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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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Kraft besitzt und deren gastrischer Saft zur
Auflösung unzerkäuter Substanzen nicht gemacht
ist, ein zartes Tastvermögen der Zunge noth-
wendig. Es ist nach der Analogie der übrigen,
mit Nervenwärzchen versehenen Tastwerkzeuge
begreiflich, in welchem Verhältniss gegen dieses
Getast die Zungenwärzchen stehen. Hingegen
ist nicht einzusehen, welches nothwendige Ver-
hältniss dieselben als Nervenwärzchen gegen den
Geschmack haben können. Dieser kann nicht
auf der äussersten Oberfläche der Zunge vor
sich gehen. Die schmeckbaren Substanzen müs-
sen, um als solche empfunden zu werden, auf-
gelöst diese Oberfläche durchdringen. Zu dem
letztern Zweck besteht die Zunge aus einem so
lockern, schwammigen Gewebe. Aber Nerven-
wärzchen sind für denselben keine nothwendige
Bedingung. Wohl würde freylich die Durch-
dringung beschleunigt werden und sich über
einen grössern Raum ausbreiten, wenn die Pa-
pillen einsaugende Organe wie die Flocken des
dünnen Darms wären. Als solche sind sie in
der That auch zu betrachten. Diejenigen von
ihnen, die wir unter dem Namen der faden-
förmigen als eine eigene Art unterschieden
haben und aus welchen, als den einfachsten, die
übrigen zusammengesetzt sind, kommen in ihrer
Gestalt sehr mit den Darmzotten überein. Im
ganzen Thierreiche findet auch zwischen der

Schleim-

Kraft besitzt und deren gastrischer Saft zur
Auflösung unzerkäuter Substanzen nicht gemacht
ist, ein zartes Tastvermögen der Zunge noth-
wendig. Es ist nach der Analogie der übrigen,
mit Nervenwärzchen versehenen Tastwerkzeuge
begreiflich, in welchem Verhältniſs gegen dieses
Getast die Zungenwärzchen stehen. Hingegen
ist nicht einzusehen, welches nothwendige Ver-
hältniſs dieselben als Nervenwärzchen gegen den
Geschmack haben können. Dieser kann nicht
auf der äuſsersten Oberfläche der Zunge vor
sich gehen. Die schmeckbaren Substanzen müs-
sen, um als solche empfunden zu werden, auf-
gelöst diese Oberfläche durchdringen. Zu dem
letztern Zweck besteht die Zunge aus einem so
lockern, schwammigen Gewebe. Aber Nerven-
wärzchen sind für denselben keine nothwendige
Bedingung. Wohl würde freylich die Durch-
dringung beschleunigt werden und sich über
einen gröſsern Raum ausbreiten, wenn die Pa-
pillen einsaugende Organe wie die Flocken des
dünnen Darms wären. Als solche sind sie in
der That auch zu betrachten. Diejenigen von
ihnen, die wir unter dem Namen der faden-
förmigen als eine eigene Art unterschieden
haben und aus welchen, als den einfachsten, die
übrigen zusammengesetzt sind, kommen in ihrer
Gestalt sehr mit den Darmzotten überein. Im
ganzen Thierreiche findet auch zwischen der

Schleim-
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[231/0249] Kraft besitzt und deren gastrischer Saft zur Auflösung unzerkäuter Substanzen nicht gemacht ist, ein zartes Tastvermögen der Zunge noth- wendig. Es ist nach der Analogie der übrigen, mit Nervenwärzchen versehenen Tastwerkzeuge begreiflich, in welchem Verhältniſs gegen dieses Getast die Zungenwärzchen stehen. Hingegen ist nicht einzusehen, welches nothwendige Ver- hältniſs dieselben als Nervenwärzchen gegen den Geschmack haben können. Dieser kann nicht auf der äuſsersten Oberfläche der Zunge vor sich gehen. Die schmeckbaren Substanzen müs- sen, um als solche empfunden zu werden, auf- gelöst diese Oberfläche durchdringen. Zu dem letztern Zweck besteht die Zunge aus einem so lockern, schwammigen Gewebe. Aber Nerven- wärzchen sind für denselben keine nothwendige Bedingung. Wohl würde freylich die Durch- dringung beschleunigt werden und sich über einen gröſsern Raum ausbreiten, wenn die Pa- pillen einsaugende Organe wie die Flocken des dünnen Darms wären. Als solche sind sie in der That auch zu betrachten. Diejenigen von ihnen, die wir unter dem Namen der faden- förmigen als eine eigene Art unterschieden haben und aus welchen, als den einfachsten, die übrigen zusammengesetzt sind, kommen in ihrer Gestalt sehr mit den Darmzotten überein. Im ganzen Thierreiche findet auch zwischen der Schleim-

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/249>, abgerufen am 13.05.2024.