Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Wille auch einen Einfluss, doch nur einen mit-
telbaren, indem er Aufmerksamkeit und Erwar-
tung erregt. Diese Spannung des innern Sinns
ist ein Affekt, der in dem Theil, worauf die
Aufmerksamkeit gerichtet ist, eine Erhöhung der
Reitzbarkeit und so eine Veränderung bewirkt,
die zwar in ihrem Erfolg den Schein der Will-
kühr haben kann, aber in ihrer Entstehung von
den eigentlichen willkührlichen Handlungen ver-
schieden ist. Auf diese Weise entstehen alle die
innern Veränderungen der Sinnesorgane, welche
zum Zweck haben, die letztern dem von ihnen
aufzunehmenden Eindrucke anzupassen. Nie-
mand ist sich der Anspannung der Muskeln des
innern Ohrs beym Horchen auf leise oder ent-
fernte Töne, sondern blos des Horchens bewusst.
Den Vögeln hat man das Vermögen zugeschrie-
ben, ihre Pupille willkührlich zu verengern und
zu erweitern. Das Wahre aber ist, dass die Iris
dieser Thiere sich in einer beständigen Oscilla-
tion befindet, worauf jeder Affekt einen weit
grössern Einfluss als bey den Säugthieren hat.

Den Affekten und Leidenschaften sind zu-
nächst die Organe des vegetativen Lebens, wie
dem Willen die dem sensitiven Leben dienen-
den Muskeln unterworfen. Jene wirken also auf
Theile, die dem Einfluss der Nervenreitze durch
Ganglien entzogen sind. Es ist schon aus die-

sem

Wille auch einen Einfluſs, doch nur einen mit-
telbaren, indem er Aufmerksamkeit und Erwar-
tung erregt. Diese Spannung des innern Sinns
ist ein Affekt, der in dem Theil, worauf die
Aufmerksamkeit gerichtet ist, eine Erhöhung der
Reitzbarkeit und so eine Veränderung bewirkt,
die zwar in ihrem Erfolg den Schein der Will-
kühr haben kann, aber in ihrer Entstehung von
den eigentlichen willkührlichen Handlungen ver-
schieden ist. Auf diese Weise entstehen alle die
innern Veränderungen der Sinnesorgane, welche
zum Zweck haben, die letztern dem von ihnen
aufzunehmenden Eindrucke anzupassen. Nie-
mand ist sich der Anspannung der Muskeln des
innern Ohrs beym Horchen auf leise oder ent-
fernte Töne, sondern blos des Horchens bewuſst.
Den Vögeln hat man das Vermögen zugeschrie-
ben, ihre Pupille willkührlich zu verengern und
zu erweitern. Das Wahre aber ist, daſs die Iris
dieser Thiere sich in einer beständigen Oscilla-
tion befindet, worauf jeder Affekt einen weit
gröſsern Einfluſs als bey den Säugthieren hat.

Den Affekten und Leidenschaften sind zu-
nächst die Organe des vegetativen Lebens, wie
dem Willen die dem sensitiven Leben dienen-
den Muskeln unterworfen. Jene wirken also auf
Theile, die dem Einfluſs der Nervenreitze durch
Ganglien entzogen sind. Es ist schon aus die-

sem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0070" n="58"/>
Wille auch einen Einflu&#x017F;s, doch nur einen mit-<lb/>
telbaren, indem er Aufmerksamkeit und Erwar-<lb/>
tung erregt. Diese Spannung des innern Sinns<lb/>
ist ein Affekt, der in dem Theil, worauf die<lb/>
Aufmerksamkeit gerichtet ist, eine Erhöhung der<lb/>
Reitzbarkeit und so eine Veränderung bewirkt,<lb/>
die zwar in ihrem Erfolg den Schein der Will-<lb/>
kühr haben kann, aber in ihrer Entstehung von<lb/>
den eigentlichen willkührlichen Handlungen ver-<lb/>
schieden ist. Auf diese Weise entstehen alle die<lb/>
innern Veränderungen der Sinnesorgane, welche<lb/>
zum Zweck haben, die letztern dem von ihnen<lb/>
aufzunehmenden Eindrucke anzupassen. Nie-<lb/>
mand ist sich der Anspannung der Muskeln des<lb/>
innern Ohrs beym Horchen auf leise oder ent-<lb/>
fernte Töne, sondern blos des Horchens bewu&#x017F;st.<lb/>
Den Vögeln hat man das Vermögen zugeschrie-<lb/>
ben, ihre Pupille willkührlich zu verengern und<lb/>
zu erweitern. Das Wahre aber ist, da&#x017F;s die Iris<lb/>
dieser Thiere sich in einer beständigen Oscilla-<lb/>
tion befindet, worauf jeder Affekt einen weit<lb/>
grö&#x017F;sern Einflu&#x017F;s als bey den Säugthieren hat.</p><lb/>
            <p>Den Affekten und Leidenschaften sind zu-<lb/>
nächst die Organe des vegetativen Lebens, wie<lb/>
dem Willen die dem sensitiven Leben dienen-<lb/>
den Muskeln unterworfen. Jene wirken also auf<lb/>
Theile, die dem Einflu&#x017F;s der Nervenreitze durch<lb/>
Ganglien entzogen sind. Es ist schon aus die-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">sem</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0070] Wille auch einen Einfluſs, doch nur einen mit- telbaren, indem er Aufmerksamkeit und Erwar- tung erregt. Diese Spannung des innern Sinns ist ein Affekt, der in dem Theil, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet ist, eine Erhöhung der Reitzbarkeit und so eine Veränderung bewirkt, die zwar in ihrem Erfolg den Schein der Will- kühr haben kann, aber in ihrer Entstehung von den eigentlichen willkührlichen Handlungen ver- schieden ist. Auf diese Weise entstehen alle die innern Veränderungen der Sinnesorgane, welche zum Zweck haben, die letztern dem von ihnen aufzunehmenden Eindrucke anzupassen. Nie- mand ist sich der Anspannung der Muskeln des innern Ohrs beym Horchen auf leise oder ent- fernte Töne, sondern blos des Horchens bewuſst. Den Vögeln hat man das Vermögen zugeschrie- ben, ihre Pupille willkührlich zu verengern und zu erweitern. Das Wahre aber ist, daſs die Iris dieser Thiere sich in einer beständigen Oscilla- tion befindet, worauf jeder Affekt einen weit gröſsern Einfluſs als bey den Säugthieren hat. Den Affekten und Leidenschaften sind zu- nächst die Organe des vegetativen Lebens, wie dem Willen die dem sensitiven Leben dienen- den Muskeln unterworfen. Jene wirken also auf Theile, die dem Einfluſs der Nervenreitze durch Ganglien entzogen sind. Es ist schon aus die- sem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/70
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/70>, abgerufen am 24.11.2024.