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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803.

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allen Untersuchungen, womit wir uns jetzt be-
schäftigen werden, das Thor versperren, und zu
den dürftigsten Resultaten führen würde.

Die obige Frage ist indess nicht nur wichtig
für unsere jetzige Untersuchungen; sie ist es auch
für die ganze Biologie. Mit ihrer Beantwortung ist
zugleich das Grundproblem dieser Wissenschaft
aufgelöset. Nicht blos zum Behufe der Nachfor-
schungen, denen dieser Abschnitt gewidmet ist,
sondern um uns überhaupt bey unsern fernern Be-
trachtungen einen festen Standpunkt zu verschaf-
fen, werden wir daher zuvörderst jene Frage er-
örtern.

Wir haben im dritten und vierten Kapitel der
Einleitung gesehen, dass die Biologie begründet ist,
sobald die Erfahrung für eine der drey folgenden
Fragen entscheidet: Ist Lebenskraft nur da, wo le-
bensfähige Materie ist? Oder ist diese ein Produkt
von jener? Oder sind beyde wechselseitig durch
einander? Findet das Ersie statt, so vermag die
Kunst, oder der Zufall aus Stoffen der todten Natur
lebensfähige Materie, und also auch lebende Orga-
nismen hervorzubringen. Ist hingegen lebensfähi-
ge Materie ein Produkt der Lebenskraft, so ge-
schieht alle Bildung lebender Körper nur auf dem
Wege der Fortpflanzung. Sind endlich Lebens-
kraft und lebensfähige Materie wechselseitig durch
einander, so verdankt zwar jeder lebende Körper,

wie
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allen Untersuchungen, womit wir uns jetzt be-
schäftigen werden, das Thor versperren, und zu
den dürftigsten Resultaten führen würde.

Die obige Frage ist indeſs nicht nur wichtig
für unsere jetzige Untersuchungen; sie ist es auch
für die ganze Biologie. Mit ihrer Beantwortung ist
zugleich das Grundproblem dieser Wissenschaft
aufgelöset. Nicht blos zum Behufe der Nachfor-
schungen, denen dieser Abschnitt gewidmet ist,
sondern um uns überhaupt bey unsern fernern Be-
trachtungen einen festen Standpunkt zu verschaf-
fen, werden wir daher zuvörderst jene Frage er-
örtern.

Wir haben im dritten und vierten Kapitel der
Einleitung gesehen, daſs die Biologie begründet ist,
sobald die Erfahrung für eine der drey folgenden
Fragen entscheidet: Ist Lebenskraft nur da, wo le-
bensfähige Materie ist? Oder ist diese ein Produkt
von jener? Oder sind beyde wechselseitig durch
einander? Findet das Ersie statt, so vermag die
Kunst, oder der Zufall aus Stoffen der todten Natur
lebensfähige Materie, und also auch lebende Orga-
nismen hervorzubringen. Ist hingegen lebensfähi-
ge Materie ein Produkt der Lebenskraft, so ge-
schieht alle Bildung lebender Körper nur auf dem
Wege der Fortpflanzung. Sind endlich Lebens-
kraft und lebensfähige Materie wechselseitig durch
einander, so verdankt zwar jeder lebende Körper,

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[265/0275] allen Untersuchungen, womit wir uns jetzt be- schäftigen werden, das Thor versperren, und zu den dürftigsten Resultaten führen würde. Die obige Frage ist indeſs nicht nur wichtig für unsere jetzige Untersuchungen; sie ist es auch für die ganze Biologie. Mit ihrer Beantwortung ist zugleich das Grundproblem dieser Wissenschaft aufgelöset. Nicht blos zum Behufe der Nachfor- schungen, denen dieser Abschnitt gewidmet ist, sondern um uns überhaupt bey unsern fernern Be- trachtungen einen festen Standpunkt zu verschaf- fen, werden wir daher zuvörderst jene Frage er- örtern. Wir haben im dritten und vierten Kapitel der Einleitung gesehen, daſs die Biologie begründet ist, sobald die Erfahrung für eine der drey folgenden Fragen entscheidet: Ist Lebenskraft nur da, wo le- bensfähige Materie ist? Oder ist diese ein Produkt von jener? Oder sind beyde wechselseitig durch einander? Findet das Ersie statt, so vermag die Kunst, oder der Zufall aus Stoffen der todten Natur lebensfähige Materie, und also auch lebende Orga- nismen hervorzubringen. Ist hingegen lebensfähi- ge Materie ein Produkt der Lebenskraft, so ge- schieht alle Bildung lebender Körper nur auf dem Wege der Fortpflanzung. Sind endlich Lebens- kraft und lebensfähige Materie wechselseitig durch einander, so verdankt zwar jeder lebende Körper, wie R 5

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 2. Göttingen, 1803, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie02_1803/275>, abgerufen am 24.11.2024.