beschied ihm ein hartes Schicksal, bei voller Schaffenskraft den eigenen Ruhm zu überleben, und diese Berliner Jahre, die ihm den Lohn für ein reiches Künstlerwirken hatten bringen sollen, gestalteten sich zu einer tragischen Leidenszeit.
Ebenso wenig konnte Felix Mendessohn-Bartholdy, der alsbald vom Könige glänzende Anträge erhielt, sich an der Spree wieder heimisch fühlen. Er hatte sich schon vor Jahren der Vaterstadt entfremdet, weil sie ihm die Direktion der Singakademie nicht anvertrauen wollte, und seitdem, durch die geniale Leitung der Gewandhausconcerte, Leipzig zum Mittelpunkte des idealen deutschen Musiklebens erhoben. Zweifelnd, ungern kehrte er heim; die dankbare, harmlos empfängliche Hörerschaft, die ihm in Sachsen und auf den rheinischen Musikfesten zugejauchzt hatte, konnte er in der Stadt der kritischen Ueberbildung nicht wiederfinden. Nach seinem guten Rechte verlangte er ein Orchester und einen Chor, die sich seiner Herr- schaft fügen sollten; gleichwohl ward ihm kein bestimmter Wirkungskreis angewiesen, da der König zunächst nur, planlos und ungeduldig, große Namen für Berlin gewinnen wollte; und so gerieth der Vielgeliebte und Vielverwöhnte, den man überall sonst auf den Händen trug, bald in widerwärtige Händel mit der Amts-Eifersucht der königlichen Musikbehör- den. Schon nach drei Jahren zog er sich verstimmt wieder in seine fried- lichere Leipziger Thätigkeit zurück.
Mittlerweile war Spontini dem Volkshasse erlegen, der sich seit Jahren gegen den herrischen Fremdling angesammelt hatte. Eine leidenschaftliche öffentliche Antwort auf die Angriffe Rellstab's und anderer Kritiker bewirkte, daß er wegen Majestätsbeleidigung verfolgt wurde. Der gütige Monarch schlug die Untersuchung nieder, weil er fühlte, daß der heißblütige, des Deutschen kaum mächtige Italiener den Sinn seiner Worte nicht recht erwogen hatte; der Groll des Publicums ließ sich aber jetzt nicht mehr bändigen. Ein pöbelhafter Theaterscandal verjagte Spontini von dem Pulte, auf dem er so lange als unumschränkter Herrscher gethront hatte. An seine Stelle wurde Gia- como Meyerbeer berufen. Dem Könige war es eine frohe Genugthuung, die großen Musiker, die Berlin unter seinen Söhnen besaß, beide zugleich an seinem Hofe zu sehen; er bedachte nur nicht, daß diese beiden grundverschiedenen Naturen, die sich grade durch das Bewußtsein der gemeinsamen Abstam- mung von einander abgestoßen fühlten, unmöglich zusammenwirken konnten. Meyerbeer leitete eine Zeit lang die Oper mit großem Erfolge, er ver- herrlichte alle Hoffeste durch prächtige Märsche und Tänze, und da er auf seine Weise immer ein stolzer Preuße blieb, so componirte er zur Wiederer- öffnung des eingeäscherten Opernhauses das Feldlager in Schlesien, die einzige nationale seiner Opern, ein Werk voll Feuer und Leben, in dem die kriegerische Begeisterung des fridericianischen Zeitalters kräftig wieder- hallte. In der Stadt kannte alle Welt den freundlichen kleinen Mann, der an jedem Mittag mit seinem rothen Regenschirm im Thiergarten spa-
Cornelius. Berliner Muſik.
beſchied ihm ein hartes Schickſal, bei voller Schaffenskraft den eigenen Ruhm zu überleben, und dieſe Berliner Jahre, die ihm den Lohn für ein reiches Künſtlerwirken hatten bringen ſollen, geſtalteten ſich zu einer tragiſchen Leidenszeit.
Ebenſo wenig konnte Felix Mendesſohn-Bartholdy, der alsbald vom Könige glänzende Anträge erhielt, ſich an der Spree wieder heimiſch fühlen. Er hatte ſich ſchon vor Jahren der Vaterſtadt entfremdet, weil ſie ihm die Direktion der Singakademie nicht anvertrauen wollte, und ſeitdem, durch die geniale Leitung der Gewandhausconcerte, Leipzig zum Mittelpunkte des idealen deutſchen Muſiklebens erhoben. Zweifelnd, ungern kehrte er heim; die dankbare, harmlos empfängliche Hörerſchaft, die ihm in Sachſen und auf den rheiniſchen Muſikfeſten zugejauchzt hatte, konnte er in der Stadt der kritiſchen Ueberbildung nicht wiederfinden. Nach ſeinem guten Rechte verlangte er ein Orcheſter und einen Chor, die ſich ſeiner Herr- ſchaft fügen ſollten; gleichwohl ward ihm kein beſtimmter Wirkungskreis angewieſen, da der König zunächſt nur, planlos und ungeduldig, große Namen für Berlin gewinnen wollte; und ſo gerieth der Vielgeliebte und Vielverwöhnte, den man überall ſonſt auf den Händen trug, bald in widerwärtige Händel mit der Amts-Eiferſucht der königlichen Muſikbehör- den. Schon nach drei Jahren zog er ſich verſtimmt wieder in ſeine fried- lichere Leipziger Thätigkeit zurück.
