alter, das Amt, das in seinen Händen nur ein Ehrenamt sein konnte und sollte.
So regierte der König in seiner Unumschränktheit weiter, und ganz unmöglich war es, ihn in dem Gange zu stören, den er sich für seine ständische Gesetzgebung vorgezeichnet hatte. Seine Umgebungen unter- standen sich kaum noch zu widersprechen. Höchstens der freimüthige Gene- ral v. Forstner wagte zuweilen, den angebeteten Monarchen über "seine Polen" oder ähnliche Phantasiebilder aufzuklären*); und wenn der libe- rale Leibarzt, der große Kliniker Schönlein sich mit seiner durch den langen Schweizer Aufenthalt noch gestärkten fränkischen Derbheit einmal ein burschi- koses Kraftwort erlaubte, dann lachte Friedrich Wilhelm gemüthlich; er kannte das süddeutsche Sprichwort: die Bamberger rauchen keinen feinen! Der ost- preußische Graf Dohna-Lauck, wahrhaftig kein Liberaler, bat ihn im Nov. 1847 flehentlich, die periodische Einberufung des Landtags alsbald aus- zusprechen, noch bevor eine der vielen ständischen Körperschaften wieder zusammenträte, und zugleich ein einfaches Zweikammersystem einzuführen, so daß die Herrencurie aus ihrer unerträglichen Mittelstellung heraus- käme. Dann würde die ständische Gesetzgebung endlich ihren Abschluß erhalten.**) Es waren dieselben einfachen Gedanken, welche Graf Arnim als Minister so oft vertheidigt hatte. Die geheimnißvollen Pläne des Königs standen aber schon fest: zunächst sollten die Stände Alles, was er anbefohlen, buchstäblich ausführen, dann erst wollte er den gehorsamen Kindern das letzte Geschenk seiner väterlichen Huld, die periodische Be- rufung des Landtags ankündigen.
So geschah es auch. Die ständische Staatsschuldencommission be- gann befohlenermaßen ihre Thätigkeit, und im Januar 1848 traten die Vereinigten Ausschüsse zur Berathung des Strafgesetzbuchs zusammen. Beckerath erklärte noch im letzten Augenblicke, daß er wegen seiner Rechts- bedenken fern bleiben müsse. Ludolf Camphausen aber erschien, versöhn- licher als die Mehrzahl seiner rheinischen Landsleute; und es machte tiefen Eindruck, als dieser königstreue, durch und durch preußisch gesinnte Patriot den Verlauf der letzten Kämpfe in bewegter Rede, nicht unpar- teiisch aber auch nicht ungerecht, also schilderte: "Als die Stände bis auf die äußerste Grenze vorrückten und, weit hinübergebogen, die Hand zur Ausgleichung darboten, ist diese Hand im Zorne zurückgestoßen worden. Ein Wort hätte hingereicht, den Verfassungsstreit in Preußen auf immer zu beendigen. Es ist nicht gesprochen worden. Die Folgen müssen ge- tragen werden. Die Geschichte aber wird richten zwischen uns und der Regierung!" Im Ganzen zeigte der Vereinigte Ausschuß große Mäßigung, er hielt sich streng an seine nächste Aufgabe. Der Entwurf des Straf-
*) Forstner an Oberstleutnant v. d. Goltz, 15. April 1846.
**) Graf Dohna-Lauck an Bodelschwingh, 28. Juli; dessen Denkschrift "über die gegenwärtige Lage der ständischen Verfassungsverhältnisse", Nov. 1847.
V. 8. Der Vereinigte Landtag.
alter, das Amt, das in ſeinen Händen nur ein Ehrenamt ſein konnte und ſollte.
So regierte der König in ſeiner Unumſchränktheit weiter, und ganz unmöglich war es, ihn in dem Gange zu ſtören, den er ſich für ſeine ſtändiſche Geſetzgebung vorgezeichnet hatte. Seine Umgebungen unter- ſtanden ſich kaum noch zu widerſprechen. Höchſtens der freimüthige Gene- ral v. Forſtner wagte zuweilen, den angebeteten Monarchen über „ſeine Polen“ oder ähnliche Phantaſiebilder aufzuklären*); und wenn der libe- rale Leibarzt, der große Kliniker Schönlein ſich mit ſeiner durch den langen Schweizer Aufenthalt noch geſtärkten fränkiſchen Derbheit einmal ein burſchi- koſes Kraftwort erlaubte, dann lachte Friedrich Wilhelm gemüthlich; er kannte das ſüddeutſche Sprichwort: die Bamberger rauchen keinen feinen! Der oſt- preußiſche Graf Dohna-Lauck, wahrhaftig kein Liberaler, bat ihn im Nov. 1847 flehentlich, die periodiſche Einberufung des Landtags alsbald aus- zuſprechen, noch bevor eine der vielen ſtändiſchen Körperſchaften wieder zuſammenträte, und zugleich ein einfaches Zweikammerſyſtem einzuführen, ſo daß die Herrencurie aus ihrer unerträglichen Mittelſtellung heraus- käme. Dann würde die ſtändiſche Geſetzgebung endlich ihren Abſchluß erhalten.**) Es waren dieſelben einfachen Gedanken, welche Graf Arnim als Miniſter ſo oft vertheidigt hatte. Die geheimnißvollen Pläne des Königs ſtanden aber ſchon feſt: zunächſt ſollten die Stände Alles, was er anbefohlen, buchſtäblich ausführen, dann erſt wollte er den gehorſamen Kindern das letzte Geſchenk ſeiner väterlichen Huld, die periodiſche Be- rufung des Landtags ankündigen.
