wurde Geh. Rath v. Düesberg berufen, derselbe, der zuerst die Leitung der Katholischen Abtheilung übernommen hatte, ein tüchtiger Jurist, aber auch kein Finanzmann.
Die Reform der Preußischen Bank allein befriedigte die Masse der Kaufleute und Fabrikanten schon darum nicht, weil die Bank in den Provinzen nur erst wenige Contore und Commanditen besaß. Für West- phalen berechnete Fritz Harkort den jährlichen Umschlag der fünf wichtigsten Gewerbszweige -- sicherlich noch zu niedrig -- auf 16 Mill. Thlr.; und diese Provinz mit fast 11/2 Mill. Einwohnern besaß erst drei kleine Bankiers, in Münster und Schwelm, sie mußte ihre Creditgeschäfte durch Kölner Bankhäuser besorgen lassen. In Wort und Schrift verlangte nun Harkort eine Privatbank für seine Heimath; dann traf er (1845) in Berlin mit Industriellen aus Schlesien, Posen und dem Rheinlande zusammen, die Regierung schlug jedoch alle Bitten ab, weil sie zunächst ihre eigene Bank neu ordnen wollte. Ein neuer Stand von Capitalisten und Staats- gläubigern wuchs heran; deßhalb forderte der geistvolle Nationalökonom Rodbertus-Jagetzow eine große Hauptbank in Berlin mit vielen Filialen, deren Capital zur einen Hälfte durch freie Zeichnung, zur anderen durch die Provinzen aufgebracht werden sollte. Auch ein ungeheures Schwindel- unternehmen zeigte, daß die alte übervorsichtige Bankpolitik sich nicht mehr halten ließ. In Dessau versuchte der Kölner Schulte eine Riesenbank zu gründen mit 100, späterhin gar 200 Mill. Thlr. Capital, wofür ebenso viel Banknoten ausgegeben werden sollten. Da das Anhaltische Streit- ländchen noch von den Zeiten des Köthener Zollkrieges her an freundnach- barliche Ausbeutung der preußischen Umlande gewöhnt war, so willfahrte der Dessauer Hof dem Gesuch und zeigte sich tief gekränkt, als Preußen keine Filialen dieses Unternehmens dulden wollte. Späterhin schrumpfte diese wundersame Dessauer Bank zusammen zu einer Landesbank mit 21/2 Mill. Capital. Für solche Zeichen der Zeit war der König nicht blind. Als er die neue Bankordnung genehmigte, beauftragte er zugleich Rother, einen Gesetzentwurf über die Privatbanken auszuarbeiten. Hier aber versagte die Kraft des Alten. Rother vermochte sich in den neuen Verkehr nicht recht zu finden und hegte, obwohl ihn Schön schändlicher- weise einen Judengenossen schimpfte, unüberwindliche Scheu vor den Gefahren des Bankschwindels. Privat-Zettelbanken wollte er überhaupt nicht dulden; und wenn ja eine Bankgesellschaft für Wechsel-, Lombard- und Depositenverkehr erlaubt würde, dann sollte fünf Meilen im Um- kreise keine zweite sich bilden dürfen. So ängstliche Vorschläge konnten unmöglich ausreichen, die Revolution schritt bald über sie hinweg.
Auch in der Verwaltung der Seehandlung, die er einst selbst aus tiefem Verfalle gerettet hatte, wollte Rother jetzt nichts mehr ändern. Die Bank war für den Verkehr der kaufmännischen Welt bestimmt, die Seehandlung für die Geldgeschäfte des Staates, und sie leistete ihm treffliche Dienste,
Die Bank-Ordnung. Flottwell’s Entlaſſung.
wurde Geh. Rath v. Düesberg berufen, derſelbe, der zuerſt die Leitung der Katholiſchen Abtheilung übernommen hatte, ein tüchtiger Juriſt, aber auch kein Finanzmann.
