hatten nur Spott dafür. Fliedner brachte die ersten Diakonissen nach Berlin, Wichern erhielt preußische Brüder für sein Rauhes Haus zuge- sendet, Beide wurden oft um Rathschläge und Gutachten angegangen*), und freudig versprach Eichhorn seine Unterstützung für die Pläne der inneren Mission.
Dem Könige genügte das nicht. Um den christlichen Charakter seiner Regierung feierlich zu bekunden, wollte er alle die Vereine, welche "das Christenthum durch Leben und That bewiesen", zu einer großen monar- chisch geleiteten Gesellschaft verbinden. Darum beschloß er den längst ver- schollenen Schwanenorden zu erneuern, eine freie geistliche Genossenschaft, welche sein Ahnherr Kurfürst Friedrich II. vor grade vierhundert Jahren gestiftet hatte. Romantische Erinnerungen an die schönen Grabsteine der Schwanenritter in der Ansbacher Stiftskirche und an die prächtige Kapelle der geistlichen Adelsbrüderschaft zu Haßfurt mochten dabei wohl mitwirken. Zu Weihnachten 1843 verkündete er diese Absicht in einem hochpathetischen Patente, dessen alterthümlich klingende Sätze er mit Eichhorn und Thile vereinbart hatte; der Thronfolger wurde erst nachträglich unterrichtet, offen- bar weil man seine nüchterne Kritik fürchtete.**) König und Königin über- nahmen das Großmeisterthum des wiederhergestellten Ordens und hofften auf den Zutritt von "Männern und Frauen ohne Unterschied des Standes und Bekenntnisses". Wie dieser Eintritt erfolgen, wie die bestehenden Vereine sich dem Orden angliedern sollten, darüber sagte das Patent nichts. Der edel gedachte Plan war leider nur ein unreifer Einfall, so nebelhaft, so gestaltlos, daß selbst Wichern meinte, man müsse die Idee des Schwanen- ordens erst in's Deutsche unserer Tage übersetzen, und er erregte einen Sturm der Entrüstung in der öffentlichen Meinung. Nun schien es doch klar erwiesen, daß die Christlichkeit dieses Hofes allein einer phantastischen Schrulle entsprang. Ein mittelalterlicher Orden und noch dazu als höch- stes Ordenszeichen das Bild der heiligen Jungfrau über dem Schwane an goldener Kette hängend: -- das vermochten die aufgeklärten Berliner nicht zu ertragen. Der Hohn und der Abscheu sprachen sich überall kräftig aus; weder Katholiken noch Protestanten konnten sich mit der seltsamen Stiftung befreunden. Sogar Bunsen wurde jetzt bedenklich; und er hatte vor Kurzem noch diesen Orden schwärmerisch begrüßt als eine christliche Centralgewalt, welche Rom vernichten müsse. Da verlor der König den Muth und gab den Schwanenorden stillschweigend auf.
Nur einige der großen Stiftungen, die er unter seinem Orden hatte vereinigen wollen, kamen zu Stande, obgleich die öffentliche Meinung, wie General Thile selbst gestand, "dem specifisch christlichen Geiste" dieser An-
*) Wichern, Denkschrift über das Kloster zum Heiligen Grabe, 1844 u. s. w.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 19. Dec. Thile an den Prinzen von Preußen, 27. Dec. 1843.
Der Schwanenorden.
hatten nur Spott dafür. Fliedner brachte die erſten Diakoniſſen nach Berlin, Wichern erhielt preußiſche Brüder für ſein Rauhes Haus zuge- ſendet, Beide wurden oft um Rathſchläge und Gutachten angegangen*), und freudig verſprach Eichhorn ſeine Unterſtützung für die Pläne der inneren Miſſion.
Dem Könige genügte das nicht. Um den chriſtlichen Charakter ſeiner Regierung feierlich zu bekunden, wollte er alle die Vereine, welche „das Chriſtenthum durch Leben und That bewieſen“, zu einer großen monar- chiſch geleiteten Geſellſchaft verbinden. Darum beſchloß er den längſt ver- ſchollenen Schwanenorden zu erneuern, eine freie geiſtliche Genoſſenſchaft, welche ſein Ahnherr Kurfürſt Friedrich II. vor grade vierhundert Jahren geſtiftet hatte. Romantiſche Erinnerungen an die ſchönen Grabſteine der Schwanenritter in der Ansbacher Stiftskirche und an die prächtige Kapelle der geiſtlichen Adelsbrüderſchaft zu Haßfurt mochten dabei wohl mitwirken. Zu Weihnachten 1843 verkündete er dieſe Abſicht in einem hochpathetiſchen Patente, deſſen alterthümlich klingende Sätze er mit Eichhorn und Thile vereinbart hatte; der Thronfolger wurde erſt nachträglich unterrichtet, offen- bar weil man ſeine nüchterne Kritik fürchtete.**) König und Königin über- nahmen das Großmeiſterthum des wiederhergeſtellten Ordens und hofften auf den Zutritt von „Männern und Frauen ohne Unterſchied des Standes und Bekenntniſſes“. Wie dieſer Eintritt erfolgen, wie die beſtehenden Vereine ſich dem Orden angliedern ſollten, darüber ſagte das Patent nichts. Der edel gedachte Plan war leider nur ein unreifer Einfall, ſo nebelhaft, ſo geſtaltlos, daß ſelbſt Wichern meinte, man müſſe die Idee des Schwanen- ordens erſt in’s Deutſche unſerer Tage überſetzen, und er erregte einen Sturm der Entrüſtung in der öffentlichen Meinung. Nun ſchien es doch klar erwieſen, daß die Chriſtlichkeit dieſes Hofes allein einer phantaſtiſchen Schrulle entſprang. Ein mittelalterlicher Orden und noch dazu als höch- ſtes Ordenszeichen das Bild der heiligen Jungfrau über dem Schwane an goldener Kette hängend: — das vermochten die aufgeklärten Berliner nicht zu ertragen. Der Hohn und der Abſcheu ſprachen ſich überall kräftig aus; weder Katholiken noch Proteſtanten konnten ſich mit der ſeltſamen Stiftung befreunden. Sogar Bunſen wurde jetzt bedenklich; und er hatte vor Kurzem noch dieſen Orden ſchwärmeriſch begrüßt als eine chriſtliche Centralgewalt, welche Rom vernichten müſſe. Da verlor der König den Muth und gab den Schwanenorden ſtillſchweigend auf.
