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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 7. Polen und Schleswigholstein.

Der preußische Abgesandte weilte schon seit zwei Wochen am Sunde
und dachte noch länger zu bleiben; da kam am 2. März die Nachricht
von dem Sturze des Julikönigthums und zwang ihn zu schleuniger Heim-
kehr. Kaum hatte er die Insel verlassen, so fand die Pariser Revolution
in Kopenhagen einen donnernden Widerhall. Eine stürmische Volkser-
hebung warf die Gesammtstaatspläne über den Haufen, führte die eider-
dänische Partei an's Ruder und zwang den König Friedrich zu einer Ge-
waltthat, die seinen stillen Herzensmeinungen wohl entsprechen mochte.
Mit einem Federzuge wurde die vierhundertjährige Einheit Schleswighol-
steins vernichtet. Jetzt blieb keine Wahl mehr. Vor dem ehrlichen Radi-
calismus des Krieges mußte jede Halbheit verschwinden. Unsere Nord-
mark stand vor der Frage: dänisch oder deutsch? --



V. 7. Polen und Schleswigholſtein.

Der preußiſche Abgeſandte weilte ſchon ſeit zwei Wochen am Sunde
und dachte noch länger zu bleiben; da kam am 2. März die Nachricht
von dem Sturze des Julikönigthums und zwang ihn zu ſchleuniger Heim-
kehr. Kaum hatte er die Inſel verlaſſen, ſo fand die Pariſer Revolution
in Kopenhagen einen donnernden Widerhall. Eine ſtürmiſche Volkser-
hebung warf die Geſammtſtaatspläne über den Haufen, führte die eider-
däniſche Partei an’s Ruder und zwang den König Friedrich zu einer Ge-
waltthat, die ſeinen ſtillen Herzensmeinungen wohl entſprechen mochte.
Mit einem Federzuge wurde die vierhundertjährige Einheit Schleswighol-
ſteins vernichtet. Jetzt blieb keine Wahl mehr. Vor dem ehrlichen Radi-
calismus des Krieges mußte jede Halbheit verſchwinden. Unſere Nord-
mark ſtand vor der Frage: däniſch oder deutſch? —



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[590/0604] V. 7. Polen und Schleswigholſtein. Der preußiſche Abgeſandte weilte ſchon ſeit zwei Wochen am Sunde und dachte noch länger zu bleiben; da kam am 2. März die Nachricht von dem Sturze des Julikönigthums und zwang ihn zu ſchleuniger Heim- kehr. Kaum hatte er die Inſel verlaſſen, ſo fand die Pariſer Revolution in Kopenhagen einen donnernden Widerhall. Eine ſtürmiſche Volkser- hebung warf die Geſammtſtaatspläne über den Haufen, führte die eider- däniſche Partei an’s Ruder und zwang den König Friedrich zu einer Ge- waltthat, die ſeinen ſtillen Herzensmeinungen wohl entſprechen mochte. Mit einem Federzuge wurde die vierhundertjährige Einheit Schleswighol- ſteins vernichtet. Jetzt blieb keine Wahl mehr. Vor dem ehrlichen Radi- calismus des Krieges mußte jede Halbheit verſchwinden. Unſere Nord- mark ſtand vor der Frage: däniſch oder deutſch? —

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/604>, abgerufen am 23.11.2024.