Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Kol Hirschen genennet, wenn es nochweich, und etwan einer Hand breit hoch ist. Die rauhe Haut, damit es überzogen ist, heisset man das Bast. Man bekommt sie erst nach Johannis, und sind solche eine ziemlich rare Speise: Denn von einem oder zweyen Hirschen kan man keine grosse Casserole oder Tiegel voll zu wege bringen, daher sie nur bey grosser Herren Höfen können zugerichtet werden. Jn der Artzeney haben diese Kol- ben einen treflichen Nutzen, indem daraus ein köstlich Wasser, wider böse hitzige Fieber gebrannt, wird. Koller der Pferde, Kommt von Natur, auch durch Koller, oder Sonnenschuß, Jst eine Pferde-Kranckheit, Kol übertrieben worden, und da esseine natürliche Ruhe nicht haben mag, oder auch verstopffet ist, und nicht misten kan, in welchem Fall vor allen der Mist aus dem Mast- Darm mit einer über und über mit Oel wohl beschmierten Hand heraus gezogen, und hierauf fer- ner der Leib mit einer Purgation gereiniget werden muß. Nach der Purgirung soll man ihm folgen- den Tranck eingeben: Nehmet ein Qvintlein gepülverten Weyrauch, ein Qvartier guten Wein-Eßig, drey Untzen Steinbrech, eine Un- tze der Wurtzel vom Heilkraut oder Liebstöckel, dieses gebet ihm in Honig-Wasser ein, und lasset ihm sodenn die Koller-Ader und Schranck-Ader schlagen, doch soll man nicht zu viel Blut her- aus lassen. Es ist aber der Kol- ler zweyerley: Nemlich der stille Koller und der tolle Koller. Der stille Koller wird erkannt, wenn das damit behafftete Pferd den Kopff unter die Krippe hänget, die Augen verkehret, und die vor- dern Beine über einander hält. Diesem Uibel abzuhelffen, muß die zu oberst hart hinter einem ie- den Ohr liegende Ader entwey ge- rissen; darnach hinten vom Schweiff ein Stücke eines Glie- des groß ab- und ein Creutz dar- ein geschnitten werden. Hier- nächst nimmt man einen blauen wollenen Faden, und ziehet ihn dem Pferd durch die Nase, durch den Knorpel, sticht ihm den drit- ten Kern, reisset ihme die Adern mitten auf der Zungen entzwey, und lässet sie wohl bluten, so be- kommt es diesen Koller nicht mehr. Wenn aber ein Roß den tollen Koller hat, so mercke man zuerst mit Fleiß darauf, wenn das
[Spaltenumbruch] Kol Hirſchen genennet, wenn es nochweich, und etwan einer Hand breit hoch iſt. Die rauhe Haut, damit es uͤberzogen iſt, heiſſet man das Baſt. Man bekommt ſie erſt nach Johannis, und ſind ſolche eine ziemlich rare Speiſe: Denn von einem oder zweyen Hirſchen kan man keine groſſe Caſſerole oder Tiegel voll zu wege bringen, daher ſie nur bey groſſer Herren Hoͤfen koͤnnen zugerichtet werden. Jn der Artzeney haben dieſe Kol- ben einen treflichen Nutzen, indem daraus ein koͤſtlich Waſſer, wider boͤſe hitzige Fieber gebrannt, wird. Koller der Pferde, Kommt von Natur, auch durch Koller, oder Sonnenſchuß, Jſt eine Pferde-Kranckheit, Kol uͤbertrieben worden, und da esſeine natuͤrliche Ruhe nicht haben mag, oder auch verſtopffet iſt, und nicht miſten kan, in welchem Fall vor allen der Miſt aus dem Maſt- Darm mit einer uͤber und uͤber mit Oel wohl beſchmierten Hand heraus gezogen, und hierauf fer- ner der Leib mit einer Purgation gereiniget werden muß. Nach der Purgirung ſoll man ihm folgen- den Tranck eingeben: Nehmet ein Qvintlein gepuͤlverten Weyrauch, ein Qvartier guten Wein-Eßig, drey Untzen Steinbrech, eine Un- tze der Wurtzel vom Heilkraut oder Liebſtoͤckel, dieſes gebet ihm in Honig-Waſſer ein, und laſſet ihm ſodenn die Koller-Ader und Schranck-Ader ſchlagen, doch ſoll man nicht zu viel Blut her- aus laſſen. Es iſt aber der Kol- ler zweyerley: Nemlich der ſtille Koller und der tolle Koller. Der ſtille Koller wird erkannt, wenn das damit behafftete Pferd den Kopff unter die Krippe haͤnget, die Augen verkehret, und die vor- dern Beine uͤber einander haͤlt. Dieſem Uibel abzuhelffen, muß die zu oberſt hart hinter einem ie- den Ohr liegende Ader entwey ge- riſſen; darnach hinten vom Schweiff ein Stuͤcke eines Glie- des groß ab- und ein Creutz dar- ein geſchnitten werden. Hier- naͤchſt nimmt man einen blauen wollenen Faden, und ziehet ihn dem Pferd durch die Naſe, durch den Knorpel, ſticht ihm den drit- ten Kern, reiſſet ihme die Adern mitten auf der Zungen entzwey, und laͤſſet ſie wohl bluten, ſo be- kommt es dieſen Koller nicht mehr. Wenn aber ein Roß den tollen Koller hat, ſo mercke man zuerſt mit Fleiß darauf, wenn das