Mittlerweile war Spontini dem Volkshaſſe erlegen, der ſich ſeit Jahren gegen den herriſchen Fremdling angeſammelt hatte. Eine leidenſchaftliche öffentliche Antwort auf die Angriffe Rellſtab’s und anderer Kritiker bewirkte, daß er wegen Majeſtätsbeleidigung verfolgt wurde. Der gütige Monarch ſchlug die Unterſuchung nieder, weil er fühlte, daß der heißblütige, des Deutſchen kaum mächtige Italiener den Sinn ſeiner Worte nicht recht erwogen hatte; der Groll des Publicums ließ ſich aber jetzt nicht mehr bändigen. Ein pöbelhafter Theaterſcandal verjagte Spontini von dem Pulte, auf dem er ſo lange als unumſchränkter Herrſcher gethront hatte. An ſeine Stelle wurde Gia- como Meyerbeer berufen. Dem Könige war es eine frohe Genugthuung, die großen Muſiker, die Berlin unter ſeinen Söhnen beſaß, beide zugleich an ſeinem Hofe zu ſehen; er bedachte nur nicht, daß dieſe beiden grundverſchiedenen Naturen, die ſich grade durch das Bewußtſein der gemeinſamen Abſtam- mung von einander abgeſtoßen fühlten, unmöglich zuſammenwirken konnten. Meyerbeer leitete eine Zeit lang die Oper mit großem Erfolge, er ver- herrlichte alle Hoffeſte durch prächtige Märſche und Tänze, und da er auf ſeine Weiſe immer ein ſtolzer Preuße blieb, ſo componirte er zur Wiederer- öffnung des eingeäſcherten Opernhauſes das Feldlager in Schleſien, die einzige nationale ſeiner Opern, ein Werk voll Feuer und Leben, in dem die kriegeriſche Begeiſterung des fridericianiſchen Zeitalters kräftig wieder- hallte. In der Stadt kannte alle Welt den freundlichen kleinen Mann, der an jedem Mittag mit ſeinem rothen Regenſchirm im Thiergarten ſpa-
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Cornelius. Berliner Muſik.
beſchied ihm ein hartes Schickſal, bei voller Schaffenskraft den eigenen
Ruhm zu überleben, und dieſe Berliner Jahre, die ihm den Lohn für
ein reiches Künſtlerwirken hatten bringen ſollen, geſtalteten ſich zu einer
tragiſchen Leidenszeit.
Ebenſo wenig konnte Felix Mendesſohn-Bartholdy, der alsbald vom
Könige glänzende Anträge erhielt, ſich an der Spree wieder heimiſch fühlen.
Er hatte ſich ſchon vor Jahren der Vaterſtadt entfremdet, weil ſie ihm die
Direktion der Singakademie nicht anvertrauen wollte, und ſeitdem, durch
die geniale Leitung der Gewandhausconcerte, Leipzig zum Mittelpunkte
des idealen deutſchen Muſiklebens erhoben. Zweifelnd, ungern kehrte er
heim; die dankbare, harmlos empfängliche Hörerſchaft, die ihm in Sachſen
und auf den rheiniſchen Muſikfeſten zugejauchzt hatte, konnte er in der
Stadt der kritiſchen Ueberbildung nicht wiederfinden. Nach ſeinem guten
Rechte verlangte er ein Orcheſter und einen Chor, die ſich ſeiner Herr-
ſchaft fügen ſollten; gleichwohl ward ihm kein beſtimmter Wirkungskreis
angewieſen, da der König zunächſt nur, planlos und ungeduldig, große
Namen für Berlin gewinnen wollte; und ſo gerieth der Vielgeliebte und
Vielverwöhnte, den man überall ſonſt auf den Händen trug, bald in
widerwärtige Händel mit der Amts-Eiferſucht der königlichen Muſikbehör-
den. Schon nach drei Jahren zog er ſich verſtimmt wieder in ſeine fried-
lichere Leipziger Thätigkeit zurück.
Mittlerweile war Spontini dem Volkshaſſe erlegen, der ſich ſeit Jahren
gegen den herriſchen Fremdling angeſammelt hatte. Eine leidenſchaftliche
öffentliche Antwort auf die Angriffe Rellſtab’s und anderer Kritiker bewirkte,
daß er wegen Majeſtätsbeleidigung verfolgt wurde. Der gütige Monarch
ſchlug die Unterſuchung nieder, weil er fühlte, daß der heißblütige, des
Deutſchen kaum mächtige Italiener den Sinn ſeiner Worte nicht recht erwogen
hatte; der Groll des Publicums ließ ſich aber jetzt nicht mehr bändigen. Ein
pöbelhafter Theaterſcandal verjagte Spontini von dem Pulte, auf dem er ſo
lange als unumſchränkter Herrſcher gethront hatte. An ſeine Stelle wurde Gia-
como Meyerbeer berufen. Dem Könige war es eine frohe Genugthuung, die
großen Muſiker, die Berlin unter ſeinen Söhnen beſaß, beide zugleich an
ſeinem Hofe zu ſehen; er bedachte nur nicht, daß dieſe beiden grundverſchiedenen
Naturen, die ſich grade durch das Bewußtſein der gemeinſamen Abſtam-
mung von einander abgeſtoßen fühlten, unmöglich zuſammenwirken konnten.
Meyerbeer leitete eine Zeit lang die Oper mit großem Erfolge, er ver-
herrlichte alle Hoffeſte durch prächtige Märſche und Tänze, und da er auf
ſeine Weiſe immer ein ſtolzer Preuße blieb, ſo componirte er zur Wiederer-
öffnung des eingeäſcherten Opernhauſes das Feldlager in Schleſien, die
einzige nationale ſeiner Opern, ein Werk voll Feuer und Leben, in dem
die kriegeriſche Begeiſterung des fridericianiſchen Zeitalters kräftig wieder-
hallte. In der Stadt kannte alle Welt den freundlichen kleinen Mann,
der an jedem Mittag mit ſeinem rothen Regenſchirm im Thiergarten ſpa-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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