Diese Vergleichung ist indess in Betreff des Geistigen wie des Physischen nur von einer ein- zigen Seite passend. Es giebt so wenig in je- nem als in diesem eine einfache Stufenleiter. Der Abstand zwischen dem Menschen und den Säugthieren ist noch weit grösser im Geistigen als im Körperlichen. Bey den Säugthieren, und nächst diesen bey den Vögeln, finden wir im All- gemeinen eine vielseitigere Ausbildung der See- lenkräfte als im übrigen Thierreiche. Aber ein- zelne Arten derselben stehen hierin auf einer so niedrigen Stufe, dass Niemand Bedenken tragen wird, sie unter den Bienen und manchen andern Arten aus der Classe der Insekten herabzusetzen. Die Amphibien und Fische lassen sich ebenfalls nicht über die Insekten, und die Raubthiere im Allgemeinen nicht über die Herbivoren stellen. Die Classe der Amphibien enthält keine Arten, die irgend eine hervorstechende, geistige Eigen- schaft besitzen. Die Schlangen stehen zwar im Ruf der Klugheit. Sie haben aber ihren Ruhm wie manche Menschen, ohne dass jemand sagen kann, woher und warum. Das Höchste von Klugheit, was man den Fischen nachgerühmt hat, ist die Art, wie einige, und namentlich die Froschfische, sich ihrer Bartfasern bedienen sol- len, um andere Fische herbeyzulocken. Eine sehr alte Erzählung w), und doch wohl nur ein
Mähr-
w)Aristotelis Hist. animal. L. IX. c. 48.
B 5
Diese Vergleichung ist indeſs in Betreff des Geistigen wie des Physischen nur von einer ein- zigen Seite passend. Es giebt so wenig in je- nem als in diesem eine einfache Stufenleiter. Der Abstand zwischen dem Menschen und den Säugthieren ist noch weit gröſser im Geistigen als im Körperlichen. Bey den Säugthieren, und nächst diesen bey den Vögeln, finden wir im All- gemeinen eine vielseitigere Ausbildung der See- lenkräfte als im übrigen Thierreiche. Aber ein- zelne Arten derselben stehen hierin auf einer so niedrigen Stufe, daſs Niemand Bedenken tragen wird, sie unter den Bienen und manchen andern Arten aus der Classe der Insekten herabzusetzen. Die Amphibien und Fische lassen sich ebenfalls nicht über die Insekten, und die Raubthiere im Allgemeinen nicht über die Herbivoren stellen. Die Classe der Amphibien enthält keine Arten, die irgend eine hervorstechende, geistige Eigen- schaft besitzen. Die Schlangen stehen zwar im Ruf der Klugheit. Sie haben aber ihren Ruhm wie manche Menschen, ohne daſs jemand sagen kann, woher und warum. Das Höchste von Klugheit, was man den Fischen nachgerühmt hat, ist die Art, wie einige, und namentlich die Froschfische, sich ihrer Bartfasern bedienen sol- len, um andere Fische herbeyzulocken. Eine sehr alte Erzählung w), und doch wohl nur ein
Mähr-
w)Aristotelis Hist. animal. L. IX. c. 48.
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Diese Vergleichung ist indeſs in Betreff des
Geistigen wie des Physischen nur von einer ein-
zigen Seite passend. Es giebt so wenig in je-
nem als in diesem eine einfache Stufenleiter.
Der Abstand zwischen dem Menschen und den
Säugthieren ist noch weit gröſser im Geistigen
als im Körperlichen. Bey den Säugthieren, und
nächst diesen bey den Vögeln, finden wir im All-
gemeinen eine vielseitigere Ausbildung der See-
lenkräfte als im übrigen Thierreiche. Aber ein-
zelne Arten derselben stehen hierin auf einer so
niedrigen Stufe, daſs Niemand Bedenken tragen
wird, sie unter den Bienen und manchen andern
Arten aus der Classe der Insekten herabzusetzen.
Die Amphibien und Fische lassen sich ebenfalls
nicht über die Insekten, und die Raubthiere im
Allgemeinen nicht über die Herbivoren stellen.
Die Classe der Amphibien enthält keine Arten,
die irgend eine hervorstechende, geistige Eigen-
schaft besitzen. Die Schlangen stehen zwar im
Ruf der Klugheit. Sie haben aber ihren Ruhm
wie manche Menschen, ohne daſs jemand sagen
kann, woher und warum. Das Höchste von
Klugheit, was man den Fischen nachgerühmt
hat, ist die Art, wie einige, und namentlich die
Froschfische, sich ihrer Bartfasern bedienen sol-
len, um andere Fische herbeyzulocken. Eine
sehr alte Erzählung w), und doch wohl nur ein
Mähr-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/37>, abgerufen am 21.11.2024.
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