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0640"/><cb n="1239"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kol</hi></hi></fw><lb/> Hirſchen genennet, wenn es noch<lb/> weich, und etwan einer Hand<lb/> breit hoch iſt. Die rauhe Haut,<lb/> damit es uͤberzogen iſt, heiſſet man<lb/> das Baſt. Man bekommt ſie erſt<lb/> nach Johannis, und ſind ſolche<lb/> eine ziemlich rare Speiſe: Denn<lb/> von einem oder zweyen Hirſchen<lb/> kan man keine groſſe <hi rendition="#aq">Caſſerole</hi><lb/> oder Tiegel voll zu wege bringen,<lb/> daher ſie nur bey groſſer Herren<lb/> Hoͤfen koͤnnen zugerichtet werden.<lb/> Jn der Artzeney haben dieſe Kol-<lb/> ben einen treflichen Nutzen, indem<lb/> daraus ein koͤſtlich Waſſer, wider<lb/> boͤſe hitzige Fieber gebrannt, wird.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Koller der Pferde,</hi> </head><lb/> <p>Kommt von Natur, auch durch<lb/> die Verwahrloſung. Sie richtet<lb/> ſich nach dem Mondſchein, wenn<lb/> der Hundsſtern in ſeiner Erhoͤhung<lb/> und Krafft, und die groͤſte Hitze<lb/> iſt, da ſtehen dieſe Pferde 1) an-<lb/> fangs allezeit in tieffen Gedancken<lb/> 2) halten den Kopff meiſtentheils<lb/> in oder unter die Krippe, 3) ſchla-<lb/> gen ſie mit den hintern Schen-<lb/> ckeln an den Bauch, 4) ſchreyen<lb/> gantz heiſer, 5) verkehren die Au-<lb/> gen, ſchrencken die vordern Fuͤſſe,<lb/> und haͤngen den Kopf faſt auf den<lb/> Boden, daß man ſie mit den<lb/> ſchaͤrfſten Stangen nicht kan uͤber<lb/> ſich richten. Dafuͤr iſt die Haut<lb/> mitten auf der Stirne aufzuſchnei-<lb/> den, ein Knoblauch-Haupt und<lb/> Liebſtengel-Wurtzel darein zu ſte-<lb/> cken, und ein Monat lang dar-<lb/> inne wohl verwahrt zu laſſen, und<lb/> dabey Ader gelaſſen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Koller, oder Sonnenſchuß,</hi> </head><lb/> <p>Jſt eine Pferde-Kranckheit,<lb/> welche durch die Schaͤrffe des er-<lb/> hitzten Gebluͤts erreget, oder auch<lb/> dadurch verurſachet wird, wenn<lb/> ein Pferd gar zu ſehr erhitzet und<lb/><cb n="1240"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kol</hi></hi></fw><lb/> uͤbertrieben worden, und da es<lb/> ſeine natuͤrliche Ruhe nicht haben<lb/> mag, oder auch verſtopffet iſt, und<lb/> nicht miſten kan, in welchem Fall<lb/> vor allen der Miſt aus dem Maſt-<lb/> Darm mit einer uͤber und uͤber<lb/> mit Oel wohl beſchmierten Hand<lb/> heraus gezogen, und hierauf fer-<lb/> ner der Leib mit einer Purgation<lb/> gereiniget werden muß. Nach der<lb/> Purgirung ſoll man ihm folgen-<lb/> den Tranck eingeben: Nehmet ein<lb/> Qvintlein gepuͤlverten Weyrauch,<lb/> ein Qvartier guten Wein-Eßig,<lb/> drey Untzen Steinbrech, eine Un-<lb/> tze der Wurtzel vom Heilkraut<lb/> oder Liebſtoͤckel, dieſes gebet ihm<lb/> in Honig-Waſſer ein, und laſſet<lb/> ihm ſodenn die Koller-Ader und<lb/> Schranck-Ader ſchlagen, doch<lb/> ſoll man nicht zu viel Blut her-<lb/> aus laſſen. Es iſt aber der Kol-<lb/> ler zweyerley: Nemlich der ſtille<lb/> Koller und der tolle Koller. Der<lb/> ſtille Koller wird erkannt, wenn<lb/> das damit behafftete Pferd den<lb/> Kopff unter die Krippe haͤnget,<lb/> die Augen verkehret, und die vor-<lb/> dern Beine uͤber einander haͤlt.<lb/> Dieſem Uibel abzuhelffen, muß<lb/> die zu oberſt hart hinter einem ie-<lb/> den Ohr liegende Ader entwey ge-<lb/> riſſen; darnach hinten vom<lb/> Schweiff ein Stuͤcke eines Glie-<lb/> des groß ab- und ein Creutz dar-<lb/> ein geſchnitten werden. Hier-<lb/> naͤchſt nimmt man einen blauen<lb/> wollenen Faden, und ziehet ihn<lb/> dem Pferd durch die Naſe, durch<lb/> den Knorpel, ſticht ihm den drit-<lb/> ten Kern, reiſſet ihme die Adern<lb/> mitten auf der Zungen entzwey,<lb/> und laͤſſet ſie wohl bluten, ſo be-<lb/> kommt es dieſen Koller nicht mehr.<lb/> Wenn aber ein Roß den<lb/> tollen Koller hat, ſo mercke man<lb/> zuerſt mit Fleiß darauf, wenn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0640]
Kol
Kol
Hirſchen genennet, wenn es noch
weich, und etwan einer Hand
breit hoch iſt. Die rauhe Haut,
damit es uͤberzogen iſt, heiſſet man
das Baſt. Man bekommt ſie erſt
nach Johannis, und ſind ſolche
eine ziemlich rare Speiſe: Denn
von einem oder zweyen Hirſchen
kan man keine groſſe Caſſerole
oder Tiegel voll zu wege bringen,
daher ſie nur bey groſſer Herren
Hoͤfen koͤnnen zugerichtet werden.
