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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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nur aus Vergleichungen der Bilder auf der
Netzhaut abnehmen. Bey dem Gebrauche bey-
der Augen zugleich dient uns auch als Mittel
zur Schätzung die Grösse des Winkels, den die
Linien, in welchen der Gegenstand von beyden
Augen gesehen wird, mit einander einschliessen.
Die Neigung dieser zwey Linien gegen die vor-
dere Fläche des Antlitzes, oder gegen die Ebene,
durch welche das letztere der Länge nach halbirt
wird, bestimmt zugleich die Lage des Objekts
in Beziehung auf unsern Standpunkt. Vermit-
telst des einen Auges allein lernen wir nur den
Winkel kennen, den die eine beyder Linien mit
einer dieser Flächen macht. Daher in dem
Versuch, den schon Mallebranche l) zum Be-
weise der gemeinschaftlichen Thätigkeit beyder
Augen bey der Beurtheilung des Abstandes und
der Lage eines Gegenstands anführt, die Schwie-
rigkeit, bey Verschliessung des einen Auges das
Ende eines gekrümmten Stabes durch einen, drey
bis vier Schritte entfernten Ring zu stecken,
welcher so gestellt ist, dass man dessen Oeff-
nung nicht sieht, und die Leichtigkeit, ihn
durch den Ring zu bringen, wenn man sich
beyder Augen dabey bedient. Zur Beurtheilung
der Grösse eines Objekts dienen uns als Data:
die Entfernung desselben, die Grösse des Win-
kels, worunter er gesehen wird, und der Grad

der
l) Reoherche de la verite. L. I. ch. 9.

nur aus Vergleichungen der Bilder auf der
Netzhaut abnehmen. Bey dem Gebrauche bey-
der Augen zugleich dient uns auch als Mittel
zur Schätzung die Gröſse des Winkels, den die
Linien, in welchen der Gegenstand von beyden
Augen gesehen wird, mit einander einschlieſsen.
Die Neigung dieser zwey Linien gegen die vor-
dere Fläche des Antlitzes, oder gegen die Ebene,
durch welche das letztere der Länge nach halbirt
wird, bestimmt zugleich die Lage des Objekts
in Beziehung auf unsern Standpunkt. Vermit-
telst des einen Auges allein lernen wir nur den
Winkel kennen, den die eine beyder Linien mit
einer dieser Flächen macht. Daher in dem
Versuch, den schon Mallebranche l) zum Be-
weise der gemeinschaftlichen Thätigkeit beyder
Augen bey der Beurtheilung des Abstandes und
der Lage eines Gegenstands anführt, die Schwie-
rigkeit, bey Verschlieſsung des einen Auges das
Ende eines gekrümmten Stabes durch einen, drey
bis vier Schritte entfernten Ring zu stecken,
welcher so gestellt ist, daſs man dessen Oeff-
nung nicht sieht, und die Leichtigkeit, ihn
durch den Ring zu bringen, wenn man sich
beyder Augen dabey bedient. Zur Beurtheilung
der Gröſse eines Objekts dienen uns als Data:
die Entfernung desselben, die Gröſse des Win-
kels, worunter er gesehen wird, und der Grad

der
l) Reoherche de la verité. L. I. ch. 9.
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[567/0589] nur aus Vergleichungen der Bilder auf der Netzhaut abnehmen. Bey dem Gebrauche bey- der Augen zugleich dient uns auch als Mittel zur Schätzung die Gröſse des Winkels, den die Linien, in welchen der Gegenstand von beyden Augen gesehen wird, mit einander einschlieſsen. Die Neigung dieser zwey Linien gegen die vor- dere Fläche des Antlitzes, oder gegen die Ebene, durch welche das letztere der Länge nach halbirt wird, bestimmt zugleich die Lage des Objekts in Beziehung auf unsern Standpunkt. Vermit- telst des einen Auges allein lernen wir nur den Winkel kennen, den die eine beyder Linien mit einer dieser Flächen macht. Daher in dem Versuch, den schon Mallebranche l) zum Be- weise der gemeinschaftlichen Thätigkeit beyder Augen bey der Beurtheilung des Abstandes und der Lage eines Gegenstands anführt, die Schwie- rigkeit, bey Verschlieſsung des einen Auges das Ende eines gekrümmten Stabes durch einen, drey bis vier Schritte entfernten Ring zu stecken, welcher so gestellt ist, daſs man dessen Oeff- nung nicht sieht, und die Leichtigkeit, ihn durch den Ring zu bringen, wenn man sich beyder Augen dabey bedient. Zur Beurtheilung der Gröſse eines Objekts dienen uns als Data: die Entfernung desselben, die Gröſse des Win- kels, worunter er gesehen wird, und der Grad der l) Reoherche de la verité. L. I. ch. 9.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/589>, abgerufen am 24.11.2024.