Reihe von Beschwerden über die Bedrängniß der katholischen Kirche vor- zulegen. Die begleitende Denkschrift lautete so ungeschlacht, daß ihm Minister Schlayer auf den Kopf zusagte, dergleichen könnten nur junge Hitzköpfe geschrieben haben.
Der Schlag war von langer Hand her vorbereitet; Graf Zeil hatte sich deswegen in München mit Abel und dem Nuntius verabredet.*) Aber auch die Gegner geriethen in Aufregung. Die tapferen Evangelischen in der Exulantenstadt Freudenstadt, die pietistischen Stundenleute von Calw und Kornthal, alle guten Altwürttemberger riefen erschrocken: jetzt wollen die Jesuiten die feste Burg des süddeutschen Protestantismus erstürmen. Nach leidenschaftlicher Berathung wurden die Beschwerden des Bischofs von der Kammer allesammt abgewiesen und nur eine ange- nommen: die Klage über die Beschränkung der Presse, eine Klage, die sich freilich in Keller's Munde seltsam ausnahm, da er früherhin immer gegen die gottlose Preßfreiheit geeifert hatte. Hier zeigte sich, wo die Stärke der Ultramontanen lag. Wenn sie das Zauberwort der Freiheit gegen die unleugbaren Härten des alten Polizeistaates geschickt ausspielten, dann konnte ihnen die Hilfe der Liberalen nicht fehlen. Trotz ihres Sieges fühlte sich die Regierung unsicher und suchte ihr Verhalten durch eine Denkschrift vor dem römischen Stuhle zu rechtfertigen. Bald darauf (1844) gewährte sie aus freien Stücken zwei kleine Erleichterungen. Der Bischof erhielt eine etwas erweiterte Disciplinargewalt und die Besetzung von fünf- zehn Pfarreien. Der alte Territorialismus hatte noch einen letzten Er- folg davon getragen, aber seine Tage waren gezählt. --
Nicht blos den Staatsgewalten hatte die römische Kirche große Zugeständ- nisse entrungen; sie bewährte ihre gewaltige Widerstandskraft auch gegen den Versuch einer Sektenbildung, die freilich von Haus aus hohl und geistlos, doch an dem unklaren politischen Freiheitsdrange der Zeit eine Stütze fand. Arnoldi, der einst von dem alten Könige zurückgewiesene, nunmehr von dem Nachfolger begünstigte neue Bischof von Trier, gerieth bald in die Hände der clericalen Partei und veranstaltete im Sommer 1844 die Ausstellung des ungenähten heiligen Rocks -- ein Schauspiel, das seit mehr als einem Menschenalter unterblieben war und jetzt, wie der alte Görres öffentlich aussprach, lediglich dazu dienen sollte, den Triumph der Kirche über den paritätischen Staat feierlich zu bekunden. Und dies pfäffische Blendwerk wurde gewagt, obwohl Papst Gregor erst vor einem Jahre den Benedik- tinern von Argenteuil in einem Breve bezeugt hatte, daß sie den heiligen Rock des Herrn in ihrem Altar verwahrten. Zum Ueberfluß bewiesen
*) Dönhoff's Bericht, München 28. März. 1842.
Clericale Bewegung in Württemberg.
Reihe von Beſchwerden über die Bedrängniß der katholiſchen Kirche vor- zulegen. Die begleitende Denkſchrift lautete ſo ungeſchlacht, daß ihm Miniſter Schlayer auf den Kopf zuſagte, dergleichen könnten nur junge Hitzköpfe geſchrieben haben.
Der Schlag war von langer Hand her vorbereitet; Graf Zeil hatte ſich deswegen in München mit Abel und dem Nuntius verabredet.*) Aber auch die Gegner geriethen in Aufregung. Die tapferen Evangeliſchen in der Exulantenſtadt Freudenſtadt, die pietiſtiſchen Stundenleute von Calw und Kornthal, alle guten Altwürttemberger riefen erſchrocken: jetzt wollen die Jeſuiten die feſte Burg des ſüddeutſchen Proteſtantismus erſtürmen. Nach leidenſchaftlicher Berathung wurden die Beſchwerden des Biſchofs von der Kammer alleſammt abgewieſen und nur eine ange- nommen: die Klage über die Beſchränkung der Preſſe, eine Klage, die ſich freilich in Keller’s Munde ſeltſam ausnahm, da er früherhin immer gegen die gottloſe Preßfreiheit geeifert hatte. Hier zeigte ſich, wo die Stärke der Ultramontanen lag. Wenn ſie das Zauberwort der Freiheit gegen die unleugbaren Härten des alten Polizeiſtaates geſchickt ausſpielten, dann konnte ihnen die Hilfe der Liberalen nicht fehlen. Trotz ihres Sieges fühlte ſich die Regierung unſicher und ſuchte ihr Verhalten durch eine Denkſchrift vor dem römiſchen Stuhle zu rechtfertigen. Bald darauf (1844) gewährte ſie aus freien Stücken zwei kleine Erleichterungen. Der Biſchof erhielt eine etwas erweiterte Disciplinargewalt und die Beſetzung von fünf- zehn Pfarreien. Der alte Territorialismus hatte noch einen letzten Er- folg davon getragen, aber ſeine Tage waren gezählt. —
Nicht blos den Staatsgewalten hatte die römiſche Kirche große Zugeſtänd- niſſe entrungen; ſie bewährte ihre gewaltige Widerſtandskraft auch gegen den Verſuch einer Sektenbildung, die freilich von Haus aus hohl und geiſtlos, doch an dem unklaren politiſchen Freiheitsdrange der Zeit eine Stütze fand. Arnoldi, der einſt von dem alten Könige zurückgewieſene, nunmehr von dem Nachfolger begünſtigte neue Biſchof von Trier, gerieth bald in die Hände der clericalen Partei und veranſtaltete im Sommer 1844 die Ausſtellung des ungenähten heiligen Rocks — ein Schauſpiel, das ſeit mehr als einem Menſchenalter unterblieben war und jetzt, wie der alte Görres öffentlich ausſprach, lediglich dazu dienen ſollte, den Triumph der Kirche über den paritätiſchen Staat feierlich zu bekunden. Und dies pfäffiſche Blendwerk wurde gewagt, obwohl Papſt Gregor erſt vor einem Jahre den Benedik- tinern von Argenteuil in einem Breve bezeugt hatte, daß ſie den heiligen Rock des Herrn in ihrem Altar verwahrten. Zum Ueberfluß bewieſen
*) Dönhoff’s Bericht, München 28. März. 1842.