Die Reform der Preußiſchen Bank allein befriedigte die Maſſe der Kaufleute und Fabrikanten ſchon darum nicht, weil die Bank in den Provinzen nur erſt wenige Contore und Commanditen beſaß. Für Weſt- phalen berechnete Fritz Harkort den jährlichen Umſchlag der fünf wichtigſten Gewerbszweige — ſicherlich noch zu niedrig — auf 16 Mill. Thlr.; und dieſe Provinz mit faſt 1½ Mill. Einwohnern beſaß erſt drei kleine Bankiers, in Münſter und Schwelm, ſie mußte ihre Creditgeſchäfte durch Kölner Bankhäuſer beſorgen laſſen. In Wort und Schrift verlangte nun Harkort eine Privatbank für ſeine Heimath; dann traf er (1845) in Berlin mit Induſtriellen aus Schleſien, Poſen und dem Rheinlande zuſammen, die Regierung ſchlug jedoch alle Bitten ab, weil ſie zunächſt ihre eigene Bank neu ordnen wollte. Ein neuer Stand von Capitaliſten und Staats- gläubigern wuchs heran; deßhalb forderte der geiſtvolle Nationalökonom Rodbertus-Jagetzow eine große Hauptbank in Berlin mit vielen Filialen, deren Capital zur einen Hälfte durch freie Zeichnung, zur anderen durch die Provinzen aufgebracht werden ſollte. Auch ein ungeheures Schwindel- unternehmen zeigte, daß die alte übervorſichtige Bankpolitik ſich nicht mehr halten ließ. In Deſſau verſuchte der Kölner Schulte eine Rieſenbank zu gründen mit 100, ſpäterhin gar 200 Mill. Thlr. Capital, wofür ebenſo viel Banknoten ausgegeben werden ſollten. Da das Anhaltiſche Streit- ländchen noch von den Zeiten des Köthener Zollkrieges her an freundnach- barliche Ausbeutung der preußiſchen Umlande gewöhnt war, ſo willfahrte der Deſſauer Hof dem Geſuch und zeigte ſich tief gekränkt, als Preußen keine Filialen dieſes Unternehmens dulden wollte. Späterhin ſchrumpfte dieſe wunderſame Deſſauer Bank zuſammen zu einer Landesbank mit 2½ Mill. Capital. Für ſolche Zeichen der Zeit war der König nicht blind. Als er die neue Bankordnung genehmigte, beauftragte er zugleich Rother, einen Geſetzentwurf über die Privatbanken auszuarbeiten. Hier aber verſagte die Kraft des Alten. Rother vermochte ſich in den neuen Verkehr nicht recht zu finden und hegte, obwohl ihn Schön ſchändlicher- weiſe einen Judengenoſſen ſchimpfte, unüberwindliche Scheu vor den Gefahren des Bankſchwindels. Privat-Zettelbanken wollte er überhaupt nicht dulden; und wenn ja eine Bankgeſellſchaft für Wechſel-, Lombard- und Depoſitenverkehr erlaubt würde, dann ſollte fünf Meilen im Um- kreiſe keine zweite ſich bilden dürfen. So ängſtliche Vorſchläge konnten unmöglich ausreichen, die Revolution ſchritt bald über ſie hinweg.
