wegungen zur Folge haben, die wir, wenn eine freye Wahl dabey statt findet, willkührliche nen- nen. Aehnliche Bewegungen nun treffen wir auch bey den Thieren an. Wir sehen ausserdem bey die- sen ähnliche Organe, wie die sind, die uns jene Empfindungen zuführen, wodurch wir zu unsern willkührlichen Handlungen bestimmt werden. Da- her halten wir uns nach der Analogie für berechtigt, auch den Thieren eine Seele zuzuschreiben, die Worte lebend und beseelt seyn für einerley anzunehmen, und den Körper nur für eine todte Wohnung, die Seele aber für den lebenden Bewoh- ner derselben zu halten, der durch drückende Fes- seln an jenen Kerker gekettet ist, und erst nach Lö- sung dieser Bande sein eigentliches Leben in schö- nern Welten, einem Eden, Elysium, oder Walhal- lah zu führen anfängt.
Ein Blick auf das partielle Leben, das in den meisten thierischen Organen noch eine Zeitlang nach der Trennung derselben vom übrigen Orga- nismus fortdauert, muss uns aber bald von dem Ungrunde dieser Meinung überführen. Indess ist jener Doppelsinn des Worts Leben geblieben, und giebt noch immer zur Verwirrung ganz verschiede- ner Begriffe Anlass. So behauptet Jacob(i), dass nichts Leben heissen könne, als wo Vorstellungen die Bewegungen verursachen. "Alle übrige Er-
schei-
(i) Empirische Psychologie. S. 46.
B 3
wegungen zur Folge haben, die wir, wenn eine freye Wahl dabey statt findet, willkührliche nen- nen. Aehnliche Bewegungen nun treffen wir auch bey den Thieren an. Wir sehen ausserdem bey die- sen ähnliche Organe, wie die sind, die uns jene Empfindungen zuführen, wodurch wir zu unsern willkührlichen Handlungen bestimmt werden. Da- her halten wir uns nach der Analogie für berechtigt, auch den Thieren eine Seele zuzuschreiben, die Worte lebend und beseelt seyn für einerley anzunehmen, und den Körper nur für eine todte Wohnung, die Seele aber für den lebenden Bewoh- ner derselben zu halten, der durch drückende Fes- seln an jenen Kerker gekettet ist, und erst nach Lö- sung dieser Bande sein eigentliches Leben in schö- nern Welten, einem Eden, Elysium, oder Walhal- lah zu führen anfängt.
Ein Blick auf das partielle Leben, das in den meisten thierischen Organen noch eine Zeitlang nach der Trennung derselben vom übrigen Orga- nismus fortdauert, muſs uns aber bald von dem Ungrunde dieser Meinung überführen. Indeſs ist jener Doppelsinn des Worts Leben geblieben, und giebt noch immer zur Verwirrung ganz verschiede- ner Begriffe Anlaſs. So behauptet Jacob(i), daſs nichts Leben heiſsen könne, als wo Vorstellungen die Bewegungen verursachen. “Alle übrige Er-
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(i) Empirische Psychologie. S. 46.
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wegungen zur Folge haben, die wir, wenn eine
freye Wahl dabey statt findet, willkührliche nen-
nen. Aehnliche Bewegungen nun treffen wir auch
bey den Thieren an. Wir sehen ausserdem bey die-
sen ähnliche Organe, wie die sind, die uns jene
Empfindungen zuführen, wodurch wir zu unsern
willkührlichen Handlungen bestimmt werden. Da-
her halten wir uns nach der Analogie für berechtigt,
auch den Thieren eine Seele zuzuschreiben, die
Worte lebend und beseelt seyn für einerley
anzunehmen, und den Körper nur für eine todte
Wohnung, die Seele aber für den lebenden Bewoh-
ner derselben zu halten, der durch drückende Fes-
seln an jenen Kerker gekettet ist, und erst nach Lö-
sung dieser Bande sein eigentliches Leben in schö-
nern Welten, einem Eden, Elysium, oder Walhal-
lah zu führen anfängt.
Ein Blick auf das partielle Leben, das in den
meisten thierischen Organen noch eine Zeitlang
nach der Trennung derselben vom übrigen Orga-
nismus fortdauert, muſs uns aber bald von dem
Ungrunde dieser Meinung überführen. Indeſs ist
jener Doppelsinn des Worts Leben geblieben, und
giebt noch immer zur Verwirrung ganz verschiede-
ner Begriffe Anlaſs. So behauptet Jacob (i), daſs
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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