den Vorhöfen derselben, und haben kaum noch eine Ahndung von dem, was ihr Heiligthum ver- schliesst! Wie lässt sich also erwarten, dass Beo- bachtungen des lebenden menschlichen Organis- mus, wobey tausend Schwürigkeiten statt finden, die dem Physiker nicht im Wege stehen, eine so grosse Anzahl reiner Erfahrungen, wie der Empiri- ker zur Ausübung seiner Kunst bedarf, liefern können?
Jeder Mensch, er gehe mit noch so reinem Herzen an das Studium der Natur, hat gewisse Lieblingsmeinungen, die seinem Beobachtungsgei- ste Fesseln anlegen. Wer sich mit Gegenständen beschäftigt, worüber objektive Erfahrungen mög- lich sind, kann diese Ketten abwerfen; ja, sie müssen ihm endlich abfallen, wenn er nicht schon von Vorurtheilen ganz verblendet ist. Aber wer mit Beobachtungen umgeht, die nur zu subjektiven Erfahrungen führen können, bleibt ewig den Ge- fahren der Täuschung ausgesetzt. Sieht er Dinge, die mit seinen Lieblingsideen übereinstimmen, so kann er gefunden haben, was er finden wollte; ist er eben dieser Ursache wegen misstrauisch ge- gen seine Beobachtungen, und glaubt er nach öf- terer Wiederhohlung derselben eine Täuschung in ihnen entdeckt zu haben, wer bürgt uns, dass gera- de dieses Misstrauen nicht die Quelle einer ent- gegengesetzten Täuschung geworden ist? Die Ue-
berein-
den Vorhöfen derselben, und haben kaum noch eine Ahndung von dem, was ihr Heiligthum ver- schlieſst! Wie läſst sich also erwarten, daſs Beo- bachtungen des lebenden menschlichen Organis- mus, wobey tausend Schwürigkeiten statt finden, die dem Physiker nicht im Wege stehen, eine so groſse Anzahl reiner Erfahrungen, wie der Empiri- ker zur Ausübung seiner Kunst bedarf, liefern können?
Jeder Mensch, er gehe mit noch so reinem Herzen an das Studium der Natur, hat gewisse Lieblingsmeinungen, die seinem Beobachtungsgei- ste Fesseln anlegen. Wer sich mit Gegenständen beschäftigt, worüber objektive Erfahrungen mög- lich sind, kann diese Ketten abwerfen; ja, sie müssen ihm endlich abfallen, wenn er nicht schon von Vorurtheilen ganz verblendet ist. Aber wer mit Beobachtungen umgeht, die nur zu subjektiven Erfahrungen führen können, bleibt ewig den Ge- fahren der Täuschung ausgesetzt. Sieht er Dinge, die mit seinen Lieblingsideen übereinstimmen, so kann er gefunden haben, was er finden wollte; ist er eben dieser Ursache wegen miſstrauisch ge- gen seine Beobachtungen, und glaubt er nach öf- terer Wiederhohlung derselben eine Täuschung in ihnen entdeckt zu haben, wer bürgt uns, daſs gera- de dieses Miſstrauen nicht die Quelle einer ent- gegengesetzten Täuschung geworden ist? Die Ue-
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den Vorhöfen derselben, und haben kaum noch
eine Ahndung von dem, was ihr Heiligthum ver-
schlieſst! Wie läſst sich also erwarten, daſs Beo-
bachtungen des lebenden menschlichen Organis-
mus, wobey tausend Schwürigkeiten statt finden,
die dem Physiker nicht im Wege stehen, eine so
groſse Anzahl reiner Erfahrungen, wie der Empiri-
ker zur Ausübung seiner Kunst bedarf, liefern
können?
Jeder Mensch, er gehe mit noch so reinem
Herzen an das Studium der Natur, hat gewisse
Lieblingsmeinungen, die seinem Beobachtungsgei-
ste Fesseln anlegen. Wer sich mit Gegenständen
beschäftigt, worüber objektive Erfahrungen mög-
lich sind, kann diese Ketten abwerfen; ja, sie
müssen ihm endlich abfallen, wenn er nicht schon
von Vorurtheilen ganz verblendet ist. Aber wer
mit Beobachtungen umgeht, die nur zu subjektiven
Erfahrungen führen können, bleibt ewig den Ge-
fahren der Täuschung ausgesetzt. Sieht er Dinge,
die mit seinen Lieblingsideen übereinstimmen, so
kann er gefunden haben, was er finden wollte;
ist er eben dieser Ursache wegen miſstrauisch ge-
gen seine Beobachtungen, und glaubt er nach öf-
terer Wiederhohlung derselben eine Täuschung in
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/152>, abgerufen am 04.12.2024.
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