öffnen und verschliessen kann. Jedes Organ ist ein Bläschen, das aus einer doppelten Haut be- steht. Auf der innern Membran verbreiten sich eine Menge Blutgefässe. Aus den äussern Oeff- nungen der Bläschen kommen zuweilen Luftbla- sen und eine weissliche Flüssigkeit hervor. Tho- mas folgert aus diesen Beobachtungen, dass die Bläschen die Respirationsorgane der Blutigel sind. Die darin befindliche Flüssigkeit hält er für ein Exkrement, das der Lungenausdünstung ähnlich ist, und nur wegen der kalten Temperatur der Blutigel eine tropfbare Form hat.
Man sieht hieraus, wie ungewiss unsere Kennt- nisse vom Athmen der Blutigel noch sind. Die von Thomas aufgestellte Meinung hat nicht mehr Wahrscheinlichkeit als die Braunsche. Sie ist nicht bewiesen, so lange man nicht ein ähnliches Beyspiel von einer so starken, bey keiner andern bekannten kaltblütigen Thierart statt findenden Absonderung einer tropfbaren Flüssigkeit in den Respirationsorganen aufgefunden hat; so lange Braun's Behauptung, dass der Verbindungscanal dieser angeblichen Respirationsorgane in unmittel- barer Verbindung mit den Hoden steht, nicht wi- derlegt ist, und so lange sich nicht ein drittes Or- gan angeben lässt, das mehr Aehnlichkeit mit ei- nem Eyerstock hat, als zwey kleine, in der Nähe des Uterus liegende und mit diesem blos durch
einen
öffnen und verschlieſsen kann. Jedes Organ ist ein Bläschen, das aus einer doppelten Haut be- steht. Auf der innern Membran verbreiten sich eine Menge Blutgefäſse. Aus den äussern Oeff- nungen der Bläschen kommen zuweilen Luftbla- sen und eine weiſsliche Flüssigkeit hervor. Tho- mas folgert aus diesen Beobachtungen, daſs die Bläschen die Respirationsorgane der Blutigel sind. Die darin befindliche Flüssigkeit hält er für ein Exkrement, das der Lungenausdünstung ähnlich ist, und nur wegen der kalten Temperatur der Blutigel eine tropfbare Form hat.
Man sieht hieraus, wie ungewiſs unsere Kennt- nisse vom Athmen der Blutigel noch sind. Die von Thomas aufgestellte Meinung hat nicht mehr Wahrscheinlichkeit als die Braunsche. Sie ist nicht bewiesen, so lange man nicht ein ähnliches Beyspiel von einer so starken, bey keiner andern bekannten kaltblütigen Thierart statt findenden Absonderung einer tropfbaren Flüssigkeit in den Respirationsorganen aufgefunden hat; so lange Braun’s Behauptung, daſs der Verbindungscanal dieser angeblichen Respirationsorgane in unmittel- barer Verbindung mit den Hoden steht, nicht wi- derlegt ist, und so lange sich nicht ein drittes Or- gan angeben läſst, das mehr Aehnlichkeit mit ei- nem Eyerstock hat, als zwey kleine, in der Nähe des Uterus liegende und mit diesem blos durch
einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0182"n="166"/>
öffnen und verschlieſsen kann. Jedes Organ ist<lb/>
ein Bläschen, das aus einer doppelten Haut be-<lb/>
steht. Auf der innern Membran verbreiten sich<lb/>
eine Menge Blutgefäſse. Aus den äussern Oeff-<lb/>
nungen der Bläschen kommen zuweilen Luftbla-<lb/>
sen und eine weiſsliche Flüssigkeit hervor. <hirendition="#k">Tho-<lb/>
mas</hi> folgert aus diesen Beobachtungen, daſs die<lb/>
Bläschen die Respirationsorgane der Blutigel sind.<lb/>
Die darin befindliche Flüssigkeit hält er für ein<lb/>
Exkrement, das der Lungenausdünstung ähnlich<lb/>
ist, und nur wegen der kalten Temperatur der<lb/>
Blutigel eine tropfbare Form hat.</p><lb/><p>Man sieht hieraus, wie ungewiſs unsere Kennt-<lb/>
nisse vom Athmen der Blutigel noch sind. Die von<lb/><hirendition="#k">Thomas</hi> aufgestellte Meinung hat nicht mehr<lb/>
Wahrscheinlichkeit als die <hirendition="#k">Braun</hi>sche. Sie ist<lb/>
nicht bewiesen, so lange man nicht ein ähnliches<lb/>
Beyspiel von einer so starken, bey keiner andern<lb/>
bekannten kaltblütigen Thierart statt findenden<lb/>
Absonderung einer tropfbaren Flüssigkeit in den<lb/>
Respirationsorganen aufgefunden hat; so lange<lb/><hirendition="#k">Braun</hi>’s Behauptung, daſs der Verbindungscanal<lb/>
dieser angeblichen Respirationsorgane in unmittel-<lb/>
barer Verbindung mit den Hoden steht, nicht wi-<lb/>
derlegt ist, und so lange sich nicht ein drittes Or-<lb/>
gan angeben läſst, das mehr Aehnlichkeit mit ei-<lb/>
nem Eyerstock hat, als zwey kleine, in der Nähe<lb/>
des Uterus liegende und mit diesem blos durch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einen</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[166/0182]
öffnen und verschlieſsen kann. Jedes Organ ist
ein Bläschen, das aus einer doppelten Haut be-
steht. Auf der innern Membran verbreiten sich
eine Menge Blutgefäſse. Aus den äussern Oeff-
nungen der Bläschen kommen zuweilen Luftbla-
sen und eine weiſsliche Flüssigkeit hervor. Tho-
mas folgert aus diesen Beobachtungen, daſs die
Bläschen die Respirationsorgane der Blutigel sind.
Die darin befindliche Flüssigkeit hält er für ein
Exkrement, das der Lungenausdünstung ähnlich
ist, und nur wegen der kalten Temperatur der
Blutigel eine tropfbare Form hat.
Man sieht hieraus, wie ungewiſs unsere Kennt-
nisse vom Athmen der Blutigel noch sind. Die von
Thomas aufgestellte Meinung hat nicht mehr
Wahrscheinlichkeit als die Braunsche. Sie ist
nicht bewiesen, so lange man nicht ein ähnliches
Beyspiel von einer so starken, bey keiner andern
bekannten kaltblütigen Thierart statt findenden
Absonderung einer tropfbaren Flüssigkeit in den
Respirationsorganen aufgefunden hat; so lange
Braun’s Behauptung, daſs der Verbindungscanal
dieser angeblichen Respirationsorgane in unmittel-
barer Verbindung mit den Hoden steht, nicht wi-
derlegt ist, und so lange sich nicht ein drittes Or-
gan angeben läſst, das mehr Aehnlichkeit mit ei-
nem Eyerstock hat, als zwey kleine, in der Nähe
des Uterus liegende und mit diesem blos durch
einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/182>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.