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Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.

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[Spaltenumbruch]

Gen
Mann mit aufrechten Spiessen,
nur an den 32 Feldungen wohl
stehen können, noch vielmehr aber
sollten in der Mitten stehen, bis
sie gar erfüllet würde. Der Adel,
welcher sehr reich und mächtig,
theilet sich in den Alten und Neuen.
Sonsten sind die Genueser hoch
im Gemüth und gute Haushälter,
darneben aber gar rachgierig, ha-
ben mehr Jnclination zur Han-
delschafft als zum Studiren; ih-
re Weiber tragen grosse Reiff-
Röcke, welche so weit und aus-
gebreitet sind, daß sich wol 3
Männer darunter verstecken kön-
nen. Es giebt allda über 18000
Personen, die in Seiden, und
8000, so in Sammet arbeiten.
Jm übrigen wird in Jtalien von
den Genuesern dieses Sprichwort
herum getragen: Um Genua ist
das Meer ohne Fisch, das Gebirg
ohne Holtz, die Weiber ohne
Scham, und die Leute ohne Treu
und Glauben.

Genüß, Gepfneisch,

Wenn man bey einem Jagen
das erst gefällte Wildpret, weil
es noch warm ist, aufbricht, das
Eingeweide zerhacket, und samt
dem mit dem Schweiß vermisch-
ten Brote den Jagd-Hunden zu
fressen giebet, solches heisset Ge-
nüß geben oder Pfneischen, das
Fressen selbst aber Genüß oder
Gepfneisch. Mit dem Geniessen
oder Genüß geben eines Leithun-
des muß ein Jäger sehr behutsam
gehen, und vor allen seinen Leit-
Hund beurtheilen, ob er emsig
und hitzig oder faul und kaltsinnig
suchet, welchen beyden Mängeln
er mit Verstande abzuhelffen wis-
sen muß. Denn dem hitzig- und
begierig-suchenden Hunde muß er
[Spaltenumbruch]

Gen
vom Genüß bey Leibe nichts ge-
ben, denn sonst würde er übel är-
ger, und damit den Hund noch
hitziger machen; die beste Hülffe
aber bestehet darinne, daß er den-
selben kurtz führe, und das Han-
ge-Seil nicht zu lange schiessen
lasse, demselben nicht mit starcker
Stimme, noch zu offt zuspreche,
auch ihn auf keine frische Fähre
bringe, oder ihm was lebendiges
sehen lasse u. d. Einem kaltsin-
nigen, verdrossenen und faulen
Hunde aber kan mit dem Genüß,
zumal wenn er solchen liebet und
gerne annimmet, mercklich gehol-
fen werden. Er muß ihm aber
gantz warm mit frischem Schweiß
gegeben werden, denn dadurch
wird ihm ein Muth gemachet, die
Hirsch-Fährte desto besser und
williger zu suchen. Solte er es
das erste mal nicht annehmen
wollen, muß man ihm durch Hun-
ger den Appetit erwecken. Man
verfähret aber mit dem Genüß ge-
ben folgender Gestalt: erstlich wird
ein Hirsch oder Thier, welches
man hat, aufgebrochen, und auf
die Seite, etwan in ein Gesträuch,
vornemlich aber ausser dem Win-
de gelegt, hernach dessen kurtz
Wildpret von dem Halse ausge-
schnitten, mit Schweisse bestri-
chen, und zwischen die Vorder-
Schale des Hirsches oder Thieres
dergestalt eingezwenget, daß es
nicht gleich heraus genommen wer-
den kan: Denn macht man mit
einer in Schweiß eingetunckten
Klauen, auf hundert Schritt ge-
wöhnlicher massen eine Spur bis
zum Thier, nimmt den Leit-Hund
führet ihn ausser dem Wind mit
dem Zuspruch, recht geben, und
ablieben, bis zu diesem Bissen,
und lässet ihm solchen, doch daß

er
F f 5

[Spaltenumbruch]

Gen
Mann mit aufrechten Spieſſen,
nur an den 32 Feldungen wohl
ſtehen koͤnnen, noch vielmehr aber
ſollten in der Mitten ſtehen, bis
ſie gar erfuͤllet wuͤrde. Der Adel,
welcher ſehr reich und maͤchtig,
theilet ſich in den Alten und Neuen.
Sonſten ſind die Genueſer hoch
im Gemuͤth und gute Haushaͤlter,
darneben aber gar rachgierig, ha-
ben mehr Jnclination zur Han-
delſchafft als zum Studiren; ih-
re Weiber tragen groſſe Reiff-
Roͤcke, welche ſo weit und aus-
gebreitet ſind, daß ſich wol 3
Maͤnner darunter verſtecken koͤn-
nen. Es giebt allda uͤber 18000
Perſonen, die in Seiden, und
8000, ſo in Sammet arbeiten.
Jm uͤbrigen wird in Jtalien von
den Genueſern dieſes Sprichwort
herum getragen: Um Genua iſt
das Meer ohne Fiſch, das Gebirg
ohne Holtz, die Weiber ohne
Scham, und die Leute ohne Treu
und Glauben.

Genuͤß, Gepfneiſch,

Wenn man bey einem Jagen
das erſt gefaͤllte Wildpret, weil
es noch warm iſt, aufbricht, das
Eingeweide zerhacket, und ſamt
dem mit dem Schweiß vermiſch-
ten Brote den Jagd-Hunden zu
freſſen giebet, ſolches heiſſet Ge-
nuͤß geben oder Pfneiſchen, das
Freſſen ſelbſt aber Genuͤß oder
Gepfneiſch. Mit dem Genieſſen
oder Genuͤß geben eines Leithun-
des muß ein Jaͤger ſehr behutſam
gehen, und vor allen ſeinen Leit-
Hund beurtheilen, ob er emſig
und hitzig oder faul und kaltſinnig
ſuchet, welchen beyden Maͤngeln
er mit Verſtande abzuhelffen wiſ-
ſen muß. Denn dem hitzig- und
begierig-ſuchenden Hunde muß er
[Spaltenumbruch]

Gen
vom Genuͤß bey Leibe nichts ge-
ben, denn ſonſt wuͤrde er uͤbel aͤr-
ger, und damit den Hund noch
hitziger machen; die beſte Huͤlffe
aber beſtehet darinne, daß er den-
ſelben kurtz fuͤhre, und das Han-
ge-Seil nicht zu lange ſchieſſen
laſſe, demſelben nicht mit ſtarcker
Stimme, noch zu offt zuſpreche,
auch ihn auf keine friſche Faͤhre
bringe, oder ihm was lebendiges
ſehen laſſe u. d. Einem kaltſin-
nigen, verdroſſenen und faulen
Hunde aber kan mit dem Genuͤß,
zumal wenn er ſolchen liebet und
gerne annimmet, mercklich gehol-
fen werden. Er muß ihm aber
gantz warm mit friſchem Schweiß
gegeben werden, denn dadurch
wird ihm ein Muth gemachet, die
Hirſch-Faͤhrte deſto beſſer und
williger zu ſuchen. Solte er es
das erſte mal nicht annehmen
wollen, muß man ihm durch Hun-
ger den Appetit erwecken. Man
verfaͤhret aber mit dem Genuͤß ge-
ben folgender Geſtalt: erſtlich wird
ein Hirſch oder Thier, welches
man hat, aufgebrochen, und auf
die Seite, etwan in ein Geſtraͤuch,
vornemlich aber auſſer dem Win-
de gelegt, hernach deſſen kurtz
Wildpret von dem Halſe ausge-
ſchnitten, mit Schweiſſe beſtri-
chen, und zwiſchen die Vorder-
Schale des Hirſches oder Thieres
dergeſtalt eingezwenget, daß es
nicht gleich heraus genommen wer-
den kan: Denn macht man mit
einer in Schweiß eingetunckten
Klauen, auf hundert Schritt ge-
woͤhnlicher maſſen eine Spur bis
zum Thier, nimmt den Leit-Hund
fuͤhret ihn auſſer dem Wind mit
dem Zuſpruch, recht geben, und
ablieben, bis zu dieſem Biſſen,
und laͤſſet ihm ſolchen, doch daß

er
F f 5
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[0477] Gen Gen Mann mit aufrechten Spieſſen, nur an den 32 Feldungen wohl ſtehen koͤnnen, noch vielmehr aber ſollten in der Mitten ſtehen, bis ſie gar erfuͤllet wuͤrde. Der Adel, welcher ſehr reich und maͤchtig, theilet ſich in den Alten und Neuen. Sonſten ſind die Genueſer hoch im Gemuͤth und gute Haushaͤlter, darneben aber gar rachgierig, ha- ben mehr Jnclination zur Han- delſchafft als zum Studiren; ih- re Weiber tragen groſſe Reiff- Roͤcke, welche ſo weit und aus- gebreitet ſind, daß ſich wol 3 Maͤnner darunter verſtecken koͤn- nen. Es giebt allda uͤber 18000 Perſonen, die in Seiden, und 8000, ſo in Sammet arbeiten. Jm uͤbrigen wird in Jtalien von den Genueſern dieſes Sprichwort herum getragen: Um Genua iſt das Meer ohne Fiſch, das Gebirg ohne Holtz, die Weiber ohne Scham, und die Leute ohne Treu und Glauben. Genuͤß, Gepfneiſch, Wenn man bey einem Jagen das erſt gefaͤllte Wildpret, weil es noch warm iſt, aufbricht, das Eingeweide zerhacket, und ſamt dem mit dem Schweiß vermiſch- ten Brote den Jagd-Hunden zu freſſen giebet, ſolches heiſſet Ge- nuͤß geben oder Pfneiſchen, das Freſſen ſelbſt aber Genuͤß oder Gepfneiſch. Mit dem Genieſſen oder Genuͤß geben eines Leithun- des muß ein Jaͤger ſehr behutſam gehen, und vor allen ſeinen Leit- Hund beurtheilen, ob er emſig und hitzig oder faul und kaltſinnig ſuchet, welchen beyden Maͤngeln er mit Verſtande abzuhelffen wiſ- ſen muß. Denn dem hitzig- und begierig-ſuchenden Hunde muß er vom Genuͤß bey Leibe nichts ge- ben, denn ſonſt wuͤrde er uͤbel aͤr- ger, und damit den Hund noch hitziger machen; die beſte Huͤlffe aber beſtehet darinne, daß er den- ſelben kurtz fuͤhre, und das Han- ge-Seil nicht zu lange ſchieſſen laſſe, demſelben nicht mit ſtarcker Stimme, noch zu offt zuſpreche, auch ihn auf keine friſche Faͤhre bringe, oder ihm was lebendiges ſehen laſſe u. d. Einem kaltſin- nigen, verdroſſenen und faulen Hunde aber kan mit dem Genuͤß, zumal wenn er ſolchen liebet und gerne annimmet, mercklich gehol- fen werden. Er muß ihm aber gantz warm mit friſchem Schweiß gegeben werden, denn dadurch wird ihm ein Muth gemachet, die Hirſch-Faͤhrte deſto beſſer und williger zu ſuchen. Solte er es das erſte mal nicht annehmen wollen, muß man ihm durch Hun- ger den Appetit erwecken. Man verfaͤhret aber mit dem Genuͤß ge- ben folgender Geſtalt: erſtlich wird ein Hirſch oder Thier, welches man hat, aufgebrochen, und auf die Seite, etwan in ein Geſtraͤuch, vornemlich aber auſſer dem Win- de gelegt, hernach deſſen kurtz Wildpret von dem Halſe ausge- ſchnitten, mit Schweiſſe beſtri- chen, und zwiſchen die Vorder- Schale des Hirſches oder Thieres dergeſtalt eingezwenget, daß es nicht gleich heraus genommen wer- den kan: Denn macht man mit einer in Schweiß eingetunckten Klauen, auf hundert Schritt ge- woͤhnlicher maſſen eine Spur bis zum Thier, nimmt den Leit-Hund fuͤhret ihn auſſer dem Wind mit dem Zuſpruch, recht geben, und ablieben, bis zu dieſem Biſſen, und laͤſſet ihm ſolchen, doch daß er F f 5

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Zitationshilfe: Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/477>, abgerufen am 22.11.2024.