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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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und dass keine dieser Voraussetzungen allein, son-
dern erst beyde zusammengenommen, eine hin-
reichende Erklärungsart abgeben.

Aber in den Einwirkungen der leblosen Natur
auf das lebende Individuum ist nichts Bleibendes.
Die Materie, die in dem einen Augenblicke auf das
letztere als Reitz agirt, wird in dem folgenden
durch eine andere verdrängt. Die Fortdauer der
lebenden Natur würde also auf keinen festen Ge-
setzen, sondern auf einem regellosen Ohngefähr
beruhen, wenn die leblose Aussenwelt unmittelbar
auf die Lebenskraft einwirkte. Ueberdies darf die
Fortpflanzung des Geschlechts erst dann erfolgen,
wenn der lebende Organismus sich schon bis auf
einen gewissen Punkt der vita maxima genähert
hat. Wir entgehen dieser Schwürigkeit, wenn wir
annehmen, dass jeder lebende Organismus von sei-
nem Ursprunge an mit einer gewissen Quantität
lebloser Materie in Verbindung steht, und dass die
übrige leblose Natur nur durch dieses Medium auf
die Lebenskraft einwirkt.

Hierbey stossen wir indess auf eine neue
Schwürigkeit. Wir haben nehmlich angenommen,
dass eine Materie einer andern lebenden desto mehr
Lebenskraft entzieht, je geringer die Vitalität der er-
stern in Vergleichung mit der der letztern ist. Eine
leblose Masse wird also einem lebenden Körper wo
nicht mehr, doch eben so viel Lebenskraft rauben,

als

und daſs keine dieser Voraussetzungen allein, son-
dern erst beyde zusammengenommen, eine hin-
reichende Erklärungsart abgeben.

Aber in den Einwirkungen der leblosen Natur
auf das lebende Individuum ist nichts Bleibendes.
Die Materie, die in dem einen Augenblicke auf das
letztere als Reitz agirt, wird in dem folgenden
durch eine andere verdrängt. Die Fortdauer der
lebenden Natur würde also auf keinen festen Ge-
setzen, sondern auf einem regellosen Ohngefähr
beruhen, wenn die leblose Aussenwelt unmittelbar
auf die Lebenskraft einwirkte. Ueberdies darf die
Fortpflanzung des Geschlechts erst dann erfolgen,
wenn der lebende Organismus sich schon bis auf
einen gewissen Punkt der vita maxima genähert
hat. Wir entgehen dieser Schwürigkeit, wenn wir
annehmen, daſs jeder lebende Organismus von sei-
nem Ursprunge an mit einer gewissen Quantität
lebloser Materie in Verbindung steht, und daſs die
übrige leblose Natur nur durch dieses Medium auf
die Lebenskraft einwirkt.

Hierbey stoſsen wir indeſs auf eine neue
Schwürigkeit. Wir haben nehmlich angenommen,
daſs eine Materie einer andern lebenden desto mehr
Lebenskraft entzieht, je geringer die Vitalität der er-
stern in Vergleichung mit der der letztern ist. Eine
leblose Masse wird also einem lebenden Körper wo
nicht mehr, doch eben so viel Lebenskraft rauben,

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[92/0112] und daſs keine dieser Voraussetzungen allein, son- dern erst beyde zusammengenommen, eine hin- reichende Erklärungsart abgeben. Aber in den Einwirkungen der leblosen Natur auf das lebende Individuum ist nichts Bleibendes. Die Materie, die in dem einen Augenblicke auf das letztere als Reitz agirt, wird in dem folgenden durch eine andere verdrängt. Die Fortdauer der lebenden Natur würde also auf keinen festen Ge- setzen, sondern auf einem regellosen Ohngefähr beruhen, wenn die leblose Aussenwelt unmittelbar auf die Lebenskraft einwirkte. Ueberdies darf die Fortpflanzung des Geschlechts erst dann erfolgen, wenn der lebende Organismus sich schon bis auf einen gewissen Punkt der vita maxima genähert hat. Wir entgehen dieser Schwürigkeit, wenn wir annehmen, daſs jeder lebende Organismus von sei- nem Ursprunge an mit einer gewissen Quantität lebloser Materie in Verbindung steht, und daſs die übrige leblose Natur nur durch dieses Medium auf die Lebenskraft einwirkt. Hierbey stoſsen wir indeſs auf eine neue Schwürigkeit. Wir haben nehmlich angenommen, daſs eine Materie einer andern lebenden desto mehr Lebenskraft entzieht, je geringer die Vitalität der er- stern in Vergleichung mit der der letztern ist. Eine leblose Masse wird also einem lebenden Körper wo nicht mehr, doch eben so viel Lebenskraft rauben, als

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/112>, abgerufen am 10.05.2024.