Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.Geissel. Freier Verkehr mit Rom. so berief er sich auf Rehfues' historische Romane, die sich über die Gräueldes spanisch-italienischen Mönchslebens, der Wahrheit gemäß, sehr aufrichtig aussprachen. Dies genügte, und der geistvolle Romandichter mußte fortan auf seiner schönen Rosenburg bei Bonn in unfreiwilliger Muße leben. So weit war die Staatsgewalt bereits eingeschüchtert: ein protestantischer königlicher Curator wurde entlassen, weil seine Dichtungen einem katholischen Bischof nicht gefielen. Am Hofe lobte Jedermann den milden neuen Erzbischof in partibus, der auch von dem Münchener Nuntius als "Friedens- apostel" warm empfohlen wurde.*) Geissel's erster Hirtenbrief aber war, sanfter in der Form, doch ganz im Geiste des Vorgängers gehalten. Zu gleicher Zeit wurde die einst bei Droste's Verhaftung erlassene Bekannt- machung amtlich zurückgenommen; und nun erst, am 9. März sendete der griesgrämige alte Erzbischof, der bis zuletzt noch "preußische Kniffe" befürchtet hatte, nachträglich auch seinen Hirtenbrief: "dem Moyses, dem Freunde Gottes nachahmend" hob er seine Hände betend zum Himmel und übergab die Heerde dem neuen Oberhirten. Unterdessen hatte die Krone auch die anderen dem römischen Stuhle Weit folgenreicher wurde die Errichtung der katholischen Abtheilung *) Nuntius Viale Prela an Brühl, 11. Febr. 1842. **) Brühl's Bericht, Rom 3. Aug. 1841. ***) Dankbriefe an Eichhorn, von den Bischöfen und Bisthumsverwesern von Münster 13. Jan., Culm 13. Jan., Trier 16. Jan., Paderborn 18. Jan., Köln 20. Jan. 1841 u. s. w. +) s. o. IV. 713.
Geiſſel. Freier Verkehr mit Rom. ſo berief er ſich auf Rehfues’ hiſtoriſche Romane, die ſich über die Gräueldes ſpaniſch-italieniſchen Mönchslebens, der Wahrheit gemäß, ſehr aufrichtig ausſprachen. Dies genügte, und der geiſtvolle Romandichter mußte fortan auf ſeiner ſchönen Roſenburg bei Bonn in unfreiwilliger Muße leben. So weit war die Staatsgewalt bereits eingeſchüchtert: ein proteſtantiſcher königlicher Curator wurde entlaſſen, weil ſeine Dichtungen einem katholiſchen Biſchof nicht gefielen. Am Hofe lobte Jedermann den milden neuen Erzbiſchof in partibus, der auch von dem Münchener Nuntius als „Friedens- apoſtel“ warm empfohlen wurde.*) Geiſſel’s erſter Hirtenbrief aber war, ſanfter in der Form, doch ganz im Geiſte des Vorgängers gehalten. Zu gleicher Zeit wurde die einſt bei Droſte’s Verhaftung erlaſſene Bekannt- machung amtlich zurückgenommen; und nun erſt, am 9. März ſendete der griesgrämige alte Erzbiſchof, der bis zuletzt noch „preußiſche Kniffe“ befürchtet hatte, nachträglich auch ſeinen Hirtenbrief: „dem Moyſes, dem Freunde Gottes nachahmend“ hob er ſeine Hände betend zum Himmel und übergab die Heerde dem neuen Oberhirten. Unterdeſſen hatte die Krone auch die anderen dem römiſchen Stuhle Weit folgenreicher wurde die Errichtung der katholiſchen Abtheilung *) Nuntius Viale Prela an Brühl, 11. Febr. 1842. **) Brühl’s Bericht, Rom 3. Aug. 1841. ***) Dankbriefe an Eichhorn, von den Biſchöfen und Bisthumsverweſern von Münſter 13. Jan., Culm 13. Jan., Trier 16. Jan., Paderborn 18. Jan., Köln 20. Jan. 1841 u. ſ. w. †) ſ. o. IV. 713.
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Geiſſel. Freier Verkehr mit Rom.
ſo berief er ſich auf Rehfues’ hiſtoriſche Romane, die ſich über die Gräuel
des ſpaniſch-italieniſchen Mönchslebens, der Wahrheit gemäß, ſehr aufrichtig
ausſprachen. Dies genügte, und der geiſtvolle Romandichter mußte fortan
auf ſeiner ſchönen Roſenburg bei Bonn in unfreiwilliger Muße leben.
So weit war die Staatsgewalt bereits eingeſchüchtert: ein proteſtantiſcher
königlicher Curator wurde entlaſſen, weil ſeine Dichtungen einem katholiſchen
Biſchof nicht gefielen. Am Hofe lobte Jedermann den milden neuen
Erzbiſchof in partibus, der auch von dem Münchener Nuntius als „Friedens-
apoſtel“ warm empfohlen wurde. *) Geiſſel’s erſter Hirtenbrief aber war,
ſanfter in der Form, doch ganz im Geiſte des Vorgängers gehalten. Zu
gleicher Zeit wurde die einſt bei Droſte’s Verhaftung erlaſſene Bekannt-
machung amtlich zurückgenommen; und nun erſt, am 9. März ſendete
der griesgrämige alte Erzbiſchof, der bis zuletzt noch „preußiſche Kniffe“
befürchtet hatte, nachträglich auch ſeinen Hirtenbrief: „dem Moyſes, dem
Freunde Gottes nachahmend“ hob er ſeine Hände betend zum Himmel
und übergab die Heerde dem neuen Oberhirten.
Unterdeſſen hatte die Krone auch die anderen dem römiſchen Stuhle
gegebenen Zuſagen eingelöſt. Zu Neujahr 1841 gewährte ſie den Bi-
ſchöfen freien Verkehr mit dem Papſte und ermäßigte das Recht des Pla-
cet dergeſtalt, daß fortan lediglich die den Staat berührenden Erlaſſe der
kirchlichen Behörden der Anzeigepflicht unterlagen. Sie verzichtete damit
lediglich auf veraltete, unwirkſame Rechte; bei der Abdankung Sedlnitzky’s
hatte ſie ja ſoeben erſt mehrmals erfahren, wie leicht ſich das Placet in
dieſem Zeitalter freien Weltverkehrs umgehen ließ. Den Biſchöfen brachte
die neue Freiheit im Grunde nur Beläſtigungen; denn bisher hatte
ihnen die königliche Geſandtſchaft die allezeit umſtändlichen vaticaniſchen
Geſchäfte ſtets gut und pünktlich beſorgt, jetzt mußten ſie in Rom eigene
Agenten dafür halten, die ſich nicht immer bewährten. **) Immerhin
blieb es eine kühne That hochherzigen Freiſinns, daß der König freiwillig
einem Hoheitsrechte entſagte, das von den meiſten anderen Landesherren,
auch den katholiſchen, noch feſtgehalten und von der vorherrſchenden libe-
ralen Staatslehre als unentbehrlich angeſehen wurde. Mit der Be-
theuerung ewiger Dankbarkeit und unverbrüchlicher Treue begrüßten ſeine
Landesbiſchöfe dieſen „großartigen Beweis königlichen Vertrauens“. ***)
Weit folgenreicher wurde die Errichtung der katholiſchen Abtheilung
im Cultusminiſterium, am 14. Februar 1841. Der erſte Vorſchlag dazu
war einſt von Württemberg ausgegangen und von dem alten Könige
genehmigt worden. †) Der Nachfolger erweiterte den urſprünglichen Plan;
*) Nuntius Viale Prela an Brühl, 11. Febr. 1842.
**) Brühl’s Bericht, Rom 3. Aug. 1841.
***) Dankbriefe an Eichhorn, von den Biſchöfen und Bisthumsverweſern von Münſter
13. Jan., Culm 13. Jan., Trier 16. Jan., Paderborn 18. Jan., Köln 20. Jan.
1841 u. ſ. w.
†) ſ. o. IV. 713.
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