Zeiten fieng man an zu ahnden, dass die Lehre von der lebenden Natur mit eben dem Rechte, wie die von der leblosen, zum Range einer eigenen Wissenschaft erhoben zu werden verdiene. Meist aber blieb es noch bey der blossen Ahndung. Erst Wenige versuchten es, jene Lehre als eine eigene Wissenschaft zu behandeln, und diese Versuche wurden immer nur einseitig in Beziehung auf die Heilkunde gemacht.
Unsere Absicht ist, einen neuen Versuch der Art zu wagen, wobey wir keine Rücksicht auf die Anwendungen nehmen werden, die sich von den Resultaten unserer Untersuchungen in irgend einer Kunst oder andern Wissenschaft machen lassen. Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden die verschiedenen Formen und Erschei- nungen des Lebens seyn, die Bedingun- gen und Gesetze, unter welchen dieser Zustand statt findet, und die Ursachen, wodurch derselbe bewirkt wird. Die Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, werden wir mit dem Namen der Bio- logie oder Lebenslehre bezeichnen.
Wir unternehmen hiermit ein Werk, wozu die Materialien bisher in den verschiedensten Wissenschaften, vorzüglich aber in der Natur- geschichte und in der theoretischen Heilkunde, zerstreut lagen. Aus der Naturgeschichte, einer
Wissen-
Zeiten fieng man an zu ahnden, daſs die Lehre von der lebenden Natur mit eben dem Rechte, wie die von der leblosen, zum Range einer eigenen Wissenschaft erhoben zu werden verdiene. Meist aber blieb es noch bey der bloſsen Ahndung. Erst Wenige versuchten es, jene Lehre als eine eigene Wissenschaft zu behandeln, und diese Versuche wurden immer nur einseitig in Beziehung auf die Heilkunde gemacht.
Unsere Absicht ist, einen neuen Versuch der Art zu wagen, wobey wir keine Rücksicht auf die Anwendungen nehmen werden, die sich von den Resultaten unserer Untersuchungen in irgend einer Kunst oder andern Wissenschaft machen lassen. Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden die verschiedenen Formen und Erschei- nungen des Lebens seyn, die Bedingun- gen und Gesetze, unter welchen dieser Zustand statt findet, und die Ursachen, wodurch derselbe bewirkt wird. Die Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, werden wir mit dem Namen der Bio- logie oder Lebenslehre bezeichnen.
Wir unternehmen hiermit ein Werk, wozu die Materialien bisher in den verschiedensten Wissenschaften, vorzüglich aber in der Natur- geschichte und in der theoretischen Heilkunde, zerstreut lagen. Aus der Naturgeschichte, einer
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Zeiten fieng man an zu ahnden, daſs die Lehre
von der lebenden Natur mit eben dem Rechte, wie
die von der leblosen, zum Range einer eigenen
Wissenschaft erhoben zu werden verdiene. Meist
aber blieb es noch bey der bloſsen Ahndung. Erst
Wenige versuchten es, jene Lehre als eine eigene
Wissenschaft zu behandeln, und diese Versuche
wurden immer nur einseitig in Beziehung auf die
Heilkunde gemacht.
Unsere Absicht ist, einen neuen Versuch der
Art zu wagen, wobey wir keine Rücksicht auf die
Anwendungen nehmen werden, die sich von den
Resultaten unserer Untersuchungen in irgend einer
Kunst oder andern Wissenschaft machen lassen.
Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden
die verschiedenen Formen und Erschei-
nungen des Lebens seyn, die Bedingun-
gen und Gesetze, unter welchen dieser
Zustand statt findet, und die Ursachen,
wodurch derselbe bewirkt wird. Die
Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen
beschäftigt, werden wir mit dem Namen der Bio-
logie oder Lebenslehre bezeichnen.
Wir unternehmen hiermit ein Werk, wozu
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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