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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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ist aber gewiss nur in vielen, nicht in allen Fäl-
len richtig. Manche körperliche Veränderung
ist zwar von Ideen abhängig; oft kann die Hei-
lung der ganzen Krankheit durch diese gesche-
hen. Aber Manches, worauf sich Vorgefühle in
Krankheiten beziehen, ist so sehr durch äussere
Einflüsse bedingt, dass zwischen der Ahnung
und diesen Einflüssen ein Causalverhältniss statt
finden muss.

Es ist endlich auch nicht zu läugnen, dass
das Wissen gewisser Dinge und der Trieb zu
gewissen Handlungen, wozu es nichts Analoges
unter den Erfahrungen des vergangenen Lebens
giebt, nur aus der Einwirkung des Geistigen
auf das Geistige verschiedener Individuen erklärt
werden kann. Man hat diese Meinung, die
zuerst Villers als einen Erklärungsgrund vieler
psychischer Erscheinungen des künstlichen Schlaf-
wandels benutzte, ausschweifend genannt. Aber
was man auch dagegen einwenden mag, es bleibt
doch wahr, dass viele Kranke in diesem Zu-
stande bey ihren Vorhersagungen, Verordnungen
und Erklärungen von den Meinungen und dem Sy-
stem dessen geleitet werden, unter dessen Einfluss
sie stehen, und zwar geleitet werden, ohne jene
aus mündlichen oder schriftlichen Aeusserungen
kennen gelernt zu haben. Und findet denn
nicht auch etwas Aehnliches bey den Thieren

in

ist aber gewiſs nur in vielen, nicht in allen Fäl-
len richtig. Manche körperliche Veränderung
ist zwar von Ideen abhängig; oft kann die Hei-
lung der ganzen Krankheit durch diese gesche-
hen. Aber Manches, worauf sich Vorgefühle in
Krankheiten beziehen, ist so sehr durch äuſsere
Einflüsse bedingt, daſs zwischen der Ahnung
und diesen Einflüssen ein Causalverhältniſs statt
finden muſs.

Es ist endlich auch nicht zu läugnen, daſs
das Wissen gewisser Dinge und der Trieb zu
gewissen Handlungen, wozu es nichts Analoges
unter den Erfahrungen des vergangenen Lebens
giebt, nur aus der Einwirkung des Geistigen
auf das Geistige verschiedener Individuen erklärt
werden kann. Man hat diese Meinung, die
zuerst Villers als einen Erklärungsgrund vieler
psychischer Erscheinungen des künstlichen Schlaf-
wandels benutzte, ausschweifend genannt. Aber
was man auch dagegen einwenden mag, es bleibt
doch wahr, daſs viele Kranke in diesem Zu-
stande bey ihren Vorhersagungen, Verordnungen
und Erklärungen von den Meinungen und dem Sy-
stem dessen geleitet werden, unter dessen Einfluſs
sie stehen, und zwar geleitet werden, ohne jene
aus mündlichen oder schriftlichen Aeuſserungen
kennen gelernt zu haben. Und findet denn
nicht auch etwas Aehnliches bey den Thieren

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[52/0064] ist aber gewiſs nur in vielen, nicht in allen Fäl- len richtig. Manche körperliche Veränderung ist zwar von Ideen abhängig; oft kann die Hei- lung der ganzen Krankheit durch diese gesche- hen. Aber Manches, worauf sich Vorgefühle in Krankheiten beziehen, ist so sehr durch äuſsere Einflüsse bedingt, daſs zwischen der Ahnung und diesen Einflüssen ein Causalverhältniſs statt finden muſs. Es ist endlich auch nicht zu läugnen, daſs das Wissen gewisser Dinge und der Trieb zu gewissen Handlungen, wozu es nichts Analoges unter den Erfahrungen des vergangenen Lebens giebt, nur aus der Einwirkung des Geistigen auf das Geistige verschiedener Individuen erklärt werden kann. Man hat diese Meinung, die zuerst Villers als einen Erklärungsgrund vieler psychischer Erscheinungen des künstlichen Schlaf- wandels benutzte, ausschweifend genannt. Aber was man auch dagegen einwenden mag, es bleibt doch wahr, daſs viele Kranke in diesem Zu- stande bey ihren Vorhersagungen, Verordnungen und Erklärungen von den Meinungen und dem Sy- stem dessen geleitet werden, unter dessen Einfluſs sie stehen, und zwar geleitet werden, ohne jene aus mündlichen oder schriftlichen Aeuſserungen kennen gelernt zu haben. Und findet denn nicht auch etwas Aehnliches bey den Thieren in

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/64>, abgerufen am 23.11.2024.