lesen lassen, als wenn ich selbst mit ihnen gesprochen hätte, daß sie wirken sollen. Es gilt."*) Dies genügte, der Landtag trennte sich in Frieden. Einige wüste Straßenaufläufe, die in der nächsten Zeit die Hauptstadt beunruhigten, hatten ihren Grund lediglich in den hohen Bierpreisen; bedenklich war nur, daß die Truppen den angestammten Durst auch nicht verleugen konnten und dem Pöbel gegenüber schlechte Mannszucht hielten.
Auch ernstere Anzeichen verriethen schon, daß die Regierung nicht mehr ganz fest stand. Die Liebe der Massen besaß der König längst nicht mehr; die kleinen Bürger schalten auf seine Baulust, auf seine wiederholten italienischen Reisen, auf die knappe Verwaltung und den ewigen kirchlichen Zank. An der Thüre der Ludwigskirche fand man mehrmals ein freches Vater Unser angeschlagen, das den Vater des Baierlandes bat: erlöse uns von dem Uebel deiner Person. Als Abel im Staatsrathe vorschlug, der König möge den protestantischen Synoden sein Mißfallen öffentlich aus- sprechen, da konnte der bisher Allmächtige schon nicht mehr durchdringen. Sein alter Freund von Griechenland her, der gelehrte Maurer, trat ihm ent- schieden entgegen; desgleichen der Kronprinz, den die Ultramontanen insgeheim wegen seiner preußischen Heirath und wegen seines Verkehrs mit norddeut- schen Gelehrten haßten; ja selbst der streng katholische junge Prinz Luitpold verlangte, daß man den Protestanten ihr gutes Recht nicht verkümmere.**) Da erschrak der König; Gerechtigkeit war ja sein Stolz und man hörte ihn einmal ausrufen: "mit Abel geht es nicht mehr."
Noch im selben Jahre, Dec. 1845, trat der neu gewählte Landtag zusammen und er zeigte sich von Haus aus weit streitbarer als sein Vor- gänger. Wohl betheuerte die Adresse der zweiten Kammer inbrünstig: "Unterthanen eines solchen Königs zu sein ist der Baiern Stolz;" der ludovicianische Lapidarstil wirkte ansteckend, ihn nachzuahmen gehörte zum Hofbrauch. Zum Präsidenten wurde jedoch Frhr. v. Rotenhan gewählt, der tapfere protestantische Franke, und da Abel sieben protestantischen Abgeordneten den Urlaub verweigert hatte, so kam es gleich anfangs zu heftigen Auftritten. Zwei liberale Aristokraten Frhr. v. Thon-Dittmer und Max v. Lerchenfeld standen an der Spitze der Opposition, entschlossene Männer von ungewöhnlicher Beredsamkeit. Die schärfsten Angriffe wider- fuhren dem Minister jedoch abermals im Hause der Reichsräthe. Die unmäßige Begünstigung des Klosterwesens hatte selbst in dieser fast durch- aus katholischen Kammer Besorgnisse erweckt. Man zählte bereits 9 männ- liche, 14 weibliche Orden im Lande mit mindestens 132 Klöstern; Ge- naues wußte Niemand. Die Nonnen gaben wenig Aergerniß; nur die Lehrschwestern machten sich oft unnütz durch seelenrettende Betriebsamkeit. Von den Mönchen genossen die Benediktiner hohes Ansehen; sie hatten sich
*) K. Ludwig an den Abg. Auerweck, o. D. (Ende März 1842).
**) Bericht des Ministerresidenten v. Küster, 28. Febr. 1845.
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
leſen laſſen, als wenn ich ſelbſt mit ihnen geſprochen hätte, daß ſie wirken ſollen. Es gilt.“*) Dies genügte, der Landtag trennte ſich in Frieden. Einige wüſte Straßenaufläufe, die in der nächſten Zeit die Hauptſtadt beunruhigten, hatten ihren Grund lediglich in den hohen Bierpreiſen; bedenklich war nur, daß die Truppen den angeſtammten Durſt auch nicht verleugen konnten und dem Pöbel gegenüber ſchlechte Mannszucht hielten.
Auch ernſtere Anzeichen verriethen ſchon, daß die Regierung nicht mehr ganz feſt ſtand. Die Liebe der Maſſen beſaß der König längſt nicht mehr; die kleinen Bürger ſchalten auf ſeine Bauluſt, auf ſeine wiederholten italieniſchen Reiſen, auf die knappe Verwaltung und den ewigen kirchlichen Zank. An der Thüre der Ludwigskirche fand man mehrmals ein freches Vater Unſer angeſchlagen, das den Vater des Baierlandes bat: erlöſe uns von dem Uebel deiner Perſon. Als Abel im Staatsrathe vorſchlug, der König möge den proteſtantiſchen Synoden ſein Mißfallen öffentlich aus- ſprechen, da konnte der bisher Allmächtige ſchon nicht mehr durchdringen. Sein alter Freund von Griechenland her, der gelehrte Maurer, trat ihm ent- ſchieden entgegen; desgleichen der Kronprinz, den die Ultramontanen insgeheim wegen ſeiner preußiſchen Heirath und wegen ſeines Verkehrs mit norddeut- ſchen Gelehrten haßten; ja ſelbſt der ſtreng katholiſche junge Prinz Luitpold verlangte, daß man den Proteſtanten ihr gutes Recht nicht verkümmere.**) Da erſchrak der König; Gerechtigkeit war ja ſein Stolz und man hörte ihn einmal ausrufen: „mit Abel geht es nicht mehr.“
Noch im ſelben Jahre, Dec. 1845, trat der neu gewählte Landtag zuſammen und er zeigte ſich von Haus aus weit ſtreitbarer als ſein Vor- gänger. Wohl betheuerte die Adreſſe der zweiten Kammer inbrünſtig: „Unterthanen eines ſolchen Königs zu ſein iſt der Baiern Stolz;“ der ludovicianiſche Lapidarſtil wirkte anſteckend, ihn nachzuahmen gehörte zum Hofbrauch. Zum Präſidenten wurde jedoch Frhr. v. Rotenhan gewählt, der tapfere proteſtantiſche Franke, und da Abel ſieben proteſtantiſchen Abgeordneten den Urlaub verweigert hatte, ſo kam es gleich anfangs zu heftigen Auftritten. Zwei liberale Ariſtokraten Frhr. v. Thon-Dittmer und Max v. Lerchenfeld ſtanden an der Spitze der Oppoſition, entſchloſſene Männer von ungewöhnlicher Beredſamkeit. Die ſchärfſten Angriffe wider- fuhren dem Miniſter jedoch abermals im Hauſe der Reichsräthe. Die unmäßige Begünſtigung des Kloſterweſens hatte ſelbſt in dieſer faſt durch- aus katholiſchen Kammer Beſorgniſſe erweckt. Man zählte bereits 9 männ- liche, 14 weibliche Orden im Lande mit mindeſtens 132 Klöſtern; Ge- naues wußte Niemand. Die Nonnen gaben wenig Aergerniß; nur die Lehrſchweſtern machten ſich oft unnütz durch ſeelenrettende Betriebſamkeit. Von den Mönchen genoſſen die Benediktiner hohes Anſehen; ſie hatten ſich
*) K. Ludwig an den Abg. Auerweck, o. D. (Ende März 1842).
