dass bey dem gegenwärtigen System von den ver- schiedenen Zeugungstheorien blos die Epigenese zu- lässig ist.
Wir haben vorhin gezeigt, dass die lebende Materie in einer bestimmten Form des Lebens sich zur vita maxima erhebt, indem sie fremde lebende Materie ihrer eigenen assimilirt. Da nun die leben- de Materie an sich gestaltlos ist, und erst durch die Verbindung mit Stoffen der leblosen Natur eine be- stimmte Form erhält, so kann diese Verähnlichung nur darin bestehen, dass der assimilirende Organis- mus die zu verähnlichende Materie erst von den- jenigen Stoffen trennet, welche dieser eine von der seinigen verschiedene Form des Lebens gaben, und sie nachher mit denen wieder verbindet, wodurch die ihm eigene Form des Lebens bestimmt ist. Ei- ne solche Decomposition und Composition erfordert aber eine Thätigkeit des assimilirenden Organis- mus, und jede Thätigkeit des letztern setzt eine äussere Einwirkung voraus. Hiermit ergeben sich also dreyerley ihren Ursachen nach verschiedene Ar- ten von Krankheiten:
1) von Mangel an Reitzungen. Hieraus entsteht aufgehaltenes Fortschreiten zur vita maxima, oder beschleunigte Rückkehr zur vita minima.
2) Von Uebermaass an Reitzungen. Dieses be- schleunigt den Fortgang zur vita maxima, aber eben dadurch auch die Rückkehr zur vita minima.
3) Von
G 3
daſs bey dem gegenwärtigen System von den ver- schiedenen Zeugungstheorien blos die Epigenese zu- lässig ist.
Wir haben vorhin gezeigt, daſs die lebende Materie in einer bestimmten Form des Lebens sich zur vita maxima erhebt, indem sie fremde lebende Materie ihrer eigenen assimilirt. Da nun die leben- de Materie an sich gestaltlos ist, und erst durch die Verbindung mit Stoffen der leblosen Natur eine be- stimmte Form erhält, so kann diese Verähnlichung nur darin bestehen, daſs der assimilirende Organis- mus die zu verähnlichende Materie erst von den- jenigen Stoffen trennet, welche dieser eine von der seinigen verschiedene Form des Lebens gaben, und sie nachher mit denen wieder verbindet, wodurch die ihm eigene Form des Lebens bestimmt ist. Ei- ne solche Decomposition und Composition erfordert aber eine Thätigkeit des assimilirenden Organis- mus, und jede Thätigkeit des letztern setzt eine äussere Einwirkung voraus. Hiermit ergeben sich also dreyerley ihren Ursachen nach verschiedene Ar- ten von Krankheiten:
1) von Mangel an Reitzungen. Hieraus entsteht aufgehaltenes Fortschreiten zur vita maxima, oder beschleunigte Rückkehr zur vita minima.
2) Von Uebermaaſs an Reitzungen. Dieses be- schleunigt den Fortgang zur vita maxima, aber eben dadurch auch die Rückkehr zur vita minima.
3) Von
G 3
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daſs bey dem gegenwärtigen System von den ver-
schiedenen Zeugungstheorien blos die Epigenese zu-
lässig ist.
Wir haben vorhin gezeigt, daſs die lebende
Materie in einer bestimmten Form des Lebens sich
zur vita maxima erhebt, indem sie fremde lebende
Materie ihrer eigenen assimilirt. Da nun die leben-
de Materie an sich gestaltlos ist, und erst durch die
Verbindung mit Stoffen der leblosen Natur eine be-
stimmte Form erhält, so kann diese Verähnlichung
nur darin bestehen, daſs der assimilirende Organis-
mus die zu verähnlichende Materie erst von den-
jenigen Stoffen trennet, welche dieser eine von der
seinigen verschiedene Form des Lebens gaben, und
sie nachher mit denen wieder verbindet, wodurch
die ihm eigene Form des Lebens bestimmt ist. Ei-
ne solche Decomposition und Composition erfordert
aber eine Thätigkeit des assimilirenden Organis-
mus, und jede Thätigkeit des letztern setzt eine
äussere Einwirkung voraus. Hiermit ergeben sich
also dreyerley ihren Ursachen nach verschiedene Ar-
ten von Krankheiten:
1) von Mangel an Reitzungen. Hieraus entsteht
aufgehaltenes Fortschreiten zur vita maxima,
oder beschleunigte Rückkehr zur vita minima.
2) Von Uebermaaſs an Reitzungen. Dieses be-
schleunigt den Fortgang zur vita maxima,
aber eben dadurch auch die Rückkehr zur vita
minima.
3) Von
G 3
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/121>, abgerufen am 04.12.2024.
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