Auch in der Verwaltung der Seehandlung, die er einſt ſelbſt aus tiefem Verfalle gerettet hatte, wollte Rother jetzt nichts mehr ändern. Die Bank war für den Verkehr der kaufmänniſchen Welt beſtimmt, die Seehandlung für die Geldgeſchäfte des Staates, und ſie leiſtete ihm treffliche Dienſte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0519"n="505"/><fwplace="top"type="header">Die Bank-Ordnung. Flottwell’s Entlaſſung.</fw><lb/>
wurde Geh. Rath v. Düesberg berufen, derſelbe, der zuerſt die Leitung<lb/>
der Katholiſchen Abtheilung übernommen hatte, ein tüchtiger Juriſt, aber<lb/>
auch kein Finanzmann.</p><lb/><p>Die Reform der Preußiſchen Bank allein befriedigte die Maſſe der<lb/>
Kaufleute und Fabrikanten ſchon darum nicht, weil die Bank in den<lb/>
Provinzen nur erſt wenige Contore und Commanditen beſaß. Für Weſt-<lb/>
phalen berechnete Fritz Harkort den jährlichen Umſchlag der fünf wichtigſten<lb/>
Gewerbszweige —ſicherlich noch zu niedrig — auf 16 Mill. Thlr.;<lb/>
und dieſe Provinz mit faſt 1½ Mill. Einwohnern beſaß erſt drei kleine<lb/>
Bankiers, in Münſter und Schwelm, ſie mußte ihre Creditgeſchäfte durch<lb/>
Kölner Bankhäuſer beſorgen laſſen. In Wort und Schrift verlangte nun<lb/>
Harkort eine Privatbank für ſeine Heimath; dann traf er (1845) in Berlin<lb/>
mit Induſtriellen aus Schleſien, Poſen und dem Rheinlande zuſammen,<lb/>
die Regierung ſchlug jedoch alle Bitten ab, weil ſie zunächſt ihre eigene<lb/>
Bank neu ordnen wollte. Ein neuer Stand von Capitaliſten und Staats-<lb/>
gläubigern wuchs heran; deßhalb forderte der geiſtvolle Nationalökonom<lb/>
Rodbertus-Jagetzow eine große Hauptbank in Berlin mit vielen Filialen,<lb/>
deren Capital zur einen Hälfte durch freie Zeichnung, zur anderen durch<lb/>
die Provinzen aufgebracht werden ſollte. Auch ein ungeheures Schwindel-<lb/>
unternehmen zeigte, daß die alte übervorſichtige Bankpolitik ſich nicht mehr<lb/>
halten ließ. In Deſſau verſuchte der Kölner Schulte eine Rieſenbank zu<lb/>
gründen mit 100, ſpäterhin gar 200 Mill. Thlr. Capital, wofür ebenſo<lb/>
viel Banknoten ausgegeben werden ſollten. Da das Anhaltiſche Streit-<lb/>
ländchen noch von den Zeiten des Köthener Zollkrieges her an freundnach-<lb/>
barliche Ausbeutung der preußiſchen Umlande gewöhnt war, ſo willfahrte<lb/>
der Deſſauer Hof dem Geſuch und zeigte ſich tief gekränkt, als Preußen<lb/>
keine Filialen dieſes Unternehmens dulden wollte. Späterhin ſchrumpfte<lb/>
dieſe wunderſame Deſſauer Bank zuſammen zu einer Landesbank mit<lb/>
2½ Mill. Capital. Für ſolche Zeichen der Zeit war der König nicht<lb/>
blind. Als er die neue Bankordnung genehmigte, beauftragte er zugleich<lb/>
Rother, einen Geſetzentwurf über die Privatbanken auszuarbeiten. Hier<lb/>
aber verſagte die Kraft des Alten. Rother vermochte ſich in den neuen<lb/>
Verkehr nicht recht zu finden und hegte, obwohl ihn Schön ſchändlicher-<lb/>
weiſe einen Judengenoſſen ſchimpfte, unüberwindliche Scheu vor den<lb/>
Gefahren des Bankſchwindels. Privat-Zettelbanken wollte er überhaupt<lb/>
nicht dulden; und wenn ja eine Bankgeſellſchaft für Wechſel-, Lombard-<lb/>
und Depoſitenverkehr erlaubt würde, dann ſollte fünf Meilen im Um-<lb/>
kreiſe keine zweite ſich bilden dürfen. So ängſtliche Vorſchläge konnten<lb/>
unmöglich ausreichen, die Revolution ſchritt bald über ſie hinweg.</p><lb/><p>Auch in der Verwaltung der Seehandlung, die er einſt ſelbſt aus tiefem<lb/>
Verfalle gerettet hatte, wollte Rother jetzt nichts mehr ändern. Die Bank<lb/>
war für den Verkehr der kaufmänniſchen Welt beſtimmt, die Seehandlung<lb/>
für die Geldgeſchäfte des Staates, und ſie leiſtete ihm treffliche Dienſte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[505/0519]
Die Bank-Ordnung. Flottwell’s Entlaſſung.
wurde Geh. Rath v. Düesberg berufen, derſelbe, der zuerſt die Leitung
der Katholiſchen Abtheilung übernommen hatte, ein tüchtiger Juriſt, aber
auch kein Finanzmann.