**) Bericht des Miniſterreſidenten v. Küſter, 28. Febr. 1845.
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V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
leſen laſſen, als wenn ich ſelbſt mit ihnen geſprochen hätte, daß ſie wirken
ſollen. Es gilt.“ *) Dies genügte, der Landtag trennte ſich in Frieden.
Einige wüſte Straßenaufläufe, die in der nächſten Zeit die Hauptſtadt
beunruhigten, hatten ihren Grund lediglich in den hohen Bierpreiſen;
bedenklich war nur, daß die Truppen den angeſtammten Durſt auch nicht
verleugen konnten und dem Pöbel gegenüber ſchlechte Mannszucht hielten.
Auch ernſtere Anzeichen verriethen ſchon, daß die Regierung nicht
mehr ganz feſt ſtand. Die Liebe der Maſſen beſaß der König längſt nicht
mehr; die kleinen Bürger ſchalten auf ſeine Bauluſt, auf ſeine wiederholten
italieniſchen Reiſen, auf die knappe Verwaltung und den ewigen kirchlichen
Zank. An der Thüre der Ludwigskirche fand man mehrmals ein freches
Vater Unſer angeſchlagen, das den Vater des Baierlandes bat: erlöſe uns
von dem Uebel deiner Perſon. Als Abel im Staatsrathe vorſchlug, der
König möge den proteſtantiſchen Synoden ſein Mißfallen öffentlich aus-
ſprechen, da konnte der bisher Allmächtige ſchon nicht mehr durchdringen.
Sein alter Freund von Griechenland her, der gelehrte Maurer, trat ihm ent-
ſchieden entgegen; desgleichen der Kronprinz, den die Ultramontanen insgeheim
wegen ſeiner preußiſchen Heirath und wegen ſeines Verkehrs mit norddeut-
ſchen Gelehrten haßten; ja ſelbſt der ſtreng katholiſche junge Prinz Luitpold
verlangte, daß man den Proteſtanten ihr gutes Recht nicht verkümmere. **)
Da erſchrak der König; Gerechtigkeit war ja ſein Stolz und man hörte
ihn einmal ausrufen: „mit Abel geht es nicht mehr.“
Noch im ſelben Jahre, Dec. 1845, trat der neu gewählte Landtag
zuſammen und er zeigte ſich von Haus aus weit ſtreitbarer als ſein Vor-
gänger. Wohl betheuerte die Adreſſe der zweiten Kammer inbrünſtig:
„Unterthanen eines ſolchen Königs zu ſein iſt der Baiern Stolz;“ der
ludovicianiſche Lapidarſtil wirkte anſteckend, ihn nachzuahmen gehörte zum
Hofbrauch. Zum Präſidenten wurde jedoch Frhr. v. Rotenhan gewählt,
der tapfere proteſtantiſche Franke, und da Abel ſieben proteſtantiſchen
Abgeordneten den Urlaub verweigert hatte, ſo kam es gleich anfangs zu
heftigen Auftritten. Zwei liberale Ariſtokraten Frhr. v. Thon-Dittmer
und Max v. Lerchenfeld ſtanden an der Spitze der Oppoſition, entſchloſſene
Männer von ungewöhnlicher Beredſamkeit. Die ſchärfſten Angriffe wider-
fuhren dem Miniſter jedoch abermals im Hauſe der Reichsräthe. Die
unmäßige Begünſtigung des Kloſterweſens hatte ſelbſt in dieſer faſt durch-
aus katholiſchen Kammer Beſorgniſſe erweckt. Man zählte bereits 9 männ-
liche, 14 weibliche Orden im Lande mit mindeſtens 132 Klöſtern; Ge-
naues wußte Niemand. Die Nonnen gaben wenig Aergerniß; nur die
Lehrſchweſtern machten ſich oft unnütz durch ſeelenrettende Betriebſamkeit.
Von den Mönchen genoſſen die Benediktiner hohes Anſehen; ſie hatten ſich
*) K. Ludwig an den Abg. Auerweck, o. D. (Ende März 1842).
**) Bericht des Miniſterreſidenten v. Küſter, 28. Febr. 1845.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/336>, abgerufen am 24.11.2024.
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