licher Stille zu bilden und zu dichten. Eine besondere Vorliebe hegte der König für den Schlesier August Kopisch, den fröhlichen Wanderer und Schwimmer, der einst die blaue Grotte von Capri entdeckt, auch dem Kron- prinzen in Neapel als Cicerone gedient und, halb Maler halb Poet, das geheimnißvolle Treiben der Kobolde und Heinzelmännchen, die glückselige Dummheit der deutschen Krähwinkelei, die Lust des Bechers und der Liebe in manchem schalkhaft anmuthigen Gedichte besungen hatte. Der wurde jetzt im Hausministerium untergebracht und schrieb, lässig nach Künstler- weise, viele Jahre lang ein Buch über die Potsdamer Schlösser.
Noch schlimmer fuhr der König mit dem jungen Ferdinand Freiligrath, der den Monarchen durch die funkelnde Pracht seiner Sprache bezaubert hatte und ein kleines Jahrgehalt angewiesen erhielt. Vor Kurzem erst war Freiligrath den politischen Poeten entgegengetreten mit der schönen Mahnung:
Der Dichter steht auf einer höh'ren Warte Als auf der Zinne der Partei --
worauf ihm Herwegh dreist erwiderte:
Ich hab' gewählt, ich habe mich entschieden, Und meinen Lorbeer flechte die Partei.
Die Presse war aber bereits gewohnt, Jeden der am preußischen Hofe aus- gezeichnet wurde, als einen Volksverräther zu brandmarken. Von allen Seiten wurde der "pensionärrische" Poet mit gereimten und ungereimten Schmähungen beworfen; überall sang man die höhnischen Verse Hoff- mann's v. Fallersleben: "wollte mir ein König geben Pension!" Dieser albernen Entrüstung vermochte der erregbare Dichter nicht Trotz zu bieten; war er doch selbst, obwohl ein ganz unpolitischer Kopf, doch nach Anlage und Bildungsgang ein radicaler Schwarmgeist. Nach zwei Jahren schon fühlte er sich gedrungen die Annahme des Jahrgelds zu verweigern, und fortan sang er selbst Zeitgedichte im Geiste der wildesten Opposition. Seltsam doch, wie unsicher und schwächlich die allseitige Empfänglichkeit des Königs sich oft zeigte. Die sentimentale Novelle Godwie Castle der ehrbaren Frau Henriette Paalzow fand bei Hofe unbegrenzte Bewunderung; auch der orthodoxe Pastor Wilhelm Meinhold erfreute sich der königlichen Gnade, ein abgesagter Feind der modernen "Vieh-Philosophie", der in einem manierirten, alterthümelnden Romane "die Bernsteinhexe" einen scheußlichen Stoff aus der Zeit der Hexenver- brennungen nicht ohne realistisches Talent, aber roh und fanatisch dar- gestellt hatte. Ungetrübte Freude wurde dem Könige, bei Allem was er hochherzig zur Förderung der deutschen Poesie unternahm, eigentlich nur einmal: als er die edle Begabung Emanuel Geibel's erkannte und dem Dankbaren durch gütige Unterstützung über einige bedrängte Jugendjahre hinweghalf.
Ein Musenhof nach dem Vorbilde Rheinsbergs oder Weimars, wie
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
licher Stille zu bilden und zu dichten. Eine beſondere Vorliebe hegte der König für den Schleſier Auguſt Kopiſch, den fröhlichen Wanderer und Schwimmer, der einſt die blaue Grotte von Capri entdeckt, auch dem Kron- prinzen in Neapel als Cicerone gedient und, halb Maler halb Poet, das geheimnißvolle Treiben der Kobolde und Heinzelmännchen, die glückſelige Dummheit der deutſchen Krähwinkelei, die Luſt des Bechers und der Liebe in manchem ſchalkhaft anmuthigen Gedichte beſungen hatte. Der wurde jetzt im Hausminiſterium untergebracht und ſchrieb, läſſig nach Künſtler- weiſe, viele Jahre lang ein Buch über die Potsdamer Schlöſſer.
Noch ſchlimmer fuhr der König mit dem jungen Ferdinand Freiligrath, der den Monarchen durch die funkelnde Pracht ſeiner Sprache bezaubert hatte und ein kleines Jahrgehalt angewieſen erhielt. Vor Kurzem erſt war Freiligrath den politiſchen Poeten entgegengetreten mit der ſchönen Mahnung:
Der Dichter ſteht auf einer höh’ren Warte Als auf der Zinne der Partei —
worauf ihm Herwegh dreiſt erwiderte:
Ich hab’ gewählt, ich habe mich entſchieden, Und meinen Lorbeer flechte die Partei.
