eine Welt bilden lasse, in welcher bey zufälligen und daher veränderlichen äussern Einwirkungen doch eine Gleichförmigkeit der Erscheinungen statt fände? Durch den eben gefundenen Satz wird die- se Frage verneinend beantwortet, und hiermit ist es also aus höhern Gründen bewiesen, was der schlichte Menschenverstand schon längst aus Analo- gien ahndete, und was uns schon oben die nähere Beleuchtung dieser Analogien lehrte, nemlich, dass Gleichförmigkeit der Erscheinungen bey ungleichförmigen Einwirkungen der Aussenwelt den unterscheidenden Charakter des Lebens ausmacht. Das Ziel, das wir erreicht haben, ist der letzte Zweck alles Philosophirens über die ersten Gründe der menschlichen Erkennt- niss. Der Mensch kannte diese, ehe noch Philo- sophen waren. Aber er kannte sie nur in dunkeln Begriffen. Das Geschäft des Philosophen ist, diese Begriffe aufzuklären. Stellt er euch am Ende sei- ner Arbeit ein Bild auf, das dem, was ihr ahndetet, ganz unähnlich ist, so seyd versichert, dass er euch, oder sich selber getäuscht hat.
Ehe wir von der gefundenen Erklärung weitere Anwendungen machen, wird es nicht überflüssig seyn, vorher noch auf die Erklärungen, die man bisher vom Leben gab, einen Rückblick zu thun.
Wir haben schon oben der Stahlschen und Humboldtschen Erklärungen gedacht, und Bewei-
se
eine Welt bilden lasse, in welcher bey zufälligen und daher veränderlichen äussern Einwirkungen doch eine Gleichförmigkeit der Erscheinungen statt fände? Durch den eben gefundenen Satz wird die- se Frage verneinend beantwortet, und hiermit ist es also aus höhern Gründen bewiesen, was der schlichte Menschenverstand schon längst aus Analo- gien ahndete, und was uns schon oben die nähere Beleuchtung dieser Analogien lehrte, nemlich, daſs Gleichförmigkeit der Erscheinungen bey ungleichförmigen Einwirkungen der Aussenwelt den unterscheidenden Charakter des Lebens ausmacht. Das Ziel, das wir erreicht haben, ist der letzte Zweck alles Philosophirens über die ersten Gründe der menschlichen Erkennt- niſs. Der Mensch kannte diese, ehe noch Philo- sophen waren. Aber er kannte sie nur in dunkeln Begriffen. Das Geschäft des Philosophen ist, diese Begriffe aufzuklären. Stellt er euch am Ende sei- ner Arbeit ein Bild auf, das dem, was ihr ahndetet, ganz unähnlich ist, so seyd versichert, daſs er euch, oder sich selber getäuscht hat.
Ehe wir von der gefundenen Erklärung weitere Anwendungen machen, wird es nicht überflüssig seyn, vorher noch auf die Erklärungen, die man bisher vom Leben gab, einen Rückblick zu thun.
Wir haben schon oben der Stahlschen und Humboldtschen Erklärungen gedacht, und Bewei-
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eine Welt bilden lasse, in welcher bey zufälligen
und daher veränderlichen äussern Einwirkungen
doch eine Gleichförmigkeit der Erscheinungen statt
fände? Durch den eben gefundenen Satz wird die-
se Frage verneinend beantwortet, und hiermit ist
es also aus höhern Gründen bewiesen, was der
schlichte Menschenverstand schon längst aus Analo-
gien ahndete, und was uns schon oben die nähere
Beleuchtung dieser Analogien lehrte, nemlich, daſs
Gleichförmigkeit der Erscheinungen bey
ungleichförmigen Einwirkungen der
Aussenwelt den unterscheidenden Charakter
des Lebens ausmacht. Das Ziel, das wir erreicht
haben, ist der letzte Zweck alles Philosophirens
über die ersten Gründe der menschlichen Erkennt-
niſs. Der Mensch kannte diese, ehe noch Philo-
sophen waren. Aber er kannte sie nur in dunkeln
Begriffen. Das Geschäft des Philosophen ist, diese
Begriffe aufzuklären. Stellt er euch am Ende sei-
ner Arbeit ein Bild auf, das dem, was ihr ahndetet,
ganz unähnlich ist, so seyd versichert, daſs er
euch, oder sich selber getäuscht hat.
Ehe wir von der gefundenen Erklärung weitere
Anwendungen machen, wird es nicht überflüssig
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/58>, abgerufen am 04.12.2024.
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