er eingeschlafen war, laut zu reden anfing. Der Gegenstand seiner Reden war ein zusammenhän- gender Traum, der in der folgenden Nacht im- mer da wieder anfing, wo er in der zunächst vorhergehenden stehen geblieben war. Der junge Mensch lebte in diesem Traum ein eigenes, von dem wirklichen ganz verschiedenes Leben. Nach dem Erwachen wusste er sich nichts aus dem Traum zu erinnern. Der Zustand, wobey er übrigens gesund zu seyn schien, verlor sich mit dem Aufhören der Entwickelungsperiode.
Wir kommen jetzt auf unsere Hauptlehre zu- rück, dass die Kraft, die in uns Ideen erzeugt, die nämliche ist, welche den Bieber seine Dämme, den Vogel sein Nest, die Biene ihre Zellen bauen heisst, die des Herzens steten Schlag und des Bluts immerwährenden Kreislauf unterhält, die den Embryo aus formloser Materie bildet und denselben nach mannichfaltigen Verwandlun- gen seiner ursprünglichen Gestalt zur höchsten Stufe des physischen Lebens erhebt. Aus den angeführten Thatsachen folgt, dass die Wirkun- gen dieser Kraft dreyfacher Art sind: physische, die sich blos auf den Organismus beziehen und nicht zum Bewusstseyn gelangen; physiche, de- ren sich das denkende Princip bewusst wird, und geistige, die der Sphäre des letztern ange- hören. Auf den Wirkungen der zweyten Art
beruht
D 4
er eingeschlafen war, laut zu reden anfing. Der Gegenstand seiner Reden war ein zusammenhän- gender Traum, der in der folgenden Nacht im- mer da wieder anfing, wo er in der zunächst vorhergehenden stehen geblieben war. Der junge Mensch lebte in diesem Traum ein eigenes, von dem wirklichen ganz verschiedenes Leben. Nach dem Erwachen wuſste er sich nichts aus dem Traum zu erinnern. Der Zustand, wobey er übrigens gesund zu seyn schien, verlor sich mit dem Aufhören der Entwickelungsperiode.
Wir kommen jetzt auf unsere Hauptlehre zu- rück, daſs die Kraft, die in uns Ideen erzeugt, die nämliche ist, welche den Bieber seine Dämme, den Vogel sein Nest, die Biene ihre Zellen bauen heiſst, die des Herzens steten Schlag und des Bluts immerwährenden Kreislauf unterhält, die den Embryo aus formloser Materie bildet und denselben nach mannichfaltigen Verwandlun- gen seiner ursprünglichen Gestalt zur höchsten Stufe des physischen Lebens erhebt. Aus den angeführten Thatsachen folgt, daſs die Wirkun- gen dieser Kraft dreyfacher Art sind: physische, die sich blos auf den Organismus beziehen und nicht zum Bewuſstseyn gelangen; physiche, de- ren sich das denkende Princip bewuſst wird, und geistige, die der Sphäre des letztern ange- hören. Auf den Wirkungen der zweyten Art
beruht
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er eingeschlafen war, laut zu reden anfing. Der
Gegenstand seiner Reden war ein zusammenhän-
gender Traum, der in der folgenden Nacht im-
mer da wieder anfing, wo er in der zunächst
vorhergehenden stehen geblieben war. Der junge
Mensch lebte in diesem Traum ein eigenes, von
dem wirklichen ganz verschiedenes Leben. Nach
dem Erwachen wuſste er sich nichts aus dem
Traum zu erinnern. Der Zustand, wobey er
übrigens gesund zu seyn schien, verlor sich
mit dem Aufhören der Entwickelungsperiode.
Wir kommen jetzt auf unsere Hauptlehre zu-
rück, daſs die Kraft, die in uns Ideen erzeugt,
die nämliche ist, welche den Bieber seine Dämme,
den Vogel sein Nest, die Biene ihre Zellen
bauen heiſst, die des Herzens steten Schlag und
des Bluts immerwährenden Kreislauf unterhält,
die den Embryo aus formloser Materie bildet
und denselben nach mannichfaltigen Verwandlun-
gen seiner ursprünglichen Gestalt zur höchsten
Stufe des physischen Lebens erhebt. Aus den
angeführten Thatsachen folgt, daſs die Wirkun-
gen dieser Kraft dreyfacher Art sind: physische,
die sich blos auf den Organismus beziehen und
nicht zum Bewuſstseyn gelangen; physiche, de-
ren sich das denkende Princip bewuſst wird,
und geistige, die der Sphäre des letztern ange-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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