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Clericale Bewegung in Württemberg.
Reihe von Beſchwerden über die Bedrängniß der katholiſchen Kirche vor-
zulegen. Die begleitende Denkſchrift lautete ſo ungeſchlacht, daß ihm
Miniſter Schlayer auf den Kopf zuſagte, dergleichen könnten nur junge
Hitzköpfe geſchrieben haben.
Der Schlag war von langer Hand her vorbereitet; Graf Zeil hatte
ſich deswegen in München mit Abel und dem Nuntius verabredet. *)
Aber auch die Gegner geriethen in Aufregung. Die tapferen Evangeliſchen
in der Exulantenſtadt Freudenſtadt, die pietiſtiſchen Stundenleute von
Calw und Kornthal, alle guten Altwürttemberger riefen erſchrocken: jetzt
wollen die Jeſuiten die feſte Burg des ſüddeutſchen Proteſtantismus
erſtürmen. Nach leidenſchaftlicher Berathung wurden die Beſchwerden des
Biſchofs von der Kammer alleſammt abgewieſen und nur eine ange-
nommen: die Klage über die Beſchränkung der Preſſe, eine Klage, die
ſich freilich in Keller’s Munde ſeltſam ausnahm, da er früherhin immer
gegen die gottloſe Preßfreiheit geeifert hatte. Hier zeigte ſich, wo die Stärke
der Ultramontanen lag. Wenn ſie das Zauberwort der Freiheit gegen
die unleugbaren Härten des alten Polizeiſtaates geſchickt ausſpielten, dann
konnte ihnen die Hilfe der Liberalen nicht fehlen. Trotz ihres Sieges
fühlte ſich die Regierung unſicher und ſuchte ihr Verhalten durch eine
Denkſchrift vor dem römiſchen Stuhle zu rechtfertigen. Bald darauf (1844)
gewährte ſie aus freien Stücken zwei kleine Erleichterungen. Der Biſchof
erhielt eine etwas erweiterte Disciplinargewalt und die Beſetzung von fünf-
zehn Pfarreien. Der alte Territorialismus hatte noch einen letzten Er-
folg davon getragen, aber ſeine Tage waren gezählt. —
Nicht blos den Staatsgewalten hatte die römiſche Kirche große Zugeſtänd-
niſſe entrungen; ſie bewährte ihre gewaltige Widerſtandskraft auch gegen den
Verſuch einer Sektenbildung, die freilich von Haus aus hohl und geiſtlos,
doch an dem unklaren politiſchen Freiheitsdrange der Zeit eine Stütze fand.
Arnoldi, der einſt von dem alten Könige zurückgewieſene, nunmehr von dem
Nachfolger begünſtigte neue Biſchof von Trier, gerieth bald in die Hände der
clericalen Partei und veranſtaltete im Sommer 1844 die Ausſtellung des
ungenähten heiligen Rocks — ein Schauſpiel, das ſeit mehr als einem
Menſchenalter unterblieben war und jetzt, wie der alte Görres öffentlich
ausſprach, lediglich dazu dienen ſollte, den Triumph der Kirche über den
paritätiſchen Staat feierlich zu bekunden. Und dies pfäffiſche Blendwerk
wurde gewagt, obwohl Papſt Gregor erſt vor einem Jahre den Benedik-
tinern von Argenteuil in einem Breve bezeugt hatte, daß ſie den heiligen
Rock des Herrn in ihrem Altar verwahrten. Zum Ueberfluß bewieſen
*) Dönhoff’s Bericht, München 28. März. 1842.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/349>, abgerufen am 21.11.2024.
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