Die Lippe ist allenthalben mit solchen Papillen, die ohngefähr eine Linie lang sind, dicht be- setzt. Am Vorderkopfe kommen sie erst nach behutsamem Abstreifen der Oberhaut zu Ge- sichte.
Obgleich aber die Anwesenheit von Nerven- wärzchen nothwendig ist, um die Beschaffenheit der Oberfläche eines Gegenstandes zu erforschen, so lässt sich doch nicht umgekehrt von der Gegenwart solcher Papillen auf das Vorhanden- seyn dieser Art des Tastsinns in dem damit versehenen Theile schliessen. Auch die Eichel des männlichen Gliedes ist mit denselben besetzt und hier dienen sie blos, um die Empfindlich- keit im Allgemeinen zu erhöhen. Sie sind aber selbst hierzu nicht unumgänglich nothwendig. In Narben, die nach Wunden oder Geschwüren zurückbleiben, ist ohne sie die Empfänglichkeit der Haut für Eindrücke des Tastsinns oft sehr erhöht. Marshallu) führt sogar ein Beyspiel von einem Menschen an, bey welchem der Stumpf des demselben weggeschossenen männ- lichen Gliedes die eigenthümliche Empfindlich- keit der Eichel erhielt. Es lässt sich daher nicht mit Sicherheit annehmen, dass in dem
Rüs-
u) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn und in der Wasserscheu. Uebers. von Rombero. Berlin. 1820. S. 163.
Die Lippe ist allenthalben mit solchen Papillen, die ohngefähr eine Linie lang sind, dicht be- setzt. Am Vorderkopfe kommen sie erst nach behutsamem Abstreifen der Oberhaut zu Ge- sichte.
Obgleich aber die Anwesenheit von Nerven- wärzchen nothwendig ist, um die Beschaffenheit der Oberfläche eines Gegenstandes zu erforschen, so läſst sich doch nicht umgekehrt von der Gegenwart solcher Papillen auf das Vorhanden- seyn dieser Art des Tastsinns in dem damit versehenen Theile schlieſsen. Auch die Eichel des männlichen Gliedes ist mit denselben besetzt und hier dienen sie blos, um die Empfindlich- keit im Allgemeinen zu erhöhen. Sie sind aber selbst hierzu nicht unumgänglich nothwendig. In Narben, die nach Wunden oder Geschwüren zurückbleiben, ist ohne sie die Empfänglichkeit der Haut für Eindrücke des Tastsinns oft sehr erhöht. Marshallu) führt sogar ein Beyspiel von einem Menschen an, bey welchem der Stumpf des demselben weggeschossenen männ- lichen Gliedes die eigenthümliche Empfindlich- keit der Eichel erhielt. Es läſst sich daher nicht mit Sicherheit annehmen, daſs in dem
Rüs-
u) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn und in der Wasserscheu. Uebers. von Rombero. Berlin. 1820. S. 163.
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Die Lippe ist allenthalben mit solchen Papillen,
die ohngefähr eine Linie lang sind, dicht be-
setzt. Am Vorderkopfe kommen sie erst nach
behutsamem Abstreifen der Oberhaut zu Ge-
sichte.
Obgleich aber die Anwesenheit von Nerven-
wärzchen nothwendig ist, um die Beschaffenheit
der Oberfläche eines Gegenstandes zu erforschen,
so läſst sich doch nicht umgekehrt von der
Gegenwart solcher Papillen auf das Vorhanden-
seyn dieser Art des Tastsinns in dem damit
versehenen Theile schlieſsen. Auch die Eichel
des männlichen Gliedes ist mit denselben besetzt
und hier dienen sie blos, um die Empfindlich-
keit im Allgemeinen zu erhöhen. Sie sind aber
selbst hierzu nicht unumgänglich nothwendig.
In Narben, die nach Wunden oder Geschwüren
zurückbleiben, ist ohne sie die Empfänglichkeit
der Haut für Eindrücke des Tastsinns oft sehr
erhöht. Marshall u) führt sogar ein Beyspiel
von einem Menschen an, bey welchem der
Stumpf des demselben weggeschossenen männ-
lichen Gliedes die eigenthümliche Empfindlich-
keit der Eichel erhielt. Es läſst sich daher
nicht mit Sicherheit annehmen, daſs in dem
Rüs-
u) Untersuchungen des Gehirns im Wahnsinn und in
der Wasserscheu. Uebers. von Rombero. Berlin.
1820. S. 163.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/233>, abgerufen am 14.05.2024.
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