Die Preſſe war aber bereits gewohnt, Jeden der am preußiſchen Hofe aus- gezeichnet wurde, als einen Volksverräther zu brandmarken. Von allen Seiten wurde der „penſionärriſche“ Poet mit gereimten und ungereimten Schmähungen beworfen; überall ſang man die höhniſchen Verſe Hoff- mann’s v. Fallersleben: „wollte mir ein König geben Penſion!“ Dieſer albernen Entrüſtung vermochte der erregbare Dichter nicht Trotz zu bieten; war er doch ſelbſt, obwohl ein ganz unpolitiſcher Kopf, doch nach Anlage und Bildungsgang ein radicaler Schwarmgeiſt. Nach zwei Jahren ſchon fühlte er ſich gedrungen die Annahme des Jahrgelds zu verweigern, und fortan ſang er ſelbſt Zeitgedichte im Geiſte der wildeſten Oppoſition. Seltſam doch, wie unſicher und ſchwächlich die allſeitige Empfänglichkeit des Königs ſich oft zeigte. Die ſentimentale Novelle Godwie Caſtle der ehrbaren Frau Henriette Paalzow fand bei Hofe unbegrenzte Bewunderung; auch der orthodoxe Paſtor Wilhelm Meinhold erfreute ſich der königlichen Gnade, ein abgeſagter Feind der modernen „Vieh-Philoſophie“, der in einem manierirten, alterthümelnden Romane „die Bernſteinhexe“ einen ſcheußlichen Stoff aus der Zeit der Hexenver- brennungen nicht ohne realiſtiſches Talent, aber roh und fanatiſch dar- geſtellt hatte. Ungetrübte Freude wurde dem Könige, bei Allem was er hochherzig zur Förderung der deutſchen Poeſie unternahm, eigentlich nur einmal: als er die edle Begabung Emanuel Geibel’s erkannte und dem Dankbaren durch gütige Unterſtützung über einige bedrängte Jugendjahre hinweghalf.
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licher Stille zu bilden und zu dichten. Eine beſondere Vorliebe hegte
der König für den Schleſier Auguſt Kopiſch, den fröhlichen Wanderer und
Schwimmer, der einſt die blaue Grotte von Capri entdeckt, auch dem Kron-
prinzen in Neapel als Cicerone gedient und, halb Maler halb Poet, das
geheimnißvolle Treiben der Kobolde und Heinzelmännchen, die glückſelige
Dummheit der deutſchen Krähwinkelei, die Luſt des Bechers und der Liebe
in manchem ſchalkhaft anmuthigen Gedichte beſungen hatte. Der wurde
jetzt im Hausminiſterium untergebracht und ſchrieb, läſſig nach Künſtler-
weiſe, viele Jahre lang ein Buch über die Potsdamer Schlöſſer.
Noch ſchlimmer fuhr der König mit dem jungen Ferdinand Freiligrath,
der den Monarchen durch die funkelnde Pracht ſeiner Sprache bezaubert
hatte und ein kleines Jahrgehalt angewieſen erhielt. Vor Kurzem erſt
war Freiligrath den politiſchen Poeten entgegengetreten mit der ſchönen
Mahnung:
Der Dichter ſteht auf einer höh’ren Warte
Als auf der Zinne der Partei —
worauf ihm Herwegh dreiſt erwiderte:
Ich hab’ gewählt, ich habe mich entſchieden,
Und meinen Lorbeer flechte die Partei.
Die Preſſe war aber bereits gewohnt, Jeden der am preußiſchen Hofe aus-
gezeichnet wurde, als einen Volksverräther zu brandmarken. Von allen
Seiten wurde der „penſionärriſche“ Poet mit gereimten und ungereimten
Schmähungen beworfen; überall ſang man die höhniſchen Verſe Hoff-
mann’s v. Fallersleben: „wollte mir ein König geben Penſion!“ Dieſer
albernen Entrüſtung vermochte der erregbare Dichter nicht Trotz zu
bieten; war er doch ſelbſt, obwohl ein ganz unpolitiſcher Kopf, doch
nach Anlage und Bildungsgang ein radicaler Schwarmgeiſt. Nach zwei
Jahren ſchon fühlte er ſich gedrungen die Annahme des Jahrgelds zu
verweigern, und fortan ſang er ſelbſt Zeitgedichte im Geiſte der wildeſten
Oppoſition. Seltſam doch, wie unſicher und ſchwächlich die allſeitige
Empfänglichkeit des Königs ſich oft zeigte. Die ſentimentale Novelle
Godwie Caſtle der ehrbaren Frau Henriette Paalzow fand bei Hofe
unbegrenzte Bewunderung; auch der orthodoxe Paſtor Wilhelm Meinhold
erfreute ſich der königlichen Gnade, ein abgeſagter Feind der modernen
„Vieh-Philoſophie“, der in einem manierirten, alterthümelnden Romane
„die Bernſteinhexe“ einen ſcheußlichen Stoff aus der Zeit der Hexenver-
brennungen nicht ohne realiſtiſches Talent, aber roh und fanatiſch dar-
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hochherzig zur Förderung der deutſchen Poeſie unternahm, eigentlich nur
einmal: als er die edle Begabung Emanuel Geibel’s erkannte und dem
Dankbaren durch gütige Unterſtützung über einige bedrängte Jugendjahre
hinweghalf.
Ein Muſenhof nach dem Vorbilde Rheinsbergs oder Weimars, wie
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/236>, abgerufen am 21.11.2024.
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