So geſchah es auch. Die ſtändiſche Staatsſchuldencommiſſion be- gann befohlenermaßen ihre Thätigkeit, und im Januar 1848 traten die Vereinigten Ausſchüſſe zur Berathung des Strafgeſetzbuchs zuſammen. Beckerath erklärte noch im letzten Augenblicke, daß er wegen ſeiner Rechts- bedenken fern bleiben müſſe. Ludolf Camphauſen aber erſchien, verſöhn- licher als die Mehrzahl ſeiner rheiniſchen Landsleute; und es machte tiefen Eindruck, als dieſer königstreue, durch und durch preußiſch geſinnte Patriot den Verlauf der letzten Kämpfe in bewegter Rede, nicht unpar- teiiſch aber auch nicht ungerecht, alſo ſchilderte: „Als die Stände bis auf die äußerſte Grenze vorrückten und, weit hinübergebogen, die Hand zur Ausgleichung darboten, iſt dieſe Hand im Zorne zurückgeſtoßen worden. Ein Wort hätte hingereicht, den Verfaſſungsſtreit in Preußen auf immer zu beendigen. Es iſt nicht geſprochen worden. Die Folgen müſſen ge- tragen werden. Die Geſchichte aber wird richten zwiſchen uns und der Regierung!“ Im Ganzen zeigte der Vereinigte Ausſchuß große Mäßigung, er hielt ſich ſtreng an ſeine nächſte Aufgabe. Der Entwurf des Straf-
*) Forſtner an Oberſtleutnant v. d. Goltz, 15. April 1846.
**) Graf Dohna-Lauck an Bodelſchwingh, 28. Juli; deſſen Denkſchrift „über die gegenwärtige Lage der ſtändiſchen Verfaſſungsverhältniſſe“, Nov. 1847.
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V. 8. Der Vereinigte Landtag.
alter, das Amt, das in ſeinen Händen nur ein Ehrenamt ſein konnte und
ſollte.
So regierte der König in ſeiner Unumſchränktheit weiter, und ganz
unmöglich war es, ihn in dem Gange zu ſtören, den er ſich für ſeine
ſtändiſche Geſetzgebung vorgezeichnet hatte. Seine Umgebungen unter-
ſtanden ſich kaum noch zu widerſprechen. Höchſtens der freimüthige Gene-
ral v. Forſtner wagte zuweilen, den angebeteten Monarchen über „ſeine
Polen“ oder ähnliche Phantaſiebilder aufzuklären *); und wenn der libe-
rale Leibarzt, der große Kliniker Schönlein ſich mit ſeiner durch den langen
Schweizer Aufenthalt noch geſtärkten fränkiſchen Derbheit einmal ein burſchi-
koſes Kraftwort erlaubte, dann lachte Friedrich Wilhelm gemüthlich; er kannte
das ſüddeutſche Sprichwort: die Bamberger rauchen keinen feinen! Der oſt-
preußiſche Graf Dohna-Lauck, wahrhaftig kein Liberaler, bat ihn im Nov.
1847 flehentlich, die periodiſche Einberufung des Landtags alsbald aus-
zuſprechen, noch bevor eine der vielen ſtändiſchen Körperſchaften wieder
zuſammenträte, und zugleich ein einfaches Zweikammerſyſtem einzuführen,
ſo daß die Herrencurie aus ihrer unerträglichen Mittelſtellung heraus-
käme. Dann würde die ſtändiſche Geſetzgebung endlich ihren Abſchluß
erhalten. **) Es waren dieſelben einfachen Gedanken, welche Graf Arnim
als Miniſter ſo oft vertheidigt hatte. Die geheimnißvollen Pläne des
Königs ſtanden aber ſchon feſt: zunächſt ſollten die Stände Alles, was er
anbefohlen, buchſtäblich ausführen, dann erſt wollte er den gehorſamen
Kindern das letzte Geſchenk ſeiner väterlichen Huld, die periodiſche Be-
rufung des Landtags ankündigen.
So geſchah es auch. Die ſtändiſche Staatsſchuldencommiſſion be-
gann befohlenermaßen ihre Thätigkeit, und im Januar 1848 traten die
Vereinigten Ausſchüſſe zur Berathung des Strafgeſetzbuchs zuſammen.
Beckerath erklärte noch im letzten Augenblicke, daß er wegen ſeiner Rechts-
bedenken fern bleiben müſſe. Ludolf Camphauſen aber erſchien, verſöhn-
licher als die Mehrzahl ſeiner rheiniſchen Landsleute; und es machte
tiefen Eindruck, als dieſer königstreue, durch und durch preußiſch geſinnte
Patriot den Verlauf der letzten Kämpfe in bewegter Rede, nicht unpar-
teiiſch aber auch nicht ungerecht, alſo ſchilderte: „Als die Stände bis auf
die äußerſte Grenze vorrückten und, weit hinübergebogen, die Hand zur
Ausgleichung darboten, iſt dieſe Hand im Zorne zurückgeſtoßen worden.
Ein Wort hätte hingereicht, den Verfaſſungsſtreit in Preußen auf immer
zu beendigen. Es iſt nicht geſprochen worden. Die Folgen müſſen ge-
tragen werden. Die Geſchichte aber wird richten zwiſchen uns und der
Regierung!“ Im Ganzen zeigte der Vereinigte Ausſchuß große Mäßigung,
er hielt ſich ſtreng an ſeine nächſte Aufgabe. Der Entwurf des Straf-
*) Forſtner an Oberſtleutnant v. d. Goltz, 15. April 1846.
**) Graf Dohna-Lauck an Bodelſchwingh, 28. Juli; deſſen Denkſchrift „über die
gegenwärtige Lage der ſtändiſchen Verfaſſungsverhältniſſe“, Nov. 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/660>, abgerufen am 22.11.2024.
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