Aber hat etwa, wie Reimarusm) glaubte, jeder Haupttheil der niedern Thiere eine Seele, "deren jede zur Erhaltung dieses Haupttheils, "und so zur Vollkommenheit des Ganzen geschäf- "tig ist, insofern ihre Naturtriebe mit einander "harmoniren, und von einer Hauptseele im Kopfe "regiert werden?" Diese Meinung, zu deren Annahme Reimarus gezwungen war, weil er die instinktartigen Handlungen überhaupt für Wirkun- gen geistiger Kräfte hielt, hemmt alle weitere Forschungen. Es giebt Fälle bey der Untersu- chung der Natur, wo es wichtig ist, jeder Ana- logie nachzugehen, deren Folgesätze sich mit der Erfahrung vergleichen lassen; hingegen eine Ana- logie, die auf eine Theilbarkeit der Seele, oder auf eine Vielheit derselben in einem und demsel- ben organischen Ganzen führt, ist nie zu verfol- gen. Der reine Instinkt ist gewiss eine Nerven- thätigkeit. Die Frage ist nur, ob er für eine eigene Nervenwirkung angenommen werden muss, oder ob er sich von den übrigen Nervenkräften ableiten lässt? Um hierüber zu urtheilen, ist es nöthig, die Entstehung des Instinkts und der von ihm herrührenden Handlungen näher zu unter- suchen.
Die instinktartigen Handlungen sind vorzüg- lich darum die räthselhaftesten Erscheinungen der
thie-
m) A. a. O. S. 325.
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Aber hat etwa, wie Reimarusm) glaubte, jeder Haupttheil der niedern Thiere eine Seele, “deren jede zur Erhaltung dieses Haupttheils, „und so zur Vollkommenheit des Ganzen geschäf- „tig ist, insofern ihre Naturtriebe mit einander „harmoniren, und von einer Hauptseele im Kopfe „regiert werden?” Diese Meinung, zu deren Annahme Reimarus gezwungen war, weil er die instinktartigen Handlungen überhaupt für Wirkun- gen geistiger Kräfte hielt, hemmt alle weitere Forschungen. Es giebt Fälle bey der Untersu- chung der Natur, wo es wichtig ist, jeder Ana- logie nachzugehen, deren Folgesätze sich mit der Erfahrung vergleichen lassen; hingegen eine Ana- logie, die auf eine Theilbarkeit der Seele, oder auf eine Vielheit derselben in einem und demsel- ben organischen Ganzen führt, ist nie zu verfol- gen. Der reine Instinkt ist gewiſs eine Nerven- thätigkeit. Die Frage ist nur, ob er für eine eigene Nervenwirkung angenommen werden muſs, oder ob er sich von den übrigen Nervenkräften ableiten läſst? Um hierüber zu urtheilen, ist es nöthig, die Entstehung des Instinkts und der von ihm herrührenden Handlungen näher zu unter- suchen.
Die instinktartigen Handlungen sind vorzüg- lich darum die räthselhaftesten Erscheinungen der
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m) A. a. O. S. 325.
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[441/0453]
Aber hat etwa, wie Reimarus m) glaubte,
jeder Haupttheil der niedern Thiere eine Seele,
“deren jede zur Erhaltung dieses Haupttheils,
„und so zur Vollkommenheit des Ganzen geschäf-
„tig ist, insofern ihre Naturtriebe mit einander
„harmoniren, und von einer Hauptseele im Kopfe
„regiert werden?” Diese Meinung, zu deren
Annahme Reimarus gezwungen war, weil er die
instinktartigen Handlungen überhaupt für Wirkun-
gen geistiger Kräfte hielt, hemmt alle weitere
Forschungen. Es giebt Fälle bey der Untersu-
chung der Natur, wo es wichtig ist, jeder Ana-
logie nachzugehen, deren Folgesätze sich mit der
Erfahrung vergleichen lassen; hingegen eine Ana-
logie, die auf eine Theilbarkeit der Seele, oder
auf eine Vielheit derselben in einem und demsel-
ben organischen Ganzen führt, ist nie zu verfol-
gen. Der reine Instinkt ist gewiſs eine Nerven-
thätigkeit. Die Frage ist nur, ob er für eine
eigene Nervenwirkung angenommen werden muſs,
oder ob er sich von den übrigen Nervenkräften
ableiten läſst? Um hierüber zu urtheilen, ist es
nöthig, die Entstehung des Instinkts und der von
ihm herrührenden Handlungen näher zu unter-
suchen.
Die instinktartigen Handlungen sind vorzüg-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/453>, abgerufen am 27.11.2024.
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