Körpers seyn soll, in welchem jene Mi- schung unverändert bleibt(f). Offenbar heisst dies eine dunkele Sache durch eine noch dun- kelere erklären. Denn was sind Mischungsverän- derungen? Chemische Processe. Und wodurch un- terscheiden sich diese von denjenigen, welche un- aufhörlich im lebenden Körper vorgehen? Hier verlässt uns die Erfahrung, und bloss Hypothesen stehen uns zu Gebote. Ferner, wie lässt sich be- weisen, dass die Mischung des lebenden Körpers dieselbe noch ist, die wir nach dem Tode finden? Bey dieser sehen wir freylich Hang zur Fäulniss. Aber dass auch jene sich dazu neige, ist nicht mehr Erfahrung, ist blosse Meinung. Noch unbrauch- barer ist von Humboldts ältere Erklärung, nach welcher belebte Körper diejenigen sind, die des ununterbrochenen Bestrebens ihre Ge- stalt zu ändern ohngeachtet, durch ei- ne gewisse innere Kraft gehindert wer- den, ihre erste ihnen eigenthümliche Form zu verlassen(g). Versteht man hier unter Gestalt bloss die Grösse, Figur, Lage und Verbindung der Theile, so wird diese Erklärung durch die Metamorphose der Insekten widerlegt,
und
(f)Stahlii Theor. med. vera p. 254.
(g)Vgn Humboldts Aphorismen aus der chem. Physiol. der Pflanzen. §. 1.
B 2
Körpers seyn soll, in welchem jene Mi- schung unverändert bleibt(f). Offenbar heiſst dies eine dunkele Sache durch eine noch dun- kelere erklären. Denn was sind Mischungsverän- derungen? Chemische Processe. Und wodurch un- terscheiden sich diese von denjenigen, welche un- aufhörlich im lebenden Körper vorgehen? Hier verläſst uns die Erfahrung, und bloſs Hypothesen stehen uns zu Gebote. Ferner, wie läſst sich be- weisen, daſs die Mischung des lebenden Körpers dieselbe noch ist, die wir nach dem Tode finden? Bey dieser sehen wir freylich Hang zur Fäulniſs. Aber daſs auch jene sich dazu neige, ist nicht mehr Erfahrung, ist bloſse Meinung. Noch unbrauch- barer ist von Humboldts ältere Erklärung, nach welcher belebte Körper diejenigen sind, die des ununterbrochenen Bestrebens ihre Ge- stalt zu ändern ohngeachtet, durch ei- ne gewisse innere Kraft gehindert wer- den, ihre erste ihnen eigenthümliche Form zu verlassen(g). Versteht man hier unter Gestalt bloſs die Gröſse, Figur, Lage und Verbindung der Theile, so wird diese Erklärung durch die Metamorphose der Insekten widerlegt,
und
(f)Stahlii Theor. med. vera p. 254.
(g)Vgn Humboldts Aphorismen aus der chem. Physiol. der Pflanzen. §. 1.
B 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0039"n="19"/><hirendition="#g">Körpers seyn soll, in welchem jene Mi-<lb/>
schung unverändert bleibt</hi><noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#k">Stahlii</hi> Theor. med. vera p. 254.</note>. Offenbar<lb/>
heiſst dies eine dunkele Sache durch eine noch dun-<lb/>
kelere erklären. Denn was sind Mischungsverän-<lb/>
derungen? Chemische Processe. Und wodurch un-<lb/>
terscheiden sich diese von denjenigen, welche un-<lb/>
aufhörlich im lebenden Körper vorgehen? Hier<lb/>
verläſst uns die Erfahrung, und bloſs Hypothesen<lb/>
stehen uns zu Gebote. Ferner, wie läſst sich be-<lb/>
weisen, daſs die Mischung des lebenden Körpers<lb/>
dieselbe noch ist, die wir nach dem Tode finden?<lb/>
Bey dieser sehen wir freylich Hang zur Fäulniſs.<lb/>
Aber daſs auch jene sich dazu neige, ist nicht mehr<lb/>
Erfahrung, ist bloſse Meinung. Noch unbrauch-<lb/>
barer ist <hirendition="#k">von Humboldts</hi> ältere Erklärung, nach<lb/>
welcher belebte Körper diejenigen sind, <hirendition="#g">die des<lb/>
ununterbrochenen Bestrebens ihre Ge-<lb/>
stalt zu ändern ohngeachtet, durch ei-<lb/>
ne gewisse innere Kraft gehindert wer-<lb/>
den, ihre erste ihnen eigenthümliche<lb/>
Form zu verlassen</hi><noteplace="foot"n="(g)"><hirendition="#k">Vgn Humboldts</hi> Aphorismen aus der chem. Physiol.<lb/>
der Pflanzen. §. 1.</note>. Versteht man hier<lb/>
unter Gestalt bloſs die Gröſse, Figur, Lage und<lb/>
Verbindung der Theile, so wird diese Erklärung<lb/>
durch die Metamorphose der Insekten widerlegt,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0039]
Körpers seyn soll, in welchem jene Mi-
schung unverändert bleibt (f). Offenbar
heiſst dies eine dunkele Sache durch eine noch dun-
kelere erklären. Denn was sind Mischungsverän-
derungen? Chemische Processe. Und wodurch un-
terscheiden sich diese von denjenigen, welche un-
aufhörlich im lebenden Körper vorgehen? Hier
verläſst uns die Erfahrung, und bloſs Hypothesen
stehen uns zu Gebote. Ferner, wie läſst sich be-
weisen, daſs die Mischung des lebenden Körpers
dieselbe noch ist, die wir nach dem Tode finden?
Bey dieser sehen wir freylich Hang zur Fäulniſs.
Aber daſs auch jene sich dazu neige, ist nicht mehr
Erfahrung, ist bloſse Meinung. Noch unbrauch-
barer ist von Humboldts ältere Erklärung, nach
welcher belebte Körper diejenigen sind, die des
ununterbrochenen Bestrebens ihre Ge-
stalt zu ändern ohngeachtet, durch ei-
ne gewisse innere Kraft gehindert wer-
den, ihre erste ihnen eigenthümliche
Form zu verlassen (g). Versteht man hier
unter Gestalt bloſs die Gröſse, Figur, Lage und
Verbindung der Theile, so wird diese Erklärung
durch die Metamorphose der Insekten widerlegt,
und
(f) Stahlii Theor. med. vera p. 254.
(g) Vgn Humboldts Aphorismen aus der chem. Physiol.
der Pflanzen. §. 1.
B 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/39>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.