Die Reform der Preußiſchen Bank allein befriedigte die Maſſe der
Kaufleute und Fabrikanten ſchon darum nicht, weil die Bank in den
Provinzen nur erſt wenige Contore und Commanditen beſaß. Für Weſt-
phalen berechnete Fritz Harkort den jährlichen Umſchlag der fünf wichtigſten
Gewerbszweige — ſicherlich noch zu niedrig — auf 16 Mill. Thlr.;
und dieſe Provinz mit faſt 1½ Mill. Einwohnern beſaß erſt drei kleine
Bankiers, in Münſter und Schwelm, ſie mußte ihre Creditgeſchäfte durch
Kölner Bankhäuſer beſorgen laſſen. In Wort und Schrift verlangte nun
Harkort eine Privatbank für ſeine Heimath; dann traf er (1845) in Berlin
mit Induſtriellen aus Schleſien, Poſen und dem Rheinlande zuſammen,
die Regierung ſchlug jedoch alle Bitten ab, weil ſie zunächſt ihre eigene
Bank neu ordnen wollte. Ein neuer Stand von Capitaliſten und Staats-
gläubigern wuchs heran; deßhalb forderte der geiſtvolle Nationalökonom
Rodbertus-Jagetzow eine große Hauptbank in Berlin mit vielen Filialen,
deren Capital zur einen Hälfte durch freie Zeichnung, zur anderen durch
die Provinzen aufgebracht werden ſollte. Auch ein ungeheures Schwindel-
unternehmen zeigte, daß die alte übervorſichtige Bankpolitik ſich nicht mehr
halten ließ. In Deſſau verſuchte der Kölner Schulte eine Rieſenbank zu
gründen mit 100, ſpäterhin gar 200 Mill. Thlr. Capital, wofür ebenſo
viel Banknoten ausgegeben werden ſollten. Da das Anhaltiſche Streit-
ländchen noch von den Zeiten des Köthener Zollkrieges her an freundnach-
barliche Ausbeutung der preußiſchen Umlande gewöhnt war, ſo willfahrte
der Deſſauer Hof dem Geſuch und zeigte ſich tief gekränkt, als Preußen
keine Filialen dieſes Unternehmens dulden wollte. Späterhin ſchrumpfte
dieſe wunderſame Deſſauer Bank zuſammen zu einer Landesbank mit
2½ Mill. Capital. Für ſolche Zeichen der Zeit war der König nicht
blind. Als er die neue Bankordnung genehmigte, beauftragte er zugleich
Rother, einen Geſetzentwurf über die Privatbanken auszuarbeiten. Hier
aber verſagte die Kraft des Alten. Rother vermochte ſich in den neuen
Verkehr nicht recht zu finden und hegte, obwohl ihn Schön ſchändlicher-
weiſe einen Judengenoſſen ſchimpfte, unüberwindliche Scheu vor den
Gefahren des Bankſchwindels. Privat-Zettelbanken wollte er überhaupt
nicht dulden; und wenn ja eine Bankgeſellſchaft für Wechſel-, Lombard-
und Depoſitenverkehr erlaubt würde, dann ſollte fünf Meilen im Um-
kreiſe keine zweite ſich bilden dürfen. So ängſtliche Vorſchläge konnten
unmöglich ausreichen, die Revolution ſchritt bald über ſie hinweg.
Auch in der Verwaltung der Seehandlung, die er einſt ſelbſt aus tiefem
Verfalle gerettet hatte, wollte Rother jetzt nichts mehr ändern. Die Bank
war für den Verkehr der kaufmänniſchen Welt beſtimmt, die Seehandlung
für die Geldgeſchäfte des Staates, und ſie leiſtete ihm treffliche Dienſte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/519>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.