Nur einige der großen Stiftungen, die er unter ſeinem Orden hatte vereinigen wollen, kamen zu Stande, obgleich die öffentliche Meinung, wie General Thile ſelbſt geſtand, „dem ſpecifiſch chriſtlichen Geiſte“ dieſer An-
*) Wichern, Denkſchrift über das Kloſter zum Heiligen Grabe, 1844 u. ſ. w.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 19. Dec. Thile an den Prinzen von Preußen, 27. Dec. 1843.
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Der Schwanenorden.
hatten nur Spott dafür. Fliedner brachte die erſten Diakoniſſen nach
Berlin, Wichern erhielt preußiſche Brüder für ſein Rauhes Haus zuge-
ſendet, Beide wurden oft um Rathſchläge und Gutachten angegangen *),
und freudig verſprach Eichhorn ſeine Unterſtützung für die Pläne der
inneren Miſſion.
Dem Könige genügte das nicht. Um den chriſtlichen Charakter ſeiner
Regierung feierlich zu bekunden, wollte er alle die Vereine, welche „das
Chriſtenthum durch Leben und That bewieſen“, zu einer großen monar-
chiſch geleiteten Geſellſchaft verbinden. Darum beſchloß er den längſt ver-
ſchollenen Schwanenorden zu erneuern, eine freie geiſtliche Genoſſenſchaft,
welche ſein Ahnherr Kurfürſt Friedrich II. vor grade vierhundert Jahren
geſtiftet hatte. Romantiſche Erinnerungen an die ſchönen Grabſteine der
Schwanenritter in der Ansbacher Stiftskirche und an die prächtige Kapelle
der geiſtlichen Adelsbrüderſchaft zu Haßfurt mochten dabei wohl mitwirken.
Zu Weihnachten 1843 verkündete er dieſe Abſicht in einem hochpathetiſchen
Patente, deſſen alterthümlich klingende Sätze er mit Eichhorn und Thile
vereinbart hatte; der Thronfolger wurde erſt nachträglich unterrichtet, offen-
bar weil man ſeine nüchterne Kritik fürchtete. **) König und Königin über-
nahmen das Großmeiſterthum des wiederhergeſtellten Ordens und hofften
auf den Zutritt von „Männern und Frauen ohne Unterſchied des Standes
und Bekenntniſſes“. Wie dieſer Eintritt erfolgen, wie die beſtehenden
Vereine ſich dem Orden angliedern ſollten, darüber ſagte das Patent nichts.
Der edel gedachte Plan war leider nur ein unreifer Einfall, ſo nebelhaft, ſo
geſtaltlos, daß ſelbſt Wichern meinte, man müſſe die Idee des Schwanen-
ordens erſt in’s Deutſche unſerer Tage überſetzen, und er erregte einen
Sturm der Entrüſtung in der öffentlichen Meinung. Nun ſchien es doch
klar erwieſen, daß die Chriſtlichkeit dieſes Hofes allein einer phantaſtiſchen
Schrulle entſprang. Ein mittelalterlicher Orden und noch dazu als höch-
ſtes Ordenszeichen das Bild der heiligen Jungfrau über dem Schwane
an goldener Kette hängend: — das vermochten die aufgeklärten Berliner
nicht zu ertragen. Der Hohn und der Abſcheu ſprachen ſich überall kräftig
aus; weder Katholiken noch Proteſtanten konnten ſich mit der ſeltſamen
Stiftung befreunden. Sogar Bunſen wurde jetzt bedenklich; und er hatte
vor Kurzem noch dieſen Orden ſchwärmeriſch begrüßt als eine chriſtliche
Centralgewalt, welche Rom vernichten müſſe. Da verlor der König den
Muth und gab den Schwanenorden ſtillſchweigend auf.
Nur einige der großen Stiftungen, die er unter ſeinem Orden hatte
vereinigen wollen, kamen zu Stande, obgleich die öffentliche Meinung, wie
General Thile ſelbſt geſtand, „dem ſpecifiſch chriſtlichen Geiſte“ dieſer An-
*) Wichern, Denkſchrift über das Kloſter zum Heiligen Grabe, 1844 u. ſ. w.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 19. Dec. Thile an den Prinzen von Preußen,
27. Dec. 1843.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/261>, abgerufen am 21.11.2024.
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