lange fort, dem bri- tischen Cabinet unerwiderte Zärtlichkeitsbetheuerungen zu senden, zumal seit Bülow dem schon nach wenigen Monaten unheilbar erkrankten Grafen Maltzan im Amte gefolgt war. Bülow blieb als Minister wie vordem
*) König Friedrich Wilhelm an König Wilhelm II. der Niederlande 29. Jan. 1842.
Die Taufreiſe nach England.
Eindruck eines beherrſchenden politiſchen Kopfes hinterließ. Stockmar erſchrak gradezu über die phantaſtiſchen Einfälle des Königs, als ihm dieſer ſehr ausführlich und ernſthaft vorhielt, Belgien müſſe um ſeiner Sicherheit willen durchaus in den Deutſchen Bund eintreten — ein im Frieden ſchlechthin unausführbarer Plan, da ja Belgien auf Preußens eigenen Antrag von allen Großmächten als neutral anerkannt war.
Unterwegs wurde, trotz der dringenden Einladungen des Geſandten Breſſon, der franzöſiſche Boden und jede Berührung mit den Orleans ſorgfältig vermieden. Leopold von Belgien aber hatte, zur Entrüſtung des Czaren, den deutſchen Nachbarn ſchon auf der Heimreiſe in Oſtende begrüßt; und da Friedrich Wilhelm den für den Zollverein wichtigen belgiſch-luxemburgiſchen Grenzverkehr friedlich zu ordnen wünſchte, ſo entſchloß er ſich ſchweren Herzens, ſeinem geliebten Vetter, dem neuen Könige Wilhelm II. der Niederlande einen Freundſchaftsdienſt zu erweiſen und den belgiſchen Uſurpator auf der Hinreiſe zu beſuchen, in demſelben Schloſſe, das einſt den oraniſchen Verwandten gehört hatte. „Je Vous porterai un véritable sacrifice, ſchrieb er dem Oranier; j’irai le trouver en chemin (à Laeken!!!—!—!—!!!) pour le travailler.“*) Trotz dieſes Beſuchs bei dem liberalen Belgier blieb die engliſche Reiſe den aufgeklärten Berlinern hoch verdächtig; ſie meinten in ihrer Tadelſucht, der König ſei drüben ganz in die Netze der Hochtorys und der Anglikaner gerathen. In ihm aber klangen die religiöſen Stimmungen dieſer Tauf- fahrt noch lange nach. Nach einer ſchönen Zeichnung von Cornelius ließ er für ſein Pathenkind einen ſilbernen Glaubensſchild fertigen, der in der Mitte einen Chriſtuskopf, darunter die Darſtellungen der beiden evangeliſchen Sakramente, an den Rändern neben dem Einzuge Jeſu in Jeruſalem auch ein Bild der Meerfahrt des Pathen zeigte: da fuhr der chriſtliche König in Pilgerhut und Muſchelmantel auf einem Schiffe, das ein Engel lenkte und der gefeſſelte Höllengeiſt des Dampfes ſchnaubend vorwärts trieb, neben ihm Humboldt mit einem Oelzweige in der Hand, Anton Stolberg und General Natzmer; drüben am Strande erwartete ihn Englands Schutzpatron, der heilige Georg, mit dem Prinzgemahl und Wellington — eine Zuſammenſtellung, welche dem Coburgiſchen Welt- kinde insgeheim wohl ebenſo fragwürdig erſcheinen mochte wie dem un- gläubigen deutſchen Naturforſcher und im radikalen Lager widerwärtige Hohnreden hervorrief.
Auch das Auswärtige Miniſterium fuhr noch lange fort, dem bri- tiſchen Cabinet unerwiderte Zärtlichkeitsbetheuerungen zu ſenden, zumal ſeit Bülow dem ſchon nach wenigen Monaten unheilbar erkrankten Grafen Maltzan im Amte gefolgt war. Bülow blieb als Miniſter wie vordem
*) König Friedrich Wilhelm an König Wilhelm II. der Niederlande 29. Jan. 1842.
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Die Taufreiſe nach England.
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erſchrak gradezu über die phantaſtiſchen Einfälle des Königs, als ihm
dieſer ſehr ausführlich und ernſthaft vorhielt, Belgien müſſe um ſeiner
Sicherheit willen durchaus in den Deutſchen Bund eintreten — ein im
Frieden ſchlechthin unausführbarer Plan, da ja Belgien auf Preußens
eigenen Antrag von allen Großmächten als neutral anerkannt war.
Unterwegs wurde, trotz der dringenden Einladungen des Geſandten
Breſſon, der franzöſiſche Boden und jede Berührung mit den Orleans
ſorgfältig vermieden. Leopold von Belgien aber hatte, zur Entrüſtung
des Czaren, den deutſchen Nachbarn ſchon auf der Heimreiſe in Oſtende
begrüßt; und da Friedrich Wilhelm den für den Zollverein wichtigen
belgiſch-luxemburgiſchen Grenzverkehr friedlich zu ordnen wünſchte, ſo
entſchloß er ſich ſchweren Herzens, ſeinem geliebten Vetter, dem neuen
Könige Wilhelm II. der Niederlande einen Freundſchaftsdienſt zu erweiſen
und den belgiſchen Uſurpator auf der Hinreiſe zu beſuchen, in demſelben
Schloſſe, das einſt den oraniſchen Verwandten gehört hatte. „Je Vous
porterai un véritable sacrifice, ſchrieb er dem Oranier; j’irai le
trouver en chemin (à Laeken!!!—!—!—!!!) pour le travailler.“ *)
Trotz dieſes Beſuchs bei dem liberalen Belgier blieb die engliſche Reiſe den
aufgeklärten Berlinern hoch verdächtig; ſie meinten in ihrer Tadelſucht, der
König ſei drüben ganz in die Netze der Hochtorys und der Anglikaner
gerathen. In ihm aber klangen die religiöſen Stimmungen dieſer Tauf-
fahrt noch lange nach. Nach einer ſchönen Zeichnung von Cornelius
ließ er für ſein Pathenkind einen ſilbernen Glaubensſchild fertigen, der
in der Mitte einen Chriſtuskopf, darunter die Darſtellungen der beiden
evangeliſchen Sakramente, an den Rändern neben dem Einzuge Jeſu in
Jeruſalem auch ein Bild der Meerfahrt des Pathen zeigte: da fuhr der
chriſtliche König in Pilgerhut und Muſchelmantel auf einem Schiffe, das
ein Engel lenkte und der gefeſſelte Höllengeiſt des Dampfes ſchnaubend
vorwärts trieb, neben ihm Humboldt mit einem Oelzweige in der Hand,
Anton Stolberg und General Natzmer; drüben am Strande erwartete
ihn Englands Schutzpatron, der heilige Georg, mit dem Prinzgemahl
und Wellington — eine Zuſammenſtellung, welche dem Coburgiſchen Welt-
kinde insgeheim wohl ebenſo fragwürdig erſcheinen mochte wie dem un-
gläubigen deutſchen Naturforſcher und im radikalen Lager widerwärtige
Hohnreden hervorrief.
Auch das Auswärtige Miniſterium fuhr noch lange fort, dem bri-
tiſchen Cabinet unerwiderte Zärtlichkeitsbetheuerungen zu ſenden, zumal
ſeit Bülow dem ſchon nach wenigen Monaten unheilbar erkrankten Grafen
Maltzan im Amte gefolgt war. Bülow blieb als Miniſter wie vordem
*) König Friedrich Wilhelm an König Wilhelm II. der Niederlande 29. Jan.
1842.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/147>, abgerufen am 27.11.2024.
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