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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

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So fand Galvani v), dass die Unterbindung der
Harnleiter bey Vögeln binnen einigen Tagen den
Tod verursacht, und dass nach dem Tode alle
Theile, vorzüglich die Membranen, und unter
diesen besonders das Bauchfell, mit einer weissen,
erdigen Materie bedeckt sind. Bey diesem Ver-
such dauert die Sekretion des Urins in den Nie-
ren fort, aber der abgesonderte Harn, dessen
Ausleerung verhindert ist, setzt sich auf den in-
nern Häuten ab. Ist hingegen auch die Sekretion
in einem Absonderungsorgan aufgehoben, so tritt
unter gewissen Umständen eine wahre vicarii-
rende
Thätigkeit eines andern Organs ein. Bran-
dis
, dem das Verdienst angehört, die Wirklich-
keit des letztern Falls in seinem Versuch über
die Metastasen
zuerst bewiesen zu haben,
hat doch das Gebiet desselben zu weit ausge-
dehnt. Der erstere Fall ist ohne Zweifel der häu-
figere. Der letztere scheint immer aus einer, auf
das ganze Nervensystem wirkenden Ursache zu
entstehen, und Integrität der Nerven desjenigen
Organs, dessen Funktion unterdrückt ist, voraus-
zusetzen. An der stellvertretenden Sekretion ha-
ben die Nerven Antheil. Wo sie zerstört sind,
können keine vicariirende Thätigkeiten weiter statt
finden. Diese Thätigkeiten übrigens ganz zu läug-
nen, und zu meinen, die Natur würde die Or-
gane nicht so kunstreich gebildet, denselben Bau

eines
v) Commentar. Bonon, T. V. P. II. p. 502.

So fand Galvani v), daſs die Unterbindung der
Harnleiter bey Vögeln binnen einigen Tagen den
Tod verursacht, und daſs nach dem Tode alle
Theile, vorzüglich die Membranen, und unter
diesen besonders das Bauchfell, mit einer weiſsen,
erdigen Materie bedeckt sind. Bey diesem Ver-
such dauert die Sekretion des Urins in den Nie-
ren fort, aber der abgesonderte Harn, dessen
Ausleerung verhindert ist, setzt sich auf den in-
nern Häuten ab. Ist hingegen auch die Sekretion
in einem Absonderungsorgan aufgehoben, so tritt
unter gewissen Umständen eine wahre vicarii-
rende
Thätigkeit eines andern Organs ein. Bran-
dis
, dem das Verdienst angehört, die Wirklich-
keit des letztern Falls in seinem Versuch über
die Metastasen
zuerst bewiesen zu haben,
hat doch das Gebiet desselben zu weit ausge-
dehnt. Der erstere Fall ist ohne Zweifel der häu-
figere. Der letztere scheint immer aus einer, auf
das ganze Nervensystem wirkenden Ursache zu
entstehen, und Integrität der Nerven desjenigen
Organs, dessen Funktion unterdrückt ist, voraus-
zusetzen. An der stellvertretenden Sekretion ha-
ben die Nerven Antheil. Wo sie zerstört sind,
können keine vicariirende Thätigkeiten weiter statt
finden. Diese Thätigkeiten übrigens ganz zu läug-
nen, und zu meinen, die Natur würde die Or-
gane nicht so kunstreich gebildet, denselben Bau

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v) Commentar. Bonon, T. V. P. II. p. 502.
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[424/0436] So fand Galvani v), daſs die Unterbindung der Harnleiter bey Vögeln binnen einigen Tagen den Tod verursacht, und daſs nach dem Tode alle Theile, vorzüglich die Membranen, und unter diesen besonders das Bauchfell, mit einer weiſsen, erdigen Materie bedeckt sind. Bey diesem Ver- such dauert die Sekretion des Urins in den Nie- ren fort, aber der abgesonderte Harn, dessen Ausleerung verhindert ist, setzt sich auf den in- nern Häuten ab. Ist hingegen auch die Sekretion in einem Absonderungsorgan aufgehoben, so tritt unter gewissen Umständen eine wahre vicarii- rende Thätigkeit eines andern Organs ein. Bran- dis, dem das Verdienst angehört, die Wirklich- keit des letztern Falls in seinem Versuch über die Metastasen zuerst bewiesen zu haben, hat doch das Gebiet desselben zu weit ausge- dehnt. Der erstere Fall ist ohne Zweifel der häu- figere. Der letztere scheint immer aus einer, auf das ganze Nervensystem wirkenden Ursache zu entstehen, und Integrität der Nerven desjenigen Organs, dessen Funktion unterdrückt ist, voraus- zusetzen. An der stellvertretenden Sekretion ha- ben die Nerven Antheil. Wo sie zerstört sind, können keine vicariirende Thätigkeiten weiter statt finden. Diese Thätigkeiten übrigens ganz zu läug- nen, und zu meinen, die Natur würde die Or- gane nicht so kunstreich gebildet, denselben Bau eines v) Commentar. Bonon, T. V. P. II. p. 502.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/436>, abgerufen am 26.11.2024.