Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite

es zwey Wege: man muss entweder vorausset-
zen, dass der ganze Nerve vermöge seiner Or-
ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist;
oder man muss annehmen, dass es einzelne, be-
sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt,
welche die letztere verhindern.

Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng-
lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve
ist unempfänglich für den Schall, der auf den
Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer-
den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge-
sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische
Reitzbarkeit muss ihren Grund in einer eigenen
Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt
es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor-
stehen und denen jede Empfänglichkeit für äussere
Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich
seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in
diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen,
wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun-
gen benommen ist?

Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei-
nung von den Vertheidigern derselben b) gesagt
ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des
Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied-

maa-
b) Gall, Anatomie et Physiologie du Systeme ner-
veux. T. I. p. 37. -- Stieglitz über den thierischen
Magnetismus. S. 504 fg.

es zwey Wege: man muſs entweder vorausset-
zen, daſs der ganze Nerve vermöge seiner Or-
ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist;
oder man muſs annehmen, daſs es einzelne, be-
sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt,
welche die letztere verhindern.

Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng-
lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve
ist unempfänglich für den Schall, der auf den
Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer-
den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge-
sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische
Reitzbarkeit muſs ihren Grund in einer eigenen
Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt
es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor-
stehen und denen jede Empfänglichkeit für äuſsere
Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich
seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in
diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen,
wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun-
gen benommen ist?

Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei-
nung von den Vertheidigern derselben b) gesagt
ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des
Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied-

maa-
b) Gall, Anatomie et Physiologie du Système ner-
veux. T. I. p. 37. — Stieglitz über den thierischen
Magnetismus. S. 504 fg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0364" n="352"/>
es zwey Wege: man mu&#x017F;s entweder vorausset-<lb/>
zen, da&#x017F;s der ganze Nerve vermöge seiner Or-<lb/>
ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist;<lb/>
oder man mu&#x017F;s annehmen, da&#x017F;s es einzelne, be-<lb/>
sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt,<lb/>
welche die letztere verhindern.</p><lb/>
              <p>Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng-<lb/>
lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve<lb/>
ist unempfänglich für den Schall, der auf den<lb/>
Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer-<lb/>
den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge-<lb/>
sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische<lb/>
Reitzbarkeit mu&#x017F;s ihren Grund in einer eigenen<lb/>
Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt<lb/>
es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor-<lb/>
stehen und denen jede Empfänglichkeit für äu&#x017F;sere<lb/>
Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich<lb/>
seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in<lb/>
diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen,<lb/>
wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun-<lb/>
gen benommen ist?</p><lb/>
              <p>Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei-<lb/>
nung von den Vertheidigern derselben <note place="foot" n="b)"><hi rendition="#k">Gall</hi>, Anatomie et Physiologie du Système ner-<lb/>
veux. T. I. p. 37. &#x2014; <hi rendition="#k">Stieglitz</hi> über den thierischen<lb/>
Magnetismus. S. 504 fg.</note> gesagt<lb/>
ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des<lb/>
Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">maa-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0364] es zwey Wege: man muſs entweder vorausset- zen, daſs der ganze Nerve vermöge seiner Or- ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist; oder man muſs annehmen, daſs es einzelne, be- sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt, welche die letztere verhindern. Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng- lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve ist unempfänglich für den Schall, der auf den Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer- den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge- sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische Reitzbarkeit muſs ihren Grund in einer eigenen Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor- stehen und denen jede Empfänglichkeit für äuſsere Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen, wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun- gen benommen ist? Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei- nung von den Vertheidigern derselben b) gesagt ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied- maa- b) Gall, Anatomie et Physiologie du Système ner- veux. T. I. p. 37. — Stieglitz über den thierischen Magnetismus. S. 504 fg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/364
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/364>, abgerufen am 22.11.2024.