Jn der Artzeney haben dieſe Kol-
ben einen treflichen Nutzen, indem
daraus ein koͤſtlich Waſſer, wider
boͤſe hitzige Fieber gebrannt, wird.
Koller der Pferde,
Kommt von Natur, auch durch
die Verwahrloſung. Sie richtet
ſich nach dem Mondſchein, wenn
der Hundsſtern in ſeiner Erhoͤhung
und Krafft, und die groͤſte Hitze
iſt, da ſtehen dieſe Pferde 1) an-
fangs allezeit in tieffen Gedancken
2) halten den Kopff meiſtentheils
in oder unter die Krippe, 3) ſchla-
gen ſie mit den hintern Schen-
ckeln an den Bauch, 4) ſchreyen
gantz heiſer, 5) verkehren die Au-
gen, ſchrencken die vordern Fuͤſſe,
und haͤngen den Kopf faſt auf den
Boden, daß man ſie mit den
ſchaͤrfſten Stangen nicht kan uͤber
ſich richten. Dafuͤr iſt die Haut
mitten auf der Stirne aufzuſchnei-
den, ein Knoblauch-Haupt und
Liebſtengel-Wurtzel darein zu ſte-
cken, und ein Monat lang dar-
inne wohl verwahrt zu laſſen, und
dabey Ader gelaſſen.
Koller, oder Sonnenſchuß,
Jſt eine Pferde-Kranckheit,
welche durch die Schaͤrffe des er-
hitzten Gebluͤts erreget, oder auch
dadurch verurſachet wird, wenn
ein Pferd gar zu ſehr erhitzet und
uͤbertrieben worden, und da es
ſeine natuͤrliche Ruhe nicht haben
mag, oder auch verſtopffet iſt, und
nicht miſten kan, in welchem Fall
vor allen der Miſt aus dem Maſt-
Darm mit einer uͤber und uͤber
mit Oel wohl beſchmierten Hand
heraus gezogen, und hierauf fer-
ner der Leib mit einer Purgation
gereiniget werden muß. Nach der
Purgirung ſoll man ihm folgen-
den Tranck eingeben: Nehmet ein
Qvintlein gepuͤlverten Weyrauch,
ein Qvartier guten Wein-Eßig,
drey Untzen Steinbrech, eine Un-
tze der Wurtzel vom Heilkraut
oder Liebſtoͤckel, dieſes gebet ihm
in Honig-Waſſer ein, und laſſet
ihm ſodenn die Koller-Ader und
Schranck-Ader ſchlagen, doch
ſoll man nicht zu viel Blut her-
aus laſſen. Es iſt aber der Kol-
ler zweyerley: Nemlich der ſtille
Koller und der tolle Koller. Der
ſtille Koller wird erkannt, wenn
das damit behafftete Pferd den
Kopff unter die Krippe haͤnget,
die Augen verkehret, und die vor-
dern Beine uͤber einander haͤlt.
Dieſem Uibel abzuhelffen, muß
die zu oberſt hart hinter einem ie-
den Ohr liegende Ader entwey ge-
riſſen; darnach hinten vom
Schweiff ein Stuͤcke eines Glie-
des groß ab- und ein Creutz dar-
ein geſchnitten werden. Hier-
naͤchſt nimmt man einen blauen
wollenen Faden, und ziehet ihn
dem Pferd durch die Naſe, durch
den Knorpel, ſticht ihm den drit-
ten Kern, reiſſet ihme die Adern
mitten auf der Zungen entzwey,
und laͤſſet ſie wohl bluten, ſo be-
kommt es dieſen Koller nicht mehr.
Wenn aber ein Roß den
tollen Koller hat, ſo mercke man
zuerſt mit Fleiß darauf